Integration im eigenen Haus

Lisa Engel aus Althofen hat vor zwei Jahren ihr Leben umgekrempelt. Die Fotografin und Künstlerin gründete mit ihrem Mann die Integrationsplattform „Der.Raum“ in ihrem Haus, wo Einheimische und Flüchtlinge gemeinsam arbeiten.

Lisa Engel war als Fotografin und auch lange als Journalistin tätig und setzt sich für den Dialog zwischen Menschen ein. Sie ist 51 und es sei Zeit geworden, sich zu überlegen, wie sie ihr Leben weiterhin verbringen wolle. Sie habe sich eine berufliche Pause verordnet: „Seit zwei Jahren versuche ich draufzukommen, was ich gerne machen möchte. Ich fotografiere immer noch, aber in eine andere Richtung. Ich habe begonnen, zu malen und singe immer noch. Das Nähen ist wiedergekommen, für die keine Zeit mehr war, auch in der Holzwerkstatt arbeite ich mit meinem Mann.“

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Gasthaus steht Menschen wieder offen

Sie habe immer wieder Menschen eingeladen, bei all ihren Tätigkeiten mitzumachen. Als die Flüchtlinge aus den arabischen Ländern gekommen seien, habe sie auch diese eingeladen. So seien Begegnungsräume entstanden, sagte Engel. Das 250 Jahre alte Haus, in dem sie seit sechs Jahren mit ihrem Mann Alexander in Stobersdorf lebt, trage den Vulgonamen „Leitgeb“, es sei ein Gasthaus gewesen und liegt an der Straße, die das Bergwerk mit Althofen verband. Man habe die unteren Räume für Werkstätten geöffnet und so sei das alte Gasthaus auch heute wieder ein offenes Haus.

Alles fing mit Neugier an

In Althofen gab es vor zwei Jahren eine Unterschriftenaktion gegen das geplante Flüchtlingsquartier in Krumfelden: „Ich wollte mich da nur informieren, und mein Mann hat mich weggezogen und gesagt, das ist umsonst. Wir haben gestritten, ich wollte dorthin und schauen, wer die Leute sind.“ Es stellte sich heraus, dass der Lagerleiter auch überfordert gewesen sei, denn er habe falsche Informationen bekommen, welche Flüchtlinge wann kommen, so Engel. Er rechnete mit Männern und dann standen Frauen mit Kindern da und er hatte nichts für sie. Man habe wochenlang intensiv zusammengearbeitet, bis alles im Laufen war.

„Dann haben wir uns wieder zurückgezogen. Zufällig sind wir dann in Pöckstein vorbeigefahren, wo ein Gemeindehaus leer war. Und dort waren wieder viele Flüchtlinge. Durch Neugier und Interesse sind wir zu ihnen gegangen und sie haben um Deutschkurse geradezu gebettelt.“ Das sei kein Massenlager gewesen, nur 35 Menschen und dort habe man dann Deutsch unterrichtet.

„Angst war für mich der Motor“

„Wenn ich ehrlich bin, habe ich Angst gehabt. Das war für mich der Motor. Ich hatte auch diese Bilder im Kopf vom IS. Die erste Frau, die mir im Lager begegnet ist, war eine junge Mutter ohne Schuhe. Da war mir klar, das könnte mir auch passieren. Die wussten gar nicht, wo sie von Traiskirchen auch hinkamen. Da hat die Angst völlig aufgehört.“ In der Zeit der Betreuung habe sich auch immer wieder Ängste gehabt, aber sie habe die Menschen einfach gefragt, wie sie etwas machen würden und sie habe Antworten bekommen. Das habe nicht alle Ängste ausräumen können, aber man sei im Dialog.

Menschen sind nicht alle Opfer

Durch die rosarote Brille habe sie zuerst nur Opfer gesehen und sie so behandelt, doch sie sei draufgekommen, sie seien Menschen wie du und ich. Sie seien aus einer schwierigen Situation geflüchtet, und werden dauernd in einer Opferrolle gehalten. Das bringe keinem etwas. „Ich habe auch damit zu tun, dass sehr patriarchale Strukturen herrschen und dass ich mich als Frau gut aufstellen muss, um gehört zu werden, dass man mir zuhört. Anfangs hat es Situationen gegeben, wo ich gesehen habe, die Männer nehmen von mir nichts an. Sie geben mir nicht die Hand, sie schauen mir nicht in die Augen. Doch das hat sich verändert.“

Mit den Frauen auf Augenhöhe

Integration könne nur von beiden Seiten ausgehen, beide Seiten müssen wollen, so Engel. Ihr Verhalten gegenüber Männern, die ihr Verhalten nicht ändern, sei klar: Wenn es beim dritten Mal immer noch keine Veränderung gebe, gehe dieser Mensch ihren Weg nicht mehr mit. Sie wende sich viel lieber an die Frauen, denn die hören und brauchen nur Zeit, alles kennenzulernen.

Wie sehr sich die Frauen gegenüber ihren Männern behaupten können, wisse sie nicht. So tiefen Einblick habe sie nicht in die Familien. Aber sie spreche mit ihnen auf Augenhöhe. Sie erzählen viele Dinge, nicht alles sei schön, aber sie sehe Veränderung in diesen Frauen: „Bei manchen rutscht das Kopftuch ganz, bei manchen wird es noch fester geknotet. Viele gehen gerne mit in die Stadt, andere nicht. Wenn mein Mann ins Zimmer kommt, ist nicht mehr das große Erschrecken, sie werden lockerer.“ Die Frauen müssen sich an alles in ihrem Tempo gewöhnen.

Über ihre Erfahrungen schreibt Lisa Engel einen Blog - mehr dazu in Der.Raum.

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