Sklavenjäger unter den Ameisen

Ameisen sind für unser Ökosystem unverzichtbar. Über 90 Arten wurden bisher allein in Kärnten nachgewiesen. Die besonders seltene Amazonenameise, die in Kärnten vorkommt, raubt fremde Brut und versklavt sie.

Unter Insektenforschern hält sich ein Gerücht: Alle Ameisen auf der Erde wiegen zusammen etwa so viel wie alle Menschen. Eine beeindruckende Vorstellung. Ob sie stimmt, lässt sich nicht überprüfen: Was man aber weiß ist, dass Ameisen wichtig für die Umwelt sind.

Ameisen Amazonenameisen Ameisenprofessor

Roman Borovsky

Ameisen tragen ihren Teil zum Ökosystem bei

Volker Borovsky ist pensionierter Mittelschulprofessor und beschäftigt sich schon seit Jahrzehnten mit den Ameisen in Kärnten. „Mich fasziniert wie das ganze System funktioniert, wer welche Aufgaben übernimmt, wer das Kommando hat oder ob nur nach dem Instinkt gehandelt wird und wie sich die Ameisenarten untereinander verhalten. Das ist spannend“, sagt Borovsky.

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ORF

Bis zu 200.000 Waldameisen leben in einem Hügel

Mit seiner Arbeit trug er dazu bei, dass bereits 93 Ameisenarten in Kärnten nachgewiesen werden konnten. Weltweit gibt es etwa 9.600 Arten von Ameisen. Geschätzt wird die Anzahl aber eher auf 15.000. Auch in Kärnten vermutet man bisher unentdeckte Arten. Wiesen- und Waldameisen sind die bekanntesten und wegen ihrer großen Nester leicht zu finden.

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Borovsky erforscht Ameisen schon seit Jahren

Außergewöhnliche „Amazone“

Die seltene Amazonenameise (Polyergus rufescens) entdeckt hingegen nur der Experte. Sie kommt in Süd- und Mitteleuropa vor und ist streng geschützt. Ihren Namen hat diese außergewöhnliche Ameise – die als „Sozialparasit“ gilt – von den Amazonen aus der griechischen Mythologie. Das Außergewöhnliche: An heißen Sommertagen führen die Amazonenameisen fast täglich Raubzüge durch. Sie dringen in fremde Nester ein, rauben dort die Puppen und bringen sie in ihr eigenes Nest.

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Roman Borovsky

Die rotbraune Farbe der Amazonenameisen ist charakteristisch

Die Überfälle gleichen regelrechten Kriegszügen. Zuerst werden Späher ausgesandt, die erkunden, welches Nest überfallen werden soll. Wenn sie zurückkehren machen sich die „Amazonen“ auf den Weg und greifen das Nest an. Dabei betäuben und verwirren sie ihre Feinde mit einem chemischen Botenstoff und machen sie so teilweise kampfunfähig. Die Raubzüge würden ohne weiteres über eine Stunde dauern und die Insekten würden dabei bis zu 90 Meter zurücklegen, sagt Borovsky. „Die Ameisen müssen ja anmarschieren, dann müssen sie das Nest überfallen, die Brut holen und wieder zurücklaufen“, so der Ameisenexperte.

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Roman Borovsky

Die Arbeiterinnen werden bis zu sieben Millimeter groß

Sklaven versorgen die Kriegerinnen

Die geraubten Ameisen werden, sobald sie geschlüpft sind, als Sklaven gehalten. Sie versorgen die Amazonenameisen mit Nahrung und kümmern sich um die Brutpflege. Ohne ihre Sklaven könnten die Amazonenameisen gar nicht überleben. Die Arbeiterameisen der „Amazonen“ sind im wahrsten Sinne des Wortes Kriegerinnen, die nur kämpfen, die Brut aus fremden Nestern rauben und im Notfall Gegner töten können. Selbst mit Nahrung versorgen könnten sie sich nicht.

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Roman Borovsky

Eine „Amazone“ raubt eine fremde Puppe

Während zunehmende Verbauung den Lebensraum der Ameisen zerstört, kommt ihnen die Klimaerwärmung eher entgegen. Amazonenameisen zum Beispiel lieben Wärme und Sonne. Der diesjährige Sommer eignet sich optimal für die Raubzüge der „Amazonen“. Ein Nest für Amazonenameisen hat Borovsky bereits in freier Natur neu angesiedelt.

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Roman Borovsky

Im Notfall töten Amazonenameisen ihre „Gegner“ mithilfe ihres ausgeprägten Mundwerks

Kleinste Ameise Kärntens „entzückend“

Noch seltenere Arten als die Amazonenameise leben in Burovskys Terrarien. Er hält sowohl exotische als auch heimische Arten - wie etwa die kleinste in Kärnten lebende Ameise. Einen bis eineinhalb Millimeter groß ist das Insekt, das eigentlich eher im Mittelmeerraum vorkommt. Die Ameisenart nennt sich „Plagiolepis pigmaea“. „Die sind entzückend. Sie sind sehr dankbar wenn man sie füttert. Man kann sie gut beobachten, man braucht allerding oft schon eine Brille“, sagt Borovsky.

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Volker Borovsky bei der Arbeit

Unverzichtbar und teils unerforscht

Alle Ameisenarten sind geschützt und spielen eine große Rolle im Ökosystem. Sie fressen nicht nur Waldschädlinge sondern dienen auch anderen Tieren als Futter. Wie Ameisen leben, sich organisieren und wie sich einzelne Arten unterscheiden, darüber weiß die Wissenschaft noch viel zuwenig. Immer wieder ergeben sich neue Erkenntnisse.

„Mithilfe eines Sammlers in Villach konnten wir tatsächlich zwei neue Arten festlegen und ich selbst konnte auch eine neue Art für Kärnten feststellen. Ich habe sie nur durch Zufall bei mir im Steingarten entdeckt und die gab es bisher in Kärnten noch nicht“, so Borovsky. Der „Ameisenprofessor“ führt für den naturwissenschaftlichen Verein Kärnten immer wieder Exkursionen durch und hat gemeinsam mit Herbert Christian Wagner ein Buch über Kärntens Ameisen verfasst. Er träumt davon, eine ganz neue Art zu entdecken.

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