Von Kärnten aus mitten in die Formel 1

Michael Waldher hat als Pflegeassistent sechs Jahre an der Seite von Rennstall-Besitzer Frank Williams gearbeitet, der seit einem Unfall im Rollstuhl sitzt. Die Karriere des Kärntners zeigt deutlich: Eigeninitiative kann der Schlüssel zum Erfolg sein.

Die Zusammenarbeit mit Frank Williams schätzte der Kärntner sehr. "Wenn man mit Ehrlichkeit zu ihm kommt, würde er einen nie fallen lassen“, sagt Waldher und erzählte im ORF-Interview eine Anekdote: „2011 gab es einen Wechsel bei den Motoren und eine Pressekonferenz. Frank sagte zu mir ’Mach dich fertig, in fünf Minuten fahren wir." Ich begann nach meinem Autoschlüssel zu suchen und dachte: Oje, wo ist er? Ich suchte und fand ihn nicht. Ich ging zu Frank und sagte: ’Frank, ich habe es verbockt. Ich habe deinen Autoschlüssel bei mir zu Hause vergessen.“

Michael Waldher Frank Williams Bundeslandfenster Formel 1

Michael Waldher

Michael Waldher (links) und Frank Williams

Er sah mich an und sagte: ‚Überhaupt kein Problem, wir sind alle Menschen und machen Fehler. Schmeiß mich in deinen Fiat 500 und fahren wir.‘ Ich bin raus und setzte ihn rein. Seine Frau war hellauf begeistert, es gab ein Riesengelächter und wir sind mit meinem Fiat zur Fabrik gefahren. Im Auto meinte Frank: ‚Michael, you made my day‘, also ‚Du hast meinen Tag gerettet.‘ Williams fuhr nämlich in den 1960ern selbst einen Fiat 500, es war für ihn lustig und schön zu sehen, wie sich das Auto entwickelt hat. Bevor wir in der Factory ankamen, fragte ich ihn, ob wir in ein anderes Auto umsteigen sollten. Er meinte nur: ‚Michael, wir fahren mit deinem Fiat 500 bis zur Pressekonferenz.‘"

„Die soziale Ader hab’ ich geerbt“

Woher kam das Interesse für den Pflegeberuf? „Der Grund liegt wahrscheinlich darin, dass meine Mutter Krankenschwester ist und ich glaube, ich habe ihre soziale Ader geerbt. Ich habe die Fachschule für Sozialberufe in Klagenfurt absolviert und danach die Krankenpflegeschule im LKH.“

Nach dem Bundesheer landet Waldher für ein halbes Jahr in England und arbeitet dort in einem Privatkrankenhaus, bevor es wieder nach Hause ging. In Wien folgen drei Jahre auf einer neurologischen Intensivstation. Dann ging es auf ein Schiff: „als Medical Officer. Auf einem Kreuzfahrtschiff sind immer Pflegekräfte und Ärzte, die naturgemäß auch ein sehr hohes Ranking haben. Ein Kreuzfahrtschiff kann ohne den Kapitän aus einem Hafen fahren, aber nicht ohne Arzt.“

Michael Waldher Frank Williams Bundeslandfenster Formel 1

Michael Waldher

Auf einem Kreuzfahrtschiff war Waldher als Medical Officer tätig

Mit Initiativbewerbung zur Formel 1

Nach der Zeit auf hoher See wollte Waldher eigentlich sesshaft werden. „Ich dachte, ich habe die Welt gesehen, und werde sesshaft. Nach drei Monaten zog es mich aber schon wieder weg. Dann habe ich mich als Diplomkrankenpfleger und Sanitäter beim Rennstall beworben – es war also eine Initiativbewerbung.“

Hintergrund war eine Annonce in einer englischen Zeitung, dass das Williams-Team einen männlichen Pfleger sucht. „Daran konnte ich mich fünf Jahre später erinnern und dachte, ich versuche es noch einmal. Und siehe da: Zwei Tage später bekam ich ein E-Mail zurück, dass sie ganz dringend jemanden suchen und ich solle so schnell wie möglich nach England fliegen, um mich vorzustellen."

In England wurde der Kärntner "zwei Stunden lang von der Human-Ressources-Managerin ‚gegrillt‘, sie hat mir alle möglichen Fragen gestellt. Ich musste 200 Fragen schriftlich beantworten, es wurde ein Persönlichkeitsprofil erstellt. Dann wurde mit den österreichischen Behörden wegen möglicher Vorstrafen Kontakt aufgenommen. Und dann hieß es: Sir Williams würde mich gerne kennenlernen, ich solle in sein Büro kommen.“

„Du bist meine Hände und meine Beine“

Und so ging es zum Einstellungsgespräch, „obwohl ich bis dahin noch nie ein Formel 1-Rennen fertig geschaut habe.“ Er könne sehr gut mit Österreichern, sagte Frank Williams dann im Gespräch, „von wegen Jochen Rindt und Niki Lauda, den er sehr gut kennt, in weiterer Folge natürlich auch Toto Wolf.“ Und dann bekam der Kärntner ein überraschendes Angebot als Assistent, weltweit sollte er Williams zu Grand Prixs, Sponsorenterminen und Meetings begleiten. „Frank sagte, ‚Du bist meine Hände und meine Beine.‘“ Eine Woche später bekam ich den Anruf: Welcome to the team“.

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Gemeinsam waren sie weltweit bei sämtlichen Grand Prixs. „Eine sehr intensive Zeit“, wie er ORF-Redakteurin Isabella Bergner erzählt. "Ich habe alles das getan, was er physisch nicht machen konnte.“ Als absolute Vertrauensperson musste Waldher auch seitenweise Verträge unterschreiben, die ihn zur Geheimhaltung vertraulicher Informationen verpflichteten. „Die Formel 1 ist ein Multi-Billion-Dollar-Business und da ist jede Information Gold wert“.

Menschlich sei Frank Williams ein großartiger Mensch, sagt Waldher: „Es gab in den sechs Jahren keine einzige Situation, in er Frank sagte, ‚mach, tu, geh...‘ Es war immer: ‚Michael, would you mind...’, ’Could you do me a favour please?‘ Immer hat er sich bedankt und das auch durchgezogen.“ Ansonsten darf der ehemalige Assistent wenig über Williams verraten: „Seine große Leidenschaften sind neben der Formel 1 auch Flieger, Geschichte und klassische Musik.“

Geheimsprache Deutsch

Die Kommunikation mit Frank Williams fand nicht nur auf Englisch statt. „Wir haben vor allem dann Deutsch gesprochen, wenn er wollte. Seine Deutschkenntnisse waren nicht perfekt, aber ich habe gewusst, was er meint. Vor einer Woche hat er mich angerufen und auf meine Mailbox gesprochen: ‚Wir wünschen Sie zu sehen hier‘ - ich wusste, was er meint.“

Sendungshinweis:

Kaffee und Kuchen, 30. April 2018

Nach sechs Jahren wollte Waldher zurück nach Kärnten, auch wenn es ein sehr gutes Angebot von Williams gegeben habe. „Aber es war für mich klar, ich will nach Kärnten zurück. Die Möglichkeiten, die man hier in seiner Freizeit hat, hat man fast nirgends. Je länger man weg ist, desto mehr fängt man das zu schätzen an.“ Und auch Familie und Freunde vermisste Waldher zunehmend, „ich wollte wieder mehr Zeit mit ihnen verbringen.“

Und außerdem sei es ein guter Zeitpunkt gewesen, zu gehen: „Frank ging es sehr gut. Aber ich wusste, wenn es ihm schlechter gehen sollte, dann kann ich nicht mehr von ihm weg, auch weil ich Teil seiner Familie war.“ In Kärnten ist Waldher ebenfalls im Pflegebereich tätig. „Glanz und Glamour vermisse ich gar nicht. Viel mehr das Reisen und Frank Williams als Person.“