Mehr Stressforschung auf dem Affenberg

160 „streitlustige“ Japanmakaken leben auf dem Affenberg nahe der Burg Landskron. Jetzt soll die Forschung zum Stressverhalten ausgebaut werden. Die Untersuchungen dienen dazu, Vergleiche zur Stressanfälligkeit beim Menschen zu ziehen.

Während im Sommer bis zu 120.000 Menschen den Tierpark besuchen, wird im Winter geforscht. „Die beinahe freie Haltung ist optimal für die Tiere, aber auch für unsere Forschung“, sagt die wissenschaftliche Leiterin Lena Pflüger, als sie durch den Eingang des Geheges geht. Die Affen bewegen sich auf einem vier Hektar großen Gebiet frei und sollen in ihrem natürlichen Verhalten nicht gestört werden.

Affen Affenberg 2017 Wissenschaft Forschung

Konstanze Meindl/Affenberg Landskron

Im Winter verstärkt sich die rötliche Gesichtsfarbe der Makaken

Seit 2015 kümmert sich Pflüger unter anderem um Studenten, die auf dem Affenberg forschen. Eine Führung mit einem Guide startet alle 20 Minuten. „Man kann die Affen hier vor Ort bei ihrem natürlichen Verhalten beobachten. Das ist im klassischen Zoobetrieb mit Tieren in Käfigen nicht möglich“, sagt Pflüger. Der Großteil der Japanmakaken ist am Affenberg geboren und weiß, wie der Betrieb abläuft. Die Besucher dürfen die Affen weder streicheln noch füttern. Außerdem solle man den Tieren nicht zu lange in die Augen schauen, sagt Pflüger. Das könnten sie als Kampfansage verstehen.

Affen Affenberg 2017 Wissenschaft Forschung

Konstanze Meindl/Affenberg Landskron

Die Mütter lassen ihre Jungen selten aus den Augen

Makaken weltweit verbreitet

Die Wege, auf denen man nur ein Drittel des Geheges begehen kann, sind mit dicken, hellbraunen Seilen abgegrenzt. Gerade turnt die vier Wochen alte Clara darauf herum. Sie ist das jüngste von neun Makakenjungen, die in diesem Jahr geboren wurden. Ihre Mutter ist immer in der Nähe. Makaken gibt es überall auf der Welt. 23 verschiedene Arten lassen sich größtenteils in Asien finden. Claras Mutter ist jetzt so zutraulich, weil Lena Pflüger eine Futtertasche um die Hüfte trägt. Ungeduldig klopft das Affenweibchen mit der flachen Hand immer wieder auf Pflügers Oberschenkel, bis sie ein Stück Gurke aus der Tasche bekommt. „Die Studenten gehen hier natürlich ohne Futter rein und werden von den Affen ignoriert“, erklärt Pflüger.

Affen Affenberg 2017 Wissenschaft Forschung

Konstanze Meindl/Affenberg Landskron

Japanmakaken können bei ihrem natürlichen Verhalten beobachtet werden

Forschungsausbau mit internationalem Campus

Weil immer mehr Studenten aus aller Welt am Affenberg forschen wollen, soll die Forschung jetzt weiter ausgebaut werden. Der Affenberg sei europaweit einzigartig, man könne im Freiland agieren und trotzdem betreut werden. „Die Studenten können so ihre ersten Gehversuche in der Verhaltensbiologie machen, bevor sie dann wirklich nach Thailand, Afrika oder eben nach Japan gehen“, sagt Pflüger. Um den Anfragen gerecht zu werden, braucht der Affenberg vor allem langfristige Unterkunftsmöglichkeiten für die Studenten. Ein Campus soll am Fuße des Affenbergs entstehen.

Die Stadt Villach soll dabei die Rolle des Investors übernehmen. Bisher wurde Interesse am Projekt gezeigt. „Jetzt warten wir darauf, dass uns die Stadt die nächsten Infos gibt“, sagt Pflüger. Letztes Jahr, als das österreichische Forschungszentrum für Primatologie am Affenberg gegründet wurde, steuerte die Stadt Villach 2.500 Euro zur Veranstaltung einer Pressekonferenz bei.

Affen Affenberg 2017 Wissenschaft Forschung

Konstanze Meindl/Affenberg Landskron

Studenten filtern die DNA aus Kotproben der Affen

Sonst finanziert sich der Affenberg bis heute selbst. Er ist ein reines Privatunternehmen und lebt etwa von Eintrittsgeldern und Patenschaften. „Deswegen stößt man jetzt in der Forschung auf seine Grenzen. Wir können nicht alles alleine tragen“, sagt Pflüger. Der nächste Schritt sei, mehr Kooperationen zu schließen.

Dem Stress auf der Spur

Lautes Gekreische ertönt. Ein Affe jagt einem anderen mit gefletschten Zähnen hinterher. Japanmakaken sind sehr streitlustig. Das liege an der strikten Ranghierarchie, die eingehalten werden müsse, so Pflüger. Das Stressverhalten der Affen steht schon seit einiger Zeit im Mittelpunkt der Forschung. Beobachtet wird etwa, ob sie sich in Streitereien einmischen oder sich zurückziehen.

Affen Affenberg 2017 Wissenschaft Forschung

Konstanze Meindl/Affenberg Landskron

Mit den Universitäten Graz und Wien sowie der Kyoto-Universität in Japan existiert bereits eine Zusammenarbeit

Das Verhalten wird dann mit den Genen der Affen verglichen. Die Untersuchung erfolgt nicht-invasiv. Das bedeutet, dass von jedem einzelnen Affen Kotproben gesammelt, eingefroren und aufgereinigt werden, um die DNA herauszuholen. Blutproben zu nehmen ist verboten. Die Tiere werden weder eingefangen noch weggesperrt oder betäubt.

Vergleiche zwischen Mensch und Tier

Bei Menschen wurde bereits untersucht, wie Stress entsteht und herausgefunden, dass manche Menschen stressanfälliger sind als andere. „Es ist wichtig, dass man vergleichende Wissenschaft betreibt. Wie viel haben Affe und Mensch gemeinsam, und was sind die evolutionären Wurzeln?“, sagt Pflüger.

Affen Affenberg 2017 Wissenschaft Forschung

Konstanze Meindl/Affenberg Landskron

Lena Pflüger unterstützt Studenten bei der Forschung

Man sucht nach dem Grund dafür, dass Menschen besser oder schlechter mit Stress umgehen können. Bei Affen, den nächsten Verwandten des Menschen, lässt sich das Verhalten einfacher beobachten. „Alle Menschen sind verschieden aufgewachsen und leben in einem anderen Umfeld. Die Affen leben hier alle gleich“, sagt Pflüger. Anhand der Affen kann herausgefunden werden, ob es einen Vor- und Nachteil hat, dass es Menschen und Tiere gibt, die mehr oder weniger stressresistent sind.

Affen Affenberg 2017 Wissenschaft Forschung

Konstanze Meindl/Affenberg Landskron

Zur Abkühlung wurde ein Teich im Gehege angelegt

Alphatiere können mit Stress umgehen

Nicht jeder Affe ist möglicherweise für jede Aufgabe geeignet, vermutet Pflüger. Deswegen gebe es wahrscheinlich Alphatiere. Sie hätten als „Streitschlichter“ besonders in der Paarungszeit viel Stress. Es wurde aber kein erhöhter Stresslevel festgestellt. „Sie können mit Stress umgehen, weil sie vermutlich die genetischen Voraussetzungen mitbringen“, sagt Pflüger. So könne jeder seine soziale Nische finden. „Wenn jeder so dominant wäre, dann würde Krieg herrschen“, meint die wissenschaftliche Leiterin. Der nächste Schritt ist, zu beobachten, wo sich welche Tiere in der Rangordnung befinden. Vermutet wird, dass Tiere, die besser mit Stresssituationen umgehen können, weiter oben sind. Das könnte bedeuten, dass Affen und Menschen, die gut mit Stress umgehen können, eher in der Chefetage zu finden sind.

Affen Affenberg 2017 Wissenschaft Forschung

Konstanze Meindl/Affenberg Landskron

Von April bis November ist der Affenberg für Besucher geöffnet

Affenkindergarten als kultureller Unterschied?

In Zukunft sollen auch kulturelle Unterschiede zwischen den „Kärntner Affen" und den Japanmakaken festgestellt werden. Pflüger hat zum Beispiel erlebt, dass es eine Art Kindergarten unter den Affen gibt. Die Jungen werden auf einen niedrigen Baumstamm gesetzt, und ein Affenweibchen passt auf, solange die anderen Mütter nach Futter suchen. „Es wäre interessant zu sehen, ob sie das im Freiland auch machen oder ob sie das hier entwickelt haben, weil sie wissen, dass es hier seit Jahren keine Feinde gibt.“

Affen Affenberg 2017 Wissenschaft Forschung

Konstanze Meindl/Affenberg Landskron

Neun Junge sind heuer auf die Welt gekommen, die Paarungszeit ist im Winter

Clara knabbert mit ihren Milchzähnen an den Schuhbändern der wissenschaftlichen Leiterin. Gerade versucht sie, Pflügers Fuß hinaufzuklettern, als es ihrer Mutter zu viel wird. Clara wird von ihr gepackt und auf den Rücken des größeren Affenweibchens bugsiert. Die Mutter stolziert mit ihrem Jungen davon und in den Wald hinein. Dreieinhalb Jahre dauert es, bis Clara ausgewachsen sein wird. Die Männchen der Japanmakaken sind erst mit sieben Jahren ausgewachsen.

Affen Affenberg 2017 Wissenschaft Forschung

Konstanze Meindl/Affenberg Landskron

Seit dem Jahr 2000 wird geforscht

Von Japan nach Kärnten

1996 gründete Peter Gaubatz den Affenberg. Es habe einige Jahre Vorlaufzeit gebraucht, die Japanmakaken von Mino, einer japanischen Stadt, nach Kärnten zu bringen. In freier Wildbahn finden die Affen wegen zunehmender Bebauung kein Futter mehr und werden in ihrem Lebensraum eingeengt. Seit ein paar Jahren werden die wild lebenden Affen von den Japanern gefüttert, um sie an einer Stelle zu halten. „Sonst würden sie zum Problem werden“, sagt Svenja Gaubatz, die Geschäftsführerin des Affenbergs. Erst vor zwei Jahren habe man erfahren, dass die Makaken vom Affenberg auch betroffen waren und wahrscheinlich nicht überlebt hätten.

Affen Affenberg 2017 Wissenschaft Forschung

Konstanze Meindl/Affenberg Landskron

Auch freiwillige Experimente und Automaten sind im Gehege aufgestellt

Als die 39 Tiere in Kärnten ankamen, brachen sie kurz darauf aus. Ein Affe hatte einen Draht ausgehängt, damit einen Kurzschluss fabriziert und alle Affen gelangten ins Freie. Erst nach sechs Wochen konnten die Affen eingefangen werden. Japanmakaken wurden deshalb ausgewählt, weil sie menschenfreundlich und vor allem winterresistent sind. Die Klimazonen Österreichs und Japans sind beinahe ident.

Affen Affenberg 2017 Wissenschaft Forschung

Konstanze Meindl/Affenberg Landskron

Ein Guide erklärt alles Wissenswerte über die Japanmakaken

„Unser Ziel ist, aufzuzeigen, dass man Tiere auch so halten kann und nicht nur in Käfigen. Wir glauben, dass solche Tierparks die Zukunft sind“, sagt Svenja Gaubatz, die 1997 zum Affenberg kam. Viele Besucher sind enttäuscht, dass man die Affen nicht streicheln kann, sagt Gaubatz. Aber es seien Wildtiere, „die wollen nicht gestreichelt werden, und die werden auch nicht durch brennende Reifen springen“.

Anna Stockhammer, kaernten.ORF.at

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