Verfassung: ÖVP gegen Slowenenpassus

Innerhalb der Dreierkoalition von SPÖ, ÖVP und Grünen ist ein Streit über die geplante Verfassungsreform ausgebrochen. Die ÖVP verlässt die vereinbarte Linie und will den selbst vorgeschlagenen Passus über die Volksgruppe wieder streichen.

Die neue Kärntner Landesverfassung mit einer Abschaffung der Proporzregierung droht einmal mehr an der Erwähnung der slowenischen Volksgruppe zu scheitern. Das Begutachtungsverfahren geht bis 14. Februar. ÖVP-Obmann Christian Benger bestätigte gegenüber dem ORF, dass er zu seinem eigenen Kompromissvorschlag nicht mehr stehe.

Es spießt sich an einem Satz

„Die Fürsorge des Landes und der Gemeinden gilt den deutsch- und slowenischsprachigen Landsleuten gleichermaßen“, lautet der Satz, an dem es sich spießt. Dabei schlug die ÖVP diesen Passus im September 2015 selbst so vor. Am Mittwoch sagte Benger: „Die Intention war eine Gleichstellung. Und diese Intention kommt bei den Menschen nicht an.“ Wo immer er im Land auch sei, verstünden es die Menschen nicht, so Benger. Es könne nicht sein, dass ein Satz das Land spalte. Man habe in der Koalition einen Vorschlag zur Verfassung gemacht, das sei ein Ansatz. Wenn die Menschen diesen Ansatz nicht verstehen, müsse sich die Politik ändern, nicht die Menschen, so Benger.

Benger im Wortlaut

SPÖ und Grüne wollen nicht nachgeben

Die Koalitionspartner SPÖ und Grüne wollen ersten Reaktionen zufolge keineswegs nachgeben. Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) meinte, „Wahlfieber“ habe die ÖVP übermannt. Es werde zwar Gespräche geben, wie sie ohnehin laufend stattfänden, aber der „Handschlag“ Bengers müsse gelten. Kaiser sagte, er kenne keinen einzigen Grund, warum man gegen diesen Satz, der dem Artikel acht der Bundesverfassung nachempfunden sei, sein könne. Außerdem sei es ein Vorschlag der ÖVP gewesen.

„Die Verfassung ist ein Gesamtwerk, wo man nicht nach Befindlichkeit einzelne Passagen herausnehmen kann.“ Man habe Bengers eigenen Vorschlag übernommen, nun solle seine Partei dazu stehen. „Wir haben keine Lösung für ÖVP-Probleme.“

Kaiser im Wortlaut

„Das ist doch sein Text“

Auch Rolf Holub, Landesrat der Grünen, geht davon aus, dass der ÖVP-Handschlag hält. Zalka Kuchling, grüne Abgeordnete und Kärntner Slowenin, zeigte sich gegenüber der APA „verwundert“ über Bengers Schwenk. „Das ist ja sein Text.“ Man spüre, dass Benger der Rückhalt in der eigenen Partei fehle. Ihre Fraktion werde jedenfalls weder einer Änderung der Passage noch einer getrennten Abstimmung zustimmen.

Nach langen Verhandlungen hatte die ÖVP im September 2015 eingelenkt. Gespießt hatte es sich am Wort „autochthon“, das die ÖVP lieber als „slowenisch“ im Text haben wollte - mehr dazu in -Verfassungsreform: ÖVP lenkt ein (kaernten.ORF.at; 29.9.2017). Das BZÖ begrüßte den ÖVP-Schwenk in einer Reaktion am Mittwoch. Man werde Benger beim Wort nehmen und wachsam bleiben, ob den Worten auch Taten folgen, so Landtagsabgeordneter Willi Korak.

Der ganze Beitrag on Demand

ÖVP-Klubobmann: Wollen keine Extrawürste

„Wir wollen keine Extrawürste, wir wollen Gleichstellung“, begründete der ÖVP-Klubobmann im Landtag, Ferdinand Hueter, gegenüber dem ORF Kärnten den Schwenk seiner Partei. Das Thema sei im ÖVP-Klub vorab öfter diskutiert worden, „zu einer einhelligen Meinung kamen wir nicht“. Der Vorstoß von Benger sei jedenfalls für die Partei nicht überraschend gekommen.

Die Reform sei damit nicht gescheitert. Nun beginne die Begutachtung, Rückmeldungen aus der Bevölkerung werde die ÖVP „sehr ernst“ nehmen. Schon bisher habe es aus der Bevölkerung viele negative Rückmeldungen gegeben: „Die wollen das nicht.“ Auf die Frage, ob die Verfassungsreform die Koalition mit SPÖ und Grünen spalten könnte, meinte Hueter: „Nein, überhaupt nicht. Keine Überbewertung, die Drau rinnt weiter abwärts.“

Schweigen in der ÖVP

Dennoch gibt es in der ÖVP keine durchgängige Linie zum Thema. „Ich habe im Vorfeld nichts davon gewusst“, sagte etwa Landwirtschaftskammer-Präsident Johann Mößler, „ich habe es selbst aus den Medien erfahren.“ Ein Interview lehnte er genauso ab wie Klubobmann Markus Malle und der Moosburger Bürgermeister Herbert Gaggl. Gaggl hatte sich übrigens als Einziger in der Partei offen gegen die Verankerung des Slowenischen in der Verfassung ausgesprochen.

Grund für Bengers Vorstoß seien die möglichen personellen Konsequenzen des Slowenenpassus, sagte der neue Klagenfurter ÖVP-Stadtrat Markus Geiger. Es habe Warnungen gegeben, dass man in den betroffenen Gebieten dann viele Ämter nur noch zweisprachig besetzen könne, etwa Schulleiter-, Lehrer- und Beamtenposten.

BZÖ und FPÖ wollen das Volk befragen

Erfreut über den Schwenk der ÖVP zeigten sich am Donnerstag die FPÖ und das BZÖ. FPÖ-Obmann Landesrat Gernot Darmann fordert eine Volksabstimmung zur Verfassungsreform, denn diese Reform bedeute einen massiven demokratiepolitischen Rückschritt. Der Ausschluss von rund der Hälfte der Bevölkerung von der politischen Willensbildung sei ein derart weitreichender Eingriff, dass die davon betroffene Bevölkerung jedenfalls auch darüber abstimmen soll, ob sie das will.

„Während Slowenien die deutschsprachige Minderheit nach wie vor diskriminiert und nicht anerkennt, will nur noch Rot und Grün jetzt die Aufnahme der slowenischen Volksgruppe in die Landesverfassung schnellstens durchpeitschen“, sagte der Abgeordnete Willi Korak (BZÖ). Eine Aufnahme in die Verfassung hätte aber weitreichende Folgen, Slowenisch könne dann zweite offizielle Amtssprache werden und so die Verwaltungskosten stark in die Höhe treiben. Korak sprach sich daher für eine Volksbefragung zum Thema aus.

„Massiv irritiert" zeigte sich Team Kärnten-Landesrat Gerhard Köfer in einer Reaktion. „Es verwundert, dass Benger zu seinem eigenen Kompromissvorschlag nicht mehr steht.“ Köfer mutmaßt, dass die Volkspartei ein „Exit-Szenario“ suche, um die Proporzabschaffung nicht mittragen zu müssen.