Pressestunde: Kontroverse Wahldiskussion

Am 4. März wählt Kärnten einen neuen Landtag. Am Sonntag waren die Spitzenkandidaten zum Wahlkampffinale zu Gast in der ORF-Pressestunde. Kontrovers diskutiert wurden unter anderem mögliche Koalitionen nach der Wahl. Hier können Sie die Sendung on demand abrufen.

Eine Woche vor dem Wahltag trafen die Spitzenkandidaten der Landtags- und Parlamentsparteien, Peter Kaiser (SPÖ), Gernot Darmann (FPÖ), Christian Benger (ÖVP), Rolf Holub (Die Grünen), Gerhard Köfer (Team Kärnten) und Markus Unterdorfer-Morgenstern (NEOS), in der ORF-Pressestunde im Landesstudio Kärnten aufeinander und stellten sich den Fragen von Chefredakteur Bernhard Bieche und Politik-Redakteurin Martina Steiner.

Wahlkampffinale in der ORF-Pressestunde

Spannend wird es nach der Wahl am 4. März - erstmals ist nicht mehr jede größere Partei automatisch in der Landesregierung.

Erstmals ist nach dieser Landtagswahl nicht mehr jede größere Partei automatisch in der Landesregierung - selbst die stärkste Partei könnte, wenn sie keine Mehrheit oder keinen Koalitionspartner findet, am Ende in der Opposition sein. Im Wahlkampffinale verteidigten die Parteien am Sonntag ihre Positionen, die Vertreter der Koalitionsparteien strichen ihre Leistungen hervor, die Opposition konterte mit der Aufzählung von „Versäumnissen.“

Auf die Frage nach dem Wahlergebnis wagten bis auf Benger alle Spitzenkandidaten eine konkrete Prognose. Darmann sieht für die FPÖ „26 plus“ und Kaiser prophezeite der SPÖ 39,9 Prozent. Holub prognostizierte für die Grünen acht Prozent, Benger meinte nur „deutlich mehr“. Unterdorfer-Morgenstern nannte 6,9 Prozent für die NEOS, Köfer für sein Team Kärnten 7,9 Prozent.

Wer kann mit wem nach der Wahl?

In der ersten Fragerunde ging es um mögliche Koalitionen nach der Wahl. Festlegen wollte sich kein Kandidat, lediglich die Grünen schließen eine Koalition mit der FPÖ dezidiert aus. Eine Neuauflage der jetzigen Dreierkoalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen erscheint unwahrscheinlich.

Landtagswahl 2018 Pressestunde Spitzenkandidaten

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Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ)

„Unser Ziel ist ganz klar, wir möchten stärkste Partei werden“, sagte Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Nach der Wahl kann sich Kaiser Gespräche mit allen Parteien vorstellen. Kaiser sprach sich auch dafür aus, dass die stärkste Partei den Landeshauptmann stellt, „das entspricht am ehesten dem Wählerwillen, aber ich nehme auch jede andere demokratische Entscheidung zur Kenntnis“.

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ÖVP will „reformwillige“ Partner

Landesrat Benger sagte, die Dreierkoalition sei ein durchaus gangbarer Weg gewesen. „Künftig ist mir aber jeder Partner recht, der für Erneuerung nach dem Hypo-Heta-Debakel steht. Wir haben riesige Schulden, und die gilt es abzubauen, um Freiraum für Investitionen schaffen.“

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Landesrat Christian Benger (ÖVP)

FPÖ: Zusammenarbeit mit SPÖ und ÖVP vorstellbar

Landesrat Darmann sagte, eine Zusammenarbeit sei künftig mit SPÖ und ÖVP vorstellbar, das hänge aber vom Regierungsprogramm ab. Auf die Frage, ob die stimmenstärkste Partei nach der Wahl den Landeshauptmann stellen soll, meinte er: „Die Verfassung macht es möglich. Die neue Landesverfassung ermöglicht aber auch, dass eine andere Partei den Landeshauptmann stellt.“

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Landesrat Gernot Darmann (FPÖ)

Holub: „Die Grünen machen niemals blau“

Landesrat Holub auf die Frage, was passiert, wenn die Grünen die Fünfprozenthürde und damit den Einzug in das Landesparlament nicht mehr schaffen: „Ich stehe nur zur Verfügung, wenn wir in den Landtag kommen.“ Als künftigen Koalitionspartner schließt Holub nur die FPÖ aus: „Jeder weiß, die Grünen machen niemals blau.“ Inhaltliche Kooperationen seien mit der FPÖ vorstellbar, nicht aber eine Koalitionspartnerschaft.

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Landesrat Rolf Holub (Grüne)

Team Kärnten sieht sich als „moralisches Gewissen“

Landesrat Köfer meinte: "Wir können mit allen und wenn wir in der Opposition sind, erfüllen wir diese Rolle auch gern.“ Und weiter: „Ich habe die Befürchtung, dass es nach der Wahl nur mehr drei Parteien gibt, die das Land unter sich aufteilen und sich die Pfründe gegenseitig zuspielen.“ Das Team Kärnten wolle deswegen als „moralisches Gewissen des Landes“ fungieren.

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Landesrat Gerhard Köfer (Team Kärnten)

NEOS will „niemanden ausschließen“

NEOS-Spitzenkandidat Markus Unterdorfer-Morgenstern hofft auf den Sprung in den Landtag, sollte das gelingen, sei man für alle Gespräche offen, erste Adresse sei aber die Nummer eins. Zu möglichen Koalitionsverhandlungen meinte er: „In einer Demokratie muss man mit allen reden können, wir wollen niemanden ausschließen.“ Die stimmenstärkste Partei solle aber den Landeshauptmann stellen.

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NEOS-Spitzenkandidat Markus Unterdorfer-Morgenstern

Streit um Budget und Heta

Thema waren auch die Schulden des Landes und damit der Hypo-Skandal. In der Diskussion verbuchte die Dreierkoalition die Befreiung von den Hypo-Heta-Altlasten für sich. FPÖ-Landesrat Darmann kritisierte neuerlich, dass Kärnten beim Abbau der Heta-Schulden keine Besserungsklausel vereinbart habe, damit habe man Millionen verschenkt. Nun werde beim Hypo-Abbau mehr erlöst, aber Kärnten könne davon nicht profitieren.

Kaiser konterte, man habe 1,2 Milliarden Euro Schulden und Haftungen in der Höhe von 10,2 Milliarden weggebracht. Die Heta-Abwicklung sei auch kein Geschäft für die Republik, Österreich müsse noch 2,5 Milliarden an die Bayerische Landesbank zahlen und habe bereits fünf Milliarden bezahlt.

Grünen-Landesrat Holub meinte zu den Vorwürfen der FPÖ, der Großteil der Landesschulden sei nicht durch die Hypo bedingt: „Drei der vier Milliarden Schulden stammen nicht von der Hypo/Heta. Sie wurden zu einer Zeit produziert, als es noch keine Krise gab. Der Jörg (Haider, Anm.) hat dann halt jedes Jahr 300 oder 400 Millionen für irgendetwas ausgegeben.“

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Chefredakteur Bernhard Bieche und Politik-Redakteurin Martina Steiner

Dramatisch schilderte Landesrat Köfer den Schuldenstand des Landes: „Die Schulden sind so hoch, dass wir uns gewisse Dinge nicht mehr leisten können." Trotz Schuldenabarbeitung sei bereits ein Aufschwung gelungen, konterte Kaiser. Landesrat Benger forderte mehr Effizienz, vor allem in der Verwaltung, das spare Kosten.

Kaiser: Sicher kein Wechsel in Bundespolitik

Gegen Ende der Diskussion ließ Darmann noch aufhorchen, als er erklärte, die Spatzen würden von den Dächern pfeifen, dass Kaiser ab Mai die Bundes-SPÖ übernehmen werde und in Kärnten LHStv. Gaby Schaunig nachfolge. Kaiser wies diese Behauptung als „glatte Lüge“ zurück. Das sei ein bewusst gestreutes Gerücht, welches in der Endphase des Landtagswahlkampfes klar als „Fake News“ zu bezeichnen sei.

Unterschiedliche Rezepte für Kärntens Wirtschaft

Debattiert wurde auch noch über die Abwanderung, das Thema Arbeitslosigkeit und die Gesundheitsversorgung. Die Rezepte der Parteien für den Arbeitsmarkt und Kärntens Wirtschaft sind unterschiedlich. Kärnten brauche mehr qualitative Arbeitsplätze, sagte zum Beispiel Landeshauptmann Kaiser. Um die Abwanderung aus Kärnten zu stoppen, brauche es auch eine Imagekorrektur: „Derzeit werden wir als Tourismusland gesehen, mit 54 Prozent Wertschöpfung sind wir aber auch ein Industrieland.“

Jugend und Bildung sind die Schwerpunkte der ÖVP. Sie will mehr Investitionen in die Infrastruktur, sowohl in Straßen, als auch in den Datenverkehr. Benger: „Die Digitalisierung ist ein Schlüssel. Bist du nicht im Netz, bist du nicht am Markt, bist du morgen Geschichte.“ Auch durch den Ausbau des Ganzjahrestourismus sei es möglich, neue Jobs zu schaffen.

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Thematischer Schwerpunkt bei den Grünen bleibe die Umwelt, in Kärnten gebe es Potenzial für Tausende „Greenjobs“, sagte Landesrat Holub. Industrie brauche auch Kontrollauflagen: „Die ÖVP sagt, von Luft alleine kann man nicht leben. Aber ohne Luft kann man überhaupt nicht leben.“

Die Politik müsse unternehmerfreundlicher werden, plädierte FPÖ-Landesrat Darmann. Außerdem brauche es eine Förderung für ältere Langzeitarbeitslose.

Landesrat Köfer kritisierte, dass Kärnten den ländlichen Raum durch Schließung von Polizeidienststellen oder Kleinschulen geschwächt habe. Für große Projekte zur Ankurbelung der Wirtschaft fehle hingegen das Geld. Deswegen müsse Schluss sein mit „Schönrederei“ und damit, „Dinge zu versprechen, von denen man jetzt schon weiß, dass sie nie finanzierbar sein werden.“

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Großes Medieninteresse bei der ORF-Pressestunde

Aufgabe der Politik sei es, für die Wirtschaft nach dem Motto „Mehr privat, weniger Staat“ gute Rahmenbedingungen zu schaffen, sagte NEOS-Spitzenkandidat Unterdorfer-Morgenstern: „Beseitigen wir endlich die überbordende Bürokratie.“

Gesundheitskosten steigen weiter

Die Gesundheitspolitik wird die künftige Regierung stark beschäftigen, die Kosten in den Krankenanstalten steigen, es gibt einen Personalmangel bei Ärzten und Pflegekräften, dazu kommt, dass 2030 ein Drittel der Kärntner älter als 60 Jahre sein wird.

Deswegen brauche es mehr Augenmerk auf die Gesundheitsvorsorge, sagte Kaiser. Trotzdem soll es nach der SPÖ weiter auch im Alter eine volle Versorgung geben. Die ÖVP will 140 Millionen Euro pro Jahr in den Krankenanstalten einsparen. Mit mehr Effizienz ginge das auch ohne Entlassungen, so ÖVP-Obmann Benger.

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Die Grünen sind für den Erhalt aller Kärntner Krankenhäuser, aber es brauche mehr Spezialisierung, sagte Holub: „Alles überall anzubieten, das macht keinen Sinn.“ Zum Thema Ärztemangel meinte FPÖ-Obmann Darmann, Hausärzte müssten mehr verdienen: „Zehn Euro in der Bereitschaft sind zu wenig.“

Gerhard Köfer vom Team Kärnten kritisierte die „überbordende Verwaltung“ in den Krankenhäusern, „auf der anderen Seite werden Stationen heimlich geschlossen“. NEOS-Kandidat Unterdorfer-Morgenstern spricht sich für „regionale Gesundheits- und Sozialzentren“ aus, diese würden Effizienz und Patientennähe vereinen.

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Eine ausführliche Zusammenfassung der Diskussionsrunde gibt es ab 19.00 Uhr in „Kärnten heute“ mit einer zusätzlichen Analyse der Pressestunde der Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. Die „Radio Kärnten Streitkultur“ wiederholt die Pressestunde am Montag, dem 26. Februar, ab 20.04 Uhr.