Mehr Kinder in Heimen als in Pflegefamilien

Laut Dachverband der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen gibt Kärnten neben der Steiermark am meisten Geld für Maßnahmen der Jugendhilfe aus. Werden Kinder aus den Familien genommen, kommen 70 Prozent in Heime, es fehlen Pflegefamilien.

In Fällen von Gewalt oder Missbrauch, wenn Eltern überfordert sind oder Kinder von daheim ausreißen, dann brauchen Familien Hilfe und Unterstützung. In Kärnten werden laut dem Dachverband aber mehr Kinder aus den Familien genommen und in Heimen betreut, als Familien mobil beraten. Laut Dachverband erscheine es wichtig, dass in Kärnten die Einrichtungen, die Familien Zuhause besuchen und unterstützen, künftig ausgebaut werden. Auch der Ausbau von Pflegeplätzen solle forciert werden, denn die meisten Kinder (740) wurden 2015 in sozialpädagogischen Einrichtungen untergebracht und nicht in Pflegefamilien (270).

Jugendämter entscheiden

Der Geschäftsführer des Dachverbandes, Hubert Löffler, sagte, die Maßnahmen der Jugendhilfe seien einerseits Familienunterstützung durch Sozialarbeiter und Psychologen Zuhause. Die zweite Maßnahme sei es, die Kinder den Eltern wegzunehmen und sie in Heimen oder bei Pflegefamilien unterzubringen. Hier gebe es einen Überhang in Kärnten, das Kind könne nicht mehr in der Familie aufwachsen. Die Sozialarbeiter in den Jugendämtern oder Pflegschaftsgerichte entscheiden darüber, ob ein Kind fremd untergebracht wird.

Nur 30 Prozent kommen in Pflegefamilien

In nur drei von zehn Fällen von Fremdunterbringung werde in Kärnten eine Pflegefamilie genommen, in anderen Bundesländern sind es acht von zehn Fälle. Das heißt, in Kärnten kommen die Kinder eher in Heime. Die Fremdunterbringung koste 13 Mal mehr als eine Unterstützung der Familien vor Ort, so Löffler.

Warum das in Kärnten so sei, könne er nicht sagen. Man müsse sich für ein Pflegeelternsystem entscheiden, Pflegeeltern suchen und sie auch ausbilden. In Kärnten gebe es zu wenig Möglichkeiten, Eltern in der Familie zu unterstützen. Da sehen die Experten Aufholbedarf, so Löffler.

3.300 in Betreuung

In Kärnten gibt es 92.500 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. In Betreuung sind rund 3.300. 479 Euro werden in Kärnten pro Minderjährigem für Unterstützung oder Fremdunterbringung ausgegeben. Nur in der Steiermark ist es mehr. In anderen Bundesländern sei es die Hälfte. Die Frage sei, ob in Kärnten wirklich so viele Kinder gefährdet sei oder definiere man Gefährdung nach dem Geld, das für Hilfe zur Verfügung stehe, so Löffler. Es dürften nicht so große Unterschiede geben, daher solle laut Löffler der Bund mehr steuern. Das geschehe jetzt nicht.

„Nach unserer Analyse wäre es sinnvoll, in Kärnten die unterstützende Erziehung auszubauen. Dadurch gibt es mehr gelindere Möglichkeiten, die Familie zu unterstützen, anstatt die Kinder gleich aus der Familie zu nehmen. Wenn man sie schon herausnehmen muss, ist es zu überleben, gibt man sie in eine sozialpädagogisch Einrichtung oder in eine Pflegefamilie.“

Prettner: Kärnten im Mittelfeld

Kärntens Sozialreferentin Beate Prettner (SPÖ) weist die Kritik zurück und sagt, Kärnten liege, was die Fremdbetreuung betreffe, im Mittelfeld. Bis jetzt wurden 5,7 Millionen Euro für Begleitung in den Familien investiert. 120 Betreuer seien in diesem Bereich tätig. Um Probleme möglichst früh zu erkennen, sollen künftig Experten unterschiedlicher Berufsgruppen gemeinsam mit den Familienmitgliedern an einer Lösung arbeiten, so Prettner: „Deshalb werden wir diesen Bereich auch weiter verstärken und weiter verbessern und auch das Betreuungsangebot verbessern, weil das sollte das Ziel sein. Nur wenn es nicht mehr anders geht, dann ist es sowohl für die Kinder, als auch für die Eltern richtiger, wenn man die Kinder aus der Familie heraus nimmt.“

„Jüngere Kinder sollen zu Familien“

Christine Gaschler-Andreasch vom Land Kärnten sagte, man kenne die Statistik, die Zahlen seien von Kärnten gemeldet worden. Man müsse das aber relativieren. Es sei nicht so, dass Kinder vor allem in stationären Einrichtungen unterbringen wolle, vor allem jüngere Kinder sollen auf Pflegeplätze. Es wäre schön, wenn sich mehr Pflegeeltern melden, nicht jedes Kind passe aber auf jeden Pflegeplatz. Das hänge vom Problem und von der Hilfe ab, die das Kind brauche. So würde ein pubertierender Jugendlicher, der bereits beginne, sich abzunabeln, eher in betreutes Wohnen passen.

Mehr Pflegefamilien benötigt

Man benötige mindestens 20 Pflegefamilien pro Jahr, um vor allem Kinder unter zehn Jahren eine sichere Familienstruktur zu geben. Die Anforderungen für Pflegeeltern sind hoch, so Gaschler-Andreasch. Es gehe um Erziehungsfragen, die Pflegeeltern brauchen einen Strafregisterauszug. Es müsse klar sein, dass man ein Kind dauerhaft aufnehme. Meistens bleiben die Kinder bis zur Selbstständigkeit in der Pflegefamilie. Die wenigsten Kinder aus Pflegefamilien kommen zurück zur Ursprungsfamilie.

Es gebe viele Gründe, warum Kinder aus Familien genommen werden, das reiche von Erkrankung der Eltern oder eines Elternteils, Überforderung, Bindungsunfähigkeit, Sucht, Gewalt oder auch Missbrauch. Vor allem psychische Belastungen von Eltern nehmen zu, sagte Gaschler-Andreasch. Zunächst versuche man immer, mobile Hilfe und Therapie anzubieten. Erst wenn eine Kindeswohlgefährdung eintrete, müsse gehandelt werden.

Zahlen „überzogen“

Die Pflegefamilien würden von Sozialarbeitern begleitet, um in möglichen Krisensituationen das Leben mit dem Pflegekind auch meistern zu können. In Summe würden Pflegefamilien 700 Euro im Monat an Unterstützungszahlungen erhalten, sagt Gaschler Andreasch. Dazu zählen Pflegekindergeld, Ausstattungspauschalen und Kinderbeihilfe. Dass ein Heimplatz bis zu 13 Mal teuer sei als die Unterbringung von Kindern in einer Pflegefamilie sie laut Gaschler-Andreasch völlig überzogen.

Links:

Liste der Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe Kärnten, Stand 2016

PDF (121.1 kB)

Statistik Austria: Kinder- und Jugendhilfestatistik 2015

PDF (947.3 kB)