Dem Mythos Volksabstimmung auf der Spur

Unter dem Namen „Performing Reality“ startet die Uni Klagenfurt ein kulturwissenschaftliches Projekt rund um das 100-Jahr-Jubiläum der Kärntner Volksabstimmung 2020. Geplant ist eine künstlerische und analytische Aufarbeitung der ideologisch oftmals aufgeladenen Geschichte.

Kaum ein Thema in der Kärntner Landesgeschichte wirkt derart nachhaltig, wie das Miteinander, viel zu oft aber auch Gegeneinander, der Volksgruppen. Ausgehend von der Besetzung Südkärntens durch südslawische Truppen und dem Kärntner Abwehrkampf mit anschließender Volksabstimmung entwickelten sich Mythen und eine Urangst im nationalen Lager. Auf slowenischer Seite wiederum ein Trauma durch die Ereignisse danach, die in der Aussiedlung von Kärntner Slowenen im Dritten Reich und der Verbringung in Vernichtslager ihren Höhepunkt fanden.

„Schützengräben-Mentalität“ soll weichen

Nach dem Krieg kam es zu Vergeltungsmaßnahmen, wie Verschleppungen und Tötungen von Südkärntnern durch Tito-Partisanen. In der Zweiten Republik setzten sich die Ressentiments gegen die zweispachige Bevölkerung fort, umgekehrt kam es vor allem in den 1970er Jahren zu Anschlägen auf Denkmäler und das Heimatmuseum in Völkermarkt. Die Landespolitik nutzte das Thema bis in die jüngste Vergangenheit ideologisch und war auch immer wieder Akteur, wie die jahrelange Weigerung zur Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln zeigte. Dies bestätigt auch Projektleiter und Kulturwissenschafter Klaus Schönberger von der Universität Klagenfurt.

„Die Gründe dafür sind vielfältig, das liegt natürlich an den beteiligten Akteuren, die zum Teil Interesse haben an dieser Art von Erinnerung und die diese Geschichte auch instrumentalisiert haben, wie das vor allem in der Haider-Ära passiert ist“, so Schönberger. Damals sei das nochmals neu aufgekocht und neu zusammengesetzt worden. „Aber auch im Kontext derer, die ausgegrenzt waren und jetzt versuchen ihre Wunden ein Stück weit öffentlich zu machen“, so Schönberger weiter. Das Ziel des Projektes sei es nun, einen neuen und befreienden Blick auf die „bisherige Schützengraben-Mentalität“ zu bieten.

Künstlerische Aufarbeitung der Geschichte

Großen Raum in der kulturwissenschaftlichen Aufarbeitung, welche vom Wissenschaftsfonds mit 400.000 Euro gefördert wird, nimmt der künstlerische Aspekt ein. Der Kärntner Theatermachter Bernd Liepold-Mosser geht von der Grundthese aus, dass Abwehrkampf und Volksabstimmung bis heute die Kärntner Kultur prägen. „Wir sehen uns ganz genau an, wie in Kärnten mit dem 10. Oktober umgegangen wurde und wird. Daraus entstehen Theaterproduktionen, Ausstellungen und Interventionen, die die Kärntner Befindlichkeit einerseits analysieren, andererseits aber auch verändern helfen sollen“, so Liepold-Mosser.

Klaus Schönberger von der Universität Klagenfurt sagt, den Projekt-Beteiligten sei klar, hier keine Lösung für das Volksgruppenproblem bieten zu können, aber „vielleicht hilft uns die Kunst, die ja manchmal etwas schwammiger und unpräzise ist, zu einer neuen Form von Assoziationen und Ideen zu finden, um diese Geschichte neu zu denken“.

Musterbeispiel direkter Demokratie

Eine Möglichkeit die Geschichte neu zu denken sei, die Phase von Abwehrkampf und Volksabstimmung als ein erstes Beispiel für eine direkte Demokratie zu Beginn der Ersten Republik zu sehen, quasi zu einer Zeit als die Demokratie in Österreich noch in den Kinderschuhen steckte, sagt Schönberger. „Das wäre eine ganz andere Art der Erinnerung als die Frage Slawen gegen Deutschnationale. Das wäre eine Möglichkeit, um die Geschichte neu zu denken“.

Das 100 Jahr Jubiläum der Volksabstimmung wird schon heuer Thema einer großen Ausstellung im Museum Moderner Kunst Kärnten sein. Ihr Titel: „Das andere Kärnten“. Weiters plant auch das Land Kärnten bereits seit längerem eine Ausstellung zum Jubiläum 2020. Klaus Schönberger findet den Ansatz gut, wenn auch nach vorne und nicht nur nach hinten geschaut würde.

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