NS-Propaganda: 20 Monate Haft

Ein 58 Jahre alter Kärntner ist am Mittwoch wegen des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt worden. Er hatte laut Staatsanwaltschaft auf Facebook Nazionalsozialistische Propaganda gepostet.

Der Angeklagte bekannte sich des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz schuldig, er habe die inkriminierten Texte ins Internet gestellt, aber er sei kein Nationalsozialist und habe die Ideologie nicht verherrlichen wollen, sagte er.

Laut Anklage war er Administrator der Facebook-Seite „Bleib deinem Volk treu“. Von Februar bis Juni 2016 habe er in einem Text unter dem Titel „Deutsches Volk erwache“ mit „Rechtschreib- und orthografischen Fehlern“ vor der „Unterwanderung der deutschen Rasse“ gewarnt und Menschen aufgefordert, neue Bündnisse zu schließen. Denn nur eine völlig neue Bewegung könne die Wende schaffen und das deutsche Volk erstarken lassen. Zu diesem Eintrag stellte er das Bild eines Soldaten in SS-typischer Uniform mit Hakenkreuz-Armbinde, der mit einem Besen kleine Menschen mit Davidstern wegkehrt.

„Zielgruppe auf Tastendruck ansprechbar“

Für Staatsanwalt Helmut Jamnig verstieß der Kärntner damit ganz klar gegen den Paragraphen 3d des Verbotsgesetzes, wofür die Mindeststrafe fünf Jahre beträgt. Laut Jamnig hatte der Mann andere Personen zu verbotenen Handlungen aufgefordert, neue Strukturen verlangt und zu diesem Zweck die Ziele der NSDAP, ihre Einrichtungen oder Maßnahmen verherrlichte. „Dazu eignen sich die neuen sozialen Netzwerke hervorragend, weil die Zielgruppe auf Tastendruck ansprechbar ist“, erklärte Jamnig.

Der Invaliditätspensionist weist elf Vorverurteilungen auf, allerdings keine einschlägigen, und verbrachte mehrere Jahre im Gefängnis. Er habe den Text im Internet gefunden und gar nicht richtig gelesen, sagte er in seiner Einvernahme durch die Vorsitzende des Geschworenensenats, Richterin Ute Lambauer. „Ich hab’ den Sinn wahrscheinlich gar nicht verstanden“, erklärte er. Auf dem Foto, das er aus dem Internet heruntergeladen habe, habe er die Armbinde nicht gesehen.

Dokumente mit einschlägigen Inhalten gefunden

Er sei keineswegs nationalsozialistisch erzogen, sein Großvater sei im Konzentrationslager umgekommen. Das Parteiprogramm der NSDAP habe er sich aus Interesse heruntergeladen, er habe auch Programme anderer Parteien zu Hause, meinte er. Der Polizist, der die Hausdurchsuchung durchführte, fand allerdings kein anderes Parteiprogramm bei ihm. Das erklärte er in seiner Zeugenaussage. Weiters wurden auf dem Laptop des Angeklagten verschiedene Ordner mit einschlägigen Inhalten gefunden. Darüber hinaus war er auch Administrator bei der Gruppe „Wir wollen kein Eurabien“ mit mehr als 1.000 Mitgliedern.

Die Flüchtlingsströme seien der Grund, warum er diese Inhalte gepostet habe, sagte der Angeklagte. Aber „das war nicht so gemeint. Vielleicht bin ich zu blöd dafür, das kann auch sein“. Es tue ihm leid, sagte er. Sein Wissen habe er unter anderem auch aus dem Buch „Die Weisen von Zion“. Dieses Buch gebe es ganz normal zu kaufen, meint er. „Sie wissen, dass dies ein antisemitisches Pamphlet ist?“, fragte Richter Oliver Kriz. Ja, davon habe er schon gehört, antwortete der Angeklagte. Er habe aber nicht gewusst, dass mit Zionisten Juden gemeint seien.

Verteidiger: Wollte nicht zu Revolution anzetteln

Anwalt Philipp Tschernitz sagte zur Verteidigung seines Mandanten, 2016 seien im Zuge der Flüchtlingsbewegungen und Bundespräsidenten-Wahlkampfs in sozialen Medien einige Dämme gebrochen. Es sei zu einer Verrohung der Sprache gekommen, Ängste seien geschürt worden. Das habe bei vielen Leute Unbehagen hervorgerufen. „Dass es falsch ist“, was sein Mandant gepostet habe, sei schon korrekt. „Aber er ist nicht der Nationalsozialist, der zu einer Revolution anzetteln wollte“, so Tschernitz. Die Verhandlung wurde mit den Plädoyers fortgesetzt.

Staatsanwalt Helmut Jamnig hatte in seinem Plädoyer die Verurteilung nach 3d gefordert. Seiner Meinung nach habe der Mann die Rassenreinheit gefährdet gesehen, weil die bestehenden Parteien versagten und folglich nur etwas Neues das Abendland retten könne. Für ihn war auch klar, dass der Angeklagte den Text nicht aus bloßer Dummheit wahllos ins Netz gestellt habe. Denn er habe selbst erklärt, politisch und geschichtlich interessiert zu sein.

Der Paragraf 3d ahnde ein Äußerungsdelikt. „Das heißt, ich brauche keinen Erfolg zu haben, ich muss nichts unternehmen. Das Auffordern genügt“, erklärte Jamnig. Der Angeklagte habe fixe Vorstellungen entwickelt, was seiner Meinung nach nicht entstehen dürfe. Das sei durchaus legitim, aber seine Lösung dafür sei: Alles weg, Neubeginn und neue Strukturen. Dabei habe er sich seinen Weg selbst gesucht und sei nicht im Gasthaus in betrunkenen Runden beeinflusst worden. Entsprechendes Material habe er auf seinem Laptop in verschiedenen Ordnern abgespeichert. Daher könne man ihm auch die entsprechende Grundeinstellung unterstellen.

Laienrichter orteten Verstoß

Der Verteidiger verwies auf die hohe Mindeststrafe von fünf Jahren im Zusammenhang mit dem Paragrafen 3d. Er räumte „problematische und unzulässige Vergleiche“ seines Mandanten ein, vermisste aber das konkrete Ziel und die Aufforderung. Darüber hinaus bereue der Angeklagte seine Taten und sei aus allen diesen Gruppen ausgetreten. Die Aussage, dass es zu viele Flüchtlinge gebe und die Parteien nichts dagegen unternehmen, sei im Wahlkampf auch von der Opposition gekommen, meinte Tschernitz.

Die Laienrichter folgten dem Staatsanwalt mehrheitlich nicht. Für eine Verurteilung nach 3d fanden sich unter den acht Geschworenen nur zwei Ja-Stimmen. Die Laienrichter entschieden sich schließlich einstimmig für ein „Ja“ bei der Eventualfrage nach einem Verstoß gegen den Paragrafen 3g. Das sei ein Auffang-Tatbestand, hatte Jamnig erklärt, er sei vom Gesetzgeber installiert worden, um mögliche Schlupflöcher zu stopfen und alle Delikte zu erfassen, die im Sinne der NS-Ideologie begangen werden. Der Angeklagte nahm das Urteil an, der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.

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