Prettner: Bei HCB-Bescheid auf Experten verlassen

Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ) hat am Mittwoch im HCB-Untersuchungsausschuss ausgesagt, dass sie sich bei der Unterfertigung eines Teilbescheides zur HCB-Verbrennung auf Experten verlassen habe. Selbst geprüft habe sie nicht, da es Fachexperten gab.

Gesundheitsreferentin Beate Prettner sagte vor dem U-Ausschuss, sie habe erst von Holub vom HCB-Problem erfahren, und zwar „zwischen Tür und Angel“. Danach hätten sich alle Abteilungen rasch koordiniert. Die Experten hätten aber übereingestimmt, die Öffentlichkeit erst zu informieren, wenn es ein Gesamtbild mit ausreichend gesicherten Daten gebe - laut Plan Mitte Dezember. Agrarreferent Christian Benger von der ÖVP habe sie am 26. November kurz am Telefon über erste Grenzwertüberschreitungen informiert. Dass er Minuten später eine Pressekonferenz geben werde, habe er ihr nicht gesagt, sagte Prettner.

Es gab dann ein Koordinationstreffen. „Ich habe mich mit den Expertinnen und Experten einer Meinung befunden, zuerst die Analysen abzuwarten und dann erst an die Öffentlichkeit zu gehen“, sagte Prettner. „Sobald eine Gesundheitsgefährdung bestanden hätte, hätten wir die Öffentlichkeit informiert.“ Die Umweltmedizinerin des Landes forderte damals laut Protokollen wiederholt, sofort die Bevölkerung zu informieren. Prettner: „Mir gegenüber hat sie das nicht gesagt.“

Unterlagen nicht geprüft

ÖVP-Abgeordnete Karin Schabus hielt der Landeshauptmann-Stellvertreterin vor, dass ihre Beamten, konkret die Lebensmittelaufsicht, von der Problematik erhöhter HCB-Werte bereits im März 2014 wussten. Prettner: „Es gab keine Grenzwertüberschreitung, deshalb wurde keine Information an eine übergeordnete Stelle weitergeleitet.“ Der Sachbearbeiter habe auch keine weiteren Schritte eingeleitet. „Der Beamte, der das analysiert hat, hat es nicht als notwendig empfunden“, sagte dazu die Gesundheitsreferentin.

Im Jahr 2010, damals für die Umweltagenden zuständig, hatte Prettner einen Teilbescheid zur Blaukalkverbrennung im Zementwerk Wietersdorf unterzeichnet. Geprüft habe sie die Unterlagen nicht, sagte Prettner auf Nachfrage der Abgeordneten. „Ich bin davon ausgegangen, dass die Fachexperten sorgfältig geprüft haben.“

Fehler in der Landesverwaltung

Umweltlandesrat Rolf Holub (Grüne) sprach von Fehlern in der Landesverwaltung. Schon im April hätte jemand die Federführung übernehmen müssen, damit die Abteilungen zusammenarbeiten, sagte der zuvor befragte Rolf Holub. Dies sei aber erst im November passiert, nachdem Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) Krisenkoordinator Albert Kreiner die Weisung dazu erteilt hatte. „Politische Polarisierungen von einer Abteilung zur anderen haben stattgefunden, mit Informationen wurde nicht ganz transparent umgegangen“, sagte Holub auf die Fragen der Abgeordneten.

Holub: Umweltabteilungsleiter wusste von HCB

Er selbst sei am 6. November 2014 über die HCB-Problematik im Görtschitztal informiert worden, er selbst habe sich im Nachhinein geärgert und machtlos gefühlt. Der Leiter der Umweltabteilung sei seit April informiert gewesen. Er habe den Beamten zur Rede gestellt, dieser habe gemeint, er könne den Landesrat nicht immer über alles informieren, solange es keine Grenzwertüberschreitung gebe, sagte Holub. Bei diesen „Parametern“ habe sich inzwischen einiges geändert. „Mittlerweile geht alles über meinen Tisch.“ Die Umweltabteilung hätte bei Verdacht selbstständig tätig werden können, sagte Holub. Dies sei aber bis September nicht passiert. Aber auch seitens der Agrarabteilung, die ebenfalls schon im Frühjahr bescheid wusste, sei man nicht mit allen Informationen transparent umgegangen. Holub: "Wenn alle von Anfang an ehrlich gewesen wären, hätten wir im April davon erfahren und das Problem wäre im Mai gelöst gewesen.“

Neben der mangelnden Transparenz benannte Holub das Problem, dass die Behörde 90 Prozent ihrer Energie in Genehmigungen stecke, aber nur 10 Prozent in die Kontrolle. Holub sagte, er selbst habe die Kontamination nicht öffentlich gemacht, weil Anfang November noch zu wenig Daten vorlagen. Damals sei man von mehreren Emittenten ausgegangen. Agrarlandesrat Christian Benger (ÖVP) machte die Problematik Ende November öffentlich, nachdem es Grenzwertüberschreitungen in Rohmilchproben gegeben hatte.

Greenpeace und Global 2000 für Verbrennung

Vor dem HCB-U-Ausschuss des Landtags sagten am Mittwochvormittag auch Chemiker von Greenpeace und Global 2000 aus. Sie halten eine Verbrennung des verseuchten Kalks für die sinnvollste Lösung.

Die beiden Umweltorganisationen begleiteten den HCB-Skandal im Görtschitztal. Beiden Zeugen zufolge sei die Verbrennung des kontaminierten Blaukalks in einem Zementwerk nach wie vor als sinnvollste Lösung anzusehen. Auch über die Ursache für den HCB-Skandal waren sich die befragten Umweltchemiker einig.

Die Blaukalk-Verbrennung in Wietersdorf sei technisch stümperhaft gewesen, sagte Herwig Schuster von Greenpeace: „Die Hauptursache liegt mit Sicherheit im Zementwerk, dort ist der Hauptfehler passiert. Allerdings sehen wir viele Erfüllungsgehilfen, die zum Teil in der Beamtenschaft, in der Politik und auch in der Donau Chemie sitzen. Viele haben nicht hingeschaut, nicht ausreichend kontrolliert, Dinge übersehen.“

Keine Abgasmessungen durch die Behörde

Die Behörde hätte Abgasmessungen durchführen müssen. Einig war sich Schuster mit dem zweiten Zeugen, Helmut Burtscher von Global 2000 auch darin, dass die Grenzwerte für HCB zu hoch seien. Die jüngsten Messergebnisse geben nun Anlass zur Hoffnung: Das Land konnte weder in Grasproben auf Görtschitztaler Wiesen noch auf den Weiden HCB nachweisen. Greenpeace entdeckte bei Kräutern und Junggemüse von stark belasteten Bauernhöfen ebenfalls kein HCB. Laut Schuster sei es für eine echte Entwarnung aber noch zu früh. Die Ernte werde heuer weitgehend frei sein. Wenn die Heuernte beginne, könne man sagen, ob Normalität eintrete.

HCB im Blut: Sieben Jahre „Halbwertszeit“

Die Bevölkerung müsse allerdings noch lange mit erhöhten Blutwerten rechnen, die Halbwertszeit liege bei sieben Jahren, sagte Schuster. Auch im tierischen Fettgewebe baue sich HCB nur langsam ab. Daher sei es wichtig, dass die Menschen im Tal nur noch völlig unbelastete Lebensmittel zu sich nehmen, sagte Burtscher.

Prettner kündigte dazu weitere Blutuntersuchungen von Kindern und Jugendlichen im Görtschitztal an. Personen, die über den Grenzwerten waren, sollen außerdem laufend kontrolliert werden. Das sei so mit den Experten der MedUni Wien und der Landessanitätsdirektion vereinbart.

Ein großes Problem bleibe unterdessen die Sanierung der Deponie in Brückl, wo der kontaminierte Blaukalk unter anderem das Grundwasser belastet, so Schuster. Es müsse nach einer Lösung gesucht werden, ein Teil der Lösung werde ein Zementwerk sein müssen.

„Verbrennung sinnvollste Lösung“

Zwei technisch dafür gerüstete Zementwerke winkten schon ab. Das Werk in Wietersdorf müsste vor einem neuen Versuchsbetrieb jedenfalls in verbesserte Technik investieren, sagte Schuster. Ähnlicher Meinung ist Global 2000-Chemiker Burtscher: „Ich kann mir vorstellen, dass die Verbrennung in einem Zementwerk, soweit der technische Standard top ist, die sinnvollste Lösung ist.“

Im Hinblick auf Sorgen in der Bevölkerung sagt der grüne Umweltreferent Rolf Holub, die technisch beste Lösung müsse nicht auch die menschlich Beste sein. Von der Verbrennung bis hin zur Versiegelung des Blaukalks an einem anderen Ort würden mehrere Möglichkeiten geprüft. Mögliche Varianten könnten dann in einer Volksbefragung zur Abstimmung gebracht werden.

Der U-Ausschuss geht nächsten Mittwoch weiter, prominentester Zeuge ist Landeshauptmann Peter Kaiser.

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