Flüchtlingsschicksal: Mohammed erzählt

Bald werden 60 Flüchtlinge im Haus Bethanien der Diakonie de la Tour in Treffen am Ossiacher See leben. Einer, der schon seit sieben Monaten hier ist, ist der junge Syrer Mohammed. Wenn er seinen Asylbescheid bekommt, möchte er in Österreich arbeiten und studieren.

Mohammed (Name von der Redaktion geändert) ist 27 Jahre alt und kommt aus dem Süden Syriens. Seit sieben Monaten ist er in Treffen. Als die Demonstrationen gegen das Assad-Regime begannen, war er Englisch-Student in Daraa, im Süden des Landes. Seine Familie hat eine kleine Landwirtschaft, sein Vater arbeitet außerdem seit Jahrzehnten in einem reicheren arabischen Land und schickt Geld zur Unterstützung (auf Bitte Mohammeds wird das Land nicht erwähnt, Anm.). Als die Probleme in Syrien größer wurden, durfte Mohammeds Vater aber seine Familie nicht zu sich holen, bzw. konnte er die dafür nötige finanzielle Bestätigung nicht vorweisen.

Keine Arbeitserlaubnis

Ein Problem, das viele Bürger von weniger reichen arabischen Ländern haben, so Mohammed. Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate und andere, reichere islamische Länder, gestatten zwar, dass Ausländer arbeiten, doch die Familie bekommt nur eine auf wenige Monate beschränkte Besuchserlaubnis ohne Arbeitsgenehmigung.

Mohammed ist ein politisch denkender junger Mann und möchte erklären, wie es zu den Demonstrationen kam. Als der arabische Frühling von Ägypten auch nach Syrien überschwappte, wollten auch die Syrer Reformen. Als Student war er bei den Demonstrationen mit dabei, die zunächst jeden Freitag stattfanden. Demonstranten schrieben auch Parolen an Wände, Kinder sahen ihnen dabei zu. Mohammed schildert, dass diese Kinder im Volksschulalter ebenso verhaftet wurden, wie die, die die Parolen schrieben. Als die Eltern ihre Kinder aus dem Gefängnis holen wollten, wurde ihnen das verwehrt.

Sicherheitstruppen schossen auf Demonstranten

Später wurde bei den Demonstrationen geschossen, bei den Begräbnissen wurden dann die Trauergäste beschossen, so Mohammed. Er schildert, dass es sich hauptsächlich um „Special Security Forces“ handelte, Sicherheitstruppen abseits von Polizei oder regulärem Militär. Später wurden diese dann vom Militär unterstützt.

Haus Bethanien Garten Treffen Asyl

ORF/Petra Haas

Zusammengewürfelte Idylle im Garten des Haus Bethanien.

Als die Demonstrationen schließlich jeden Tag stattfanden und zehntausende Menschen mitmachten, hätten viele gedacht, das Regime von Baschar al-Assad würde bald stürzen. Doch die Gewalt sei immer größer geworden, auch die Demonstranten hätten sich bewaffnet und zurückgeschossen. Man habe niemandem mehr trauen können, bei den Studenten und Demonstranten habe es Denunzianten gegeben, die auch viele Unschuldige verraten hätten.

Wegen Zucchinis beschossen

Viele seien grundlos verhaftet worden, es gab keine Sicherheit mehr, so Mohammed. Im April 2011 wurde dann immer öfter der Strom abgeschaltet, schildert Mohammed. Es gab auch kein Telefon. Dies sollte eine Bestrafung der Bevölkerung sein, meint er. Direkt neben seinem Dorf hatte das Militär einen Kontrollpunkt, einen Checkpoint, errichtet. Die Soldaten hätten auf alles geschossen, was sich bewegte, vor allem nachts.

Das Dorf sei richtiggehend belagert worden, einmal hätten sie auch auf ihn geschossen, als er mit einem Freund auf einem Moped unterwegs gewesen sei. „Die haben gedacht, ich hätte etwas Gefährliches in der Hand, aber es war nur eine Tüte mit Zucchinis von der Farm“, erzählt er. Danach hätte seine Familie um sein Leben gefürchtet und schickte ihn nach Jordanien. Zu seinem Vater durfte er nicht, weil er keine Arbeitserlaubnis hatte bzw. das nötige Geld nicht vorweisen konnte. Mohammed sagt, seit 2012 er sei an verschiedenen Orten gewesen, aber irgendwann habe er dann beschlossen, nach Großbritannien zu gehen.

Über Balkanroute geflüchtet

Er spricht fast fließend Englisch und hoffe, dort arbeiten und weiter studieren zu können. Mit Hilfe von Schleppern machte er sich auf den Weg, streckenweise zu Fuß. Drei Monate lang war er unterwegs, kam über die Balkanroute, über Serbien nach Österreich. Dann ging es nach Wien, nach Traiskirchen und von dort nach Treffen. Er lächelt und meint, als klar war, dass er es nicht nach England schaffen würde, habe er sich gedacht, gut, dann lerne ich eben noch eine Sprache, nämlich Deutsch und bleibe in Österreich.

Mohammed plant schon einen Garten

„Es ist schön hier, so friedlich“ sagte Mohammed. Wenn er einmal ein Haus in Syrien hat, möchte er einen Garten wie hier in der Unterkunft anlegen. Aber für immer zurück möchte er nicht. Er plant, weiter Sprachen zu studieren und hofft, nebenher einen Job bei einem Unternehmen zu finden, das Geschäfte mit Arabien macht. Da könnte er seine Sprachkenntnisse einsetzen, meint Mohammed. Die nutzt er auch jetzt schon, indem er für andere Asylwerber dolmetscht.

Seiner Familie geht es nicht so schlecht, erzählt er. Der Vater schickt immer noch Geld, der Bruder kümmert sich um die Landwirtschaft. Manchmal gibt es eine Telefonverbindung sagte er und lacht, denn um Empfang zu bekommen, muss seine Familie auf das Dach klettern. Dort reicht das Signal von der Nachbarstadt auch zum Dorf. „Wenn ich mit ihnen telefoniere sagen sie immer, wir stehen wieder auf dem Dach“, erzählt Mohammed.

Er spricht von seiner Mutter, die um nichts in der Welt in das riesige Flüchtlingslager an der Grenze zur Türkei will. Sie sagt, sie sterbe lieber in ihrem eigenen Haus, als dorthin zu gehen", sagt Mohammed. Ohnehin gebe es wenig Chancen, zu flüchten, denn mittlerweile werden Flüchtlinge auch an der Grenze zu Jordanien beschossen.

Dankbar für den Frieden

Er bittet: Sagen Sie den Menschen hier, „we don’t run away as a joke“ - Wir flüchten nicht zum Spaß, sagt Mohammed. Man könne sich in Syrien nicht sicher fühlen, niemand wisse, welche Seite wann auf einen schießt. Ein anderer Asylwerber habe ihn einmal gefragt, wie er denn lachen und tanzen kann, sagt Mohammed. Kurz kann man den Krieg vergessen, sagt er, dann kommt aber alles wieder zurück. Er will außerdem nicht dauernd nur an den Krieg denken, er möchte an die Zukunft denken. Er sagt, er ist dankbar, dass man ihn hier in Frieden leben lässt. (Petra Haas/kaernten.ORF.at)

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