Politologe: Neuwahlen nicht ausgeschlossen

Der Schwenk der ÖVP in der Verfassungsreform könnte weit reichende Folgen haben. Der Politologe Peter Filzmaier hält vorgezogene Neuwahlen für nicht ausgeschlossen. Die Standpunkte in der Frage der slowenischen Volksgruppe sind festgefahren.

Die ÖVP stößt sich nun im Entwurf zur Verfassungsreform an dem Satz, der die slowenische Volksgruppe mit einschließt. Dabei war dieser Satz von der ÖVP nach langen Verhandlung selbst vorgeschlagen worden - mehr dazu in Verfassung: ÖVP gegen Slowenenpassus. Darauf folgen Proteste der Volksgruppenvertreter, die die Gemeinsamkeit beschwören - mehr dazu in Volksgruppenreaktionen auf ÖVP-Kehrtwende.

Das Proporzsystem

Kernstück der Verfassungsreform ist die Abschaffung des Proporzes, eine echte Opposition solle damit möglich werden. Proporz regelt das Verhältnis der Angehörigen einer Partei und die Zahl ihrer Vertreter in Regierung oder Ämtern. Sie bewährte sich in der Nachkriegszeit, um den Zusammenhalt zu stärken.

Die Standpunkte in der Koalition von SPÖ, ÖVP und Grünen sind in dieser Frage zur Zeit derart festgefahren, dass ein Ausweg vorerst nicht in Sicht ist. SPÖ und Grüne betonten in einer Reaktion, an der bereits vereinbarten Erwähnung der slowenischen Volksgruppe in der Verfassung nicht rütteln zu wollen.

„Der Zeitpunkt verblüfft“

Filzmaier sagte, man werde nie erfahren, was wirklich besprochen worden sei, aber die Argumentation der ÖVP, dieser eine Satz würde einen Keil ins Land treiben, habe zwei Schwachstellen: „Es verblüfft der Zeitpunkt, denn die letzten Monate und Jahre waren nicht geprägt von Konflikten zwischen den Sprachgruppen. Und wenn es so wäre, dass der eine Satz einen Keil in die Bevölkerung treibt, dann geschieht das durch die Weglassung des Satzes mindestens ebenso wie durch die Weglassung.“

„Sorge wegen Abschaffung des Proporzes“

Auf die Frage, was die ÖVP zu dem Schwenk bewogen haben könnte, sagte Filzmaier, der Verdacht stehe im Raum, dass die ÖVP Sorge vor der Abschaffung des Proporzes habe. Denn nur wenn weiterhin jede Partei mit einem bestimmten Stimmenanteil automatisch einen Regierungssitz bekomme, habe man weiterhin garantierte Macht. Das wäre aber auch eine mangelnde Risikobereitschaft der ÖVP. Man könne ja auch sagen, weg mit dem Proporz und man setze auf freie Koalitionsbildung. Benger hatte am Donnerstag aber betont, er sei für die Abschaffung des Proporzes.

Wenn die ÖVP auf ihrem Standpunkt bleibe, sei die Zusammenarbeit gefährdet, so Filzmaier. Die Verfassung sei als Gesamttext zu verstehen. Wenn man einzelne Punkte abstimme, bleibe nur ein Rumpftext übrig. Dann wären auch Neuwahlen denkbar. „Es ist ein Muskelspiel mit offenem Ende“. Der Streit über einen Satz könnte kaum ein Neuwahlgrund sein, aber ein Streit um die Abschaffung des Proporzes sehr wohl, sagte Filzmaier. Denn die Abschaffung sei das Kernstück der Verfassungsreform, auch in der öffentlichen Wahrnehmung.

Nachgeben für beide Seiten schwierig

Die Reform ist derzeit in Begutachtung und soll Mitte Februar in den Landtagsausschuss kommen. Filzmaier sagte, man sei - positiv gesehen - derzeit noch in einer normalen politischen Diskussionsphase. Begutachtung heiße auch, dass man Dinge diskutieren könne. Sollte dies aber zu keinem Ergebnis führen, dann gehe nichts weiter. Denn spätestens im März 2018 gebe es reguläre Wahlen. Filzmaier meinte, ein Nachgeben werde für beide Seiten ohne Gesichtsverlust schwierig.

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