Neues Buch: Künstler am „Futtertrog“ der Nazis

Kärnten hat sich bisher nicht mit der Aufarbeitung der Kunst während der Nazi-Zeit beschäftigt. Historiker Michael Koschat zeigt nun in seinem Buch auf, wie Künstler während des Hitlerregimes am Kunstbetrieb teilnahmen. Manche standen „am Futtertrog ganz vorne“.

Während es in Bundesländern wie Salzburg und der Steiermark bereits eine Gesamtdarstellung der Kunst zur Zeit des Hitlerregimes gibt, wurde dieser Aspekt in Kärnten bis jetzt noch nicht umfassend aufgearbeitet. Der Titel des Buches von Michael Koschat, das im Hermagoras Verlag erschien, ist ein Zitat von Gauleiter Friedrich Rainer, der die Kärntner Kunst mit diesen Worten 1941 definierte.

Streiflichter auch auf Strukturen

Autor Koschat sagte, er sei kein Kunsthistoriker, habe sich des Themas aber aus einer bestimmten Perspektive zugewandt, nämlich der eines kunstinteressierten Zeithistorikers. Daher auch der Untertitel „Streiflichter“. Diese Streiflichter lege er auf Strukturen, Lebenslinien und Karrieremuster einzelner Künstler werden nachgezeichnet.

Der Fokus sei dabei nicht nur auf den bekanntesten Repräsentanten aus dem Kärntner Kunstschaffenden der 30er und 40er-Jahre, wie etwa auf Suitbert Lobisser, gerichtet, sondern vor allem auf Namen, die in der NS-Zeit gepriesen wurden, heute aber nicht mehr so geläufig sind, so Koschat: „Ich sag es einmal provokant, sie standen an den Futtertrögen ganz weit vorne und wurden nach dem Krieg als Repräsentanten der Kärntner Kunst wahrgenommen.“

Künstler im Schatten des Hakenkreuzes Michael Koschat

Hermagoras Verlag

„Urgesund“ und „kerndeutsch“

Viele waren gar keine Kärntner

Man stößt auf Namen wie Josef Prokop, Hans Kleinert, Otto Bestereimer und Kurt Weiss, dessen Sgrafitto (Kratztechnik, Anm.) an der Fassade des Schulgebäudes in St. Kanzian erst kürzlich durch Beschmierung Aufsehen erregte - mehr dazu in „Nazidreck“-Schriftzug auf Volksschulfassade. Laut Koschat seien die meisten keine gebürtigen Kärntner: „Ich würde fast von einer Kompensationsneurose sprechen, sie sind nach Kärnten gekommen und haben sich zu fanatischen Grenzlanddeutschen entwickelt, das spiegelt sich auch in der Kunst wider.“

Wichtig sei es ihm auch zu zeigen, wie eng in den 30er Jahren die Verknüpfung zwischen dem Kärntner Heimatbund und dem Kunstverein Kärnten gewesen sei, so Koschat. Der Heimatbund wollte eine Grenzlandkunst etablieren und habe dafür Künstler gebraucht: „Das war 1936 und 1937 beim Grenzlandopfer besonders sichtbar, als Kurt Weiss das erste große Fresko geschaffen hat, das dann am Neuen Platz, damals Dolfussplatz, präsentiert wurde.“ Ein Jahr später sei es Otto Bestereimer gewesen, der einen Soldatenkopf beigesteuert habe.

Gegen das Slawische und gegen Wien

Der Grenzlandmythos, hervorgegangen aus dem Kärntner Abwehrkampf unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, wurde jahrzehntelang heraufbeschworen, zuweilen auch agitatorisch missbraucht: „Es war eine Grenzlandkunst, die einerseits antislawisch unterfüttert war, aber auch antiurbane Ressentiments gegen Wien transportiert hat. So wie es auch Wolfgang Kos ausgedrückt hat, es ging Scholle gegen Asphalt und Gretelzopf gegen Bubikopf.“

Aus Freundschaft wurde oft Antipathie

Im Gegensatz zu den Nötscher Malern und Arnold Clementschitsch, die zeitgleich wirkten, ging von dieser Grenzlandkunst kaum ein internationaler Impuls aus, der die Moderne prägte. Es gab aber einzelne Künstlerfreundschaften, so Koschat: „Sie sind dann später oft in Antipathie umgeschlagen, wenn ich nur an das Verhältnis von Herbert Böckl und Werner Berg denke, oder mit Anton Kolig, wo sich Kolig wegen der Teilnahme an der Biennale 1950 hintergangen gefühlt hat.“ Dies wohl auch wegen der Vernichtung seiner Fresken im Landhaus.

„Hier wurde den Künstlern eine Bühne geboten, aber auch eine volkseigene Kunst eingefordert. Auch als Gegenpol zur angeblich entarteten Kunst.“ Künstler hätten damit auch dazu beigetragen, das Regime zu stützen, sagte Koschat.