Abschied von einer Musiklegende

Nach dem plötzlichen Tod des Kärntner Künstlers Udo Jürgens am Sonntagnachmittag reißen die Trauerbekundungen in Kärnten nicht ab. Indes gibt es auch Überlegungen, den Klagenfurter Flughafen oder die Wiener Gasse nach Jürgens zu benennen.

Jürgens brach am Sonntagnachmittag im Alter von 80 Jahren überraschend bei einem Spaziergang im Schweizer Kanton Thurgau zusammen und starb im Spital an Herzversagen - mehr dazu in Udo Jürgens: Unerwarteter Abschied (news.ORF.at). Schon am Sonntagabend gab es in Kärnten betroffene Reaktionen aus allen politischen Lagern – mehr dazu in Kärnten trauert um Udo Jürgens.

Menschen tragen sich in Udo Jürgens Kondolenzbuch im Klagenfurter Rathaus ein.

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Kärntner tragen sich in das Kondolenzbuch im Klagenfurter Rathaus ein.

Ein Leben wie „ein Brief ans Christkind“

Wo und zu welchem Zeitpunkt Udo Jürgens beigesetzt wird, ist laut einem Sprecher seines Managements noch unklar. Fans und Freunde wurden am Sonntag vom Tod des Entertainers überrascht. Hannes Jagerhofer hatte regelmäßig Kontakt zu Udo Jürgens. Seine Reaktion auf dessen Ableben fiel trotz des traurigen Anlasses versöhnlich aus: "Was das Tolle ist – wenn man einmal von unserer Trauer absieht, weil wir jetzt einfach kein Gespräch mehr mit ihm führen können, kein Abendessen mehr mit ihm zusammen haben können, und es keinen Anruf mehr von ihm am Heiligen Abend geben wird – für ihn war es ein Traum. Sich zu überlegen, dir sagt jemand wenn du 18 Jahre alt bist, du wirst ein bekannter Entertainer, wirst Millionen von Menschen Botschaften mit durchs Leben geben und sehr erfolgreich sein, und du wirst dann, zum Schluss, die erfolgreichste Tournee aller Zeiten haben und mit 80 wird es einfach aus sein, ohne Schmerz oder irgendetwas. Das ist etwas, wo jeder sagen würde: Das ist ein Brief an das Christkind, aber genau so ist es passiert.“

Große Betroffenheit bei den Kärntnern

Große Betroffenheit herrschte am Montagvormittag in der Klagenfurter Innenstadt. Die Nachricht vom Tod des Künstlers traf viele Kärntner völlig überraschend:

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Was soll nach Udo Jürgens benannt werden?

Am Montag ließ die Vizebürgermeisterin von Klagenfurt, Maria-Luise Mathiaschitz (SPÖ), mit dem Vorschlag aufhorchen, den Klagenfurter Flughafen nach dem Verstorbenen zu benennen. Um den gebürtigen Klagenfurter entsprechend zu ehren, werde sie noch am Montagnachmittag in der Gemeinderatssitzung einen Dringlichkeitsantrag stellen, erklärte Mathiaschitz in einer Aussendung.

Udo Jürgens

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Jürgens bei einem Konzert im Rahmen der „Mitten im Leben“ Tour am 7. Dezember in Zürich.

Team Stronach-Landesrat Gerhard Köfer wiederum schlug am Montag vor, die Wiener Gasse in der Klagenfurter Innenstadt in „Udo Jürgens Gasse“ umzubenennen: "Nicht der Klagenfurter Krisenflughafen, sondern die Wiener Gasse wäre passend für eine zeitlose Ehrung des Künstlers.“ Denn im ehemaligen legendären Tanz-Cafe Lerch in der Wiener Gasse hatte Udo Jürgens Anfang der 1950er-Jahre seine ersten Auftritte als Musiker gestartet. In Villach gibt es übrigens seit Jahren einen Udo-Jürgens-Platz.

Inge Unzeitig: Ein letztes Telefonat

Eine Wegbegleiterin von Udo Jürgens war die Kärntner Unternehmerin Inge Unzeitig. In jungen Jahren lernte sie Jürgens kennen, über die Jahre wuchs eine tiefe Freundschaft. Mehrmals wöchentlich telefonierte sie mit Jürgens, zuletzt am Samstag, einen Tag vor seinem Tod. Udo Jürgens sei noch so voller Pläne gewesen: „Er wollte jetzt über Weihnachten nach Portugal, im Jänner nach Wien.“

Udo Jürgens

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Jürgens im Mai 2013 bei der Präsentation seiner Wachsfigur im Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds im Wiener Prater.

Jürgens sei bei den Telefonat gesund und gut gelaunt gewesen: „Deswegen konnte ich die Nachricht von seinem Tod nicht glauben. Ich war fassungslos, wollte es nicht glauben und ihn anrufen, bis mir Freunde das Telefon wegnahmen.“

Klaus Graf: Abschied „mitten im Leben“

Der Kärntner Filmproduzent Klaus Graf, ebenfalls ein langjähriger Weggefährte von Udo Jürgens, erfuhr am Sonntag bei einer Weihnachtsfeier vom Tod des Entertainers. „Im ersten Schock waren wir gelähmt“, erzählt er. Letztlich komme der Tod zwar immer zu früh, aber Jürgens habe in der Mitte seiner aktuellen Tournee „Mitten im Leben“ einen für ihn passenden Abschied gegeben.

Vor vier Jahren produzierte Klaus Graf den Fernsehfilm „der Mann mit dem Fagott“ nach dem gleichnamigen autobiographischen Bestseller von Udo Jürgens. Der Entertainer stand damals auch selbst vor der Kamera. Am Drehbuch hätten sie sechs Jahre gearbeitet, Udo Jürgens sei dabei „unglaublich akribisch“ gewesen und eine hohe Verantwortung gegenüber seiner Familie empfunden, so Graf. Zuletzt sah Graf seinen Freund vor zwei Wochen bei einem Konzert in Wien.

Udo Jürgens

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Konzert 1987.

Ort und Zeit für Beerdigung noch unklar

Wo und in welchem Rahmen der Entertainer beigesetzt wird ist noch unklar, Klagenfurt und Wien haben Ehrengräber angeboten. „Es ist noch zu früh. Wir wissen es noch nicht“, sagte ein Sprecher seines Managements am Montag. Der Kärntner hatte in den letzten Jahrzehnten in der Schweiz gelebt. Er hatte am Bodensee eine Wohnung, in der er auf den Einzug in das neue Haus am Zürichsee wartete. Das erworbene Anwesen wird umgebaut. Jürgens wollte im Frühjahr einziehen.

Prägende Kindheit in Kärnten

Udo Jürgens war stets als politisch kritischer Denker bekannt, er gab damit dem deutschen Schlager Tiefgang und Nachdenklichkeit. Prägend dafür war auch seine von der NS-Zeit überschattete Kindheit in Kärnten. Mit zehn Jahren wollte er der Hitlerjugend beitreten, „weil es geheißen hat, die Lehrer dürfen einen dann nicht mehr schlagen“. Doch sein Gastspiel bei der HJ blieb kurz, der zarte Bub war den Vorgesetzten nicht männlich genug. Bleibende Erinnerung an diese Zeit hatte er trotzdem, die Ohrfeige eines Jugendschaftsführers bescherte ihm am linken Ohr einen deutlichen Hörverlust.

Udo Jürgens

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Jürgens bei der Präsentation seiner CD „Mitten im Leben“ im Febraur 2014 in Wien.

„Den wahren Schrecken des Nazireiches habe ich mit eigenen Augen gesehen und kann ihn bis heute nicht vergessen“, sagte er einst in einem ORF-Interview. Sehr oft habe sein Vater, der im zweiten Weltkrieg Bürgermeister der Gemeinde Ottmanach war, nach dem Krieg mit ihm und seinen Brüdern über die Gräuel dieses Krieges gesprochen. Kritisches politisches Denken begleitete Jürgens danach Zeit seines Lebens. „Wir sollten viel mehr trotzig sein und aufbegehren“, sagte er.

Jürgens: „Der Tod, der große Gleichmacher“

Auch in Fragen der Religion war Jürgens stets ein Hinterfragender. „Es gibt keine Hölle und keinen Teufel. Wer daran glaubt, tut mir echt leid“, so Jürgens in einem ORF-Interview. Vielmehr glaubte Jürgens, dass der Tod der große Gleichmacher sei: „Endlich sind wir dann alle gleich – ob Multimilliardär oder armer Schlucker, ob Dreckschwein oder guter Mensch.“ Dies sei für ihn ein sehr tröstlicher Gedanke. An das „ewige Leben“ wollte er nicht glauben: „Ich möchte nicht alle Verbrecher der Welt später wieder treffen.“