HCB: Werte seit März bekannt

Die Bundesagentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) hat im März in verarbeiteten Milchprodukten aus dem Görtschitztal Überschreitungen der Grenzwerte für HCB festgestellt. Die Lebensmittelaufsicht rechnete die Werte aber auf den Grenzwert für Rohmilch um und erkannte keine Grenzwertüberschreitung.

Nach Bekanntwerden der HCB-Verseuchung vor einem Monat hieß es lediglich, im Frühjahr seien „geringste Spuren“ festgestellt worden - von einer Grenzwertüberschreitung war keine Rede. Diese „geringsten Spuren“ sind jedoch laut AGES-Untersuchungsergebnissen deutliche Grenzwertüberschreitungen. Eine Bröseltopfenprobe vom 27. März wies 0,04 bis 0,079 (Messungenauigkeit) Milligramm HCB je Kilogramm auf, im günstigsten Fall ist das das Vierfache des erlaubten Wertes. Der Grenzwert bei Milch beträgt 0,01 Milligramm pro Kilogramm.

Eine Ricotta-Probe vom selben Tag war mit 0,018 bis 0,035 Milligramm belastet, die Rohmilchprobe eines Bauern mit 0,016 bis 0,033, eines zweiten Bauern mit 0,011 bis 0,023 Milligramm HCB. Die Analysen wurden vom Institut für Lebensmittelsicherheit Innsbruck durchgeführt, der Untersuchungszeitraum ist mit 27. März bis 2. April angegeben.

AGES: Haben Behörden verständigt

AGES-Sprecher Roland Achatz sagte, die AGES könne selbst nicht mit Warnungen an die Öffentlichkeit gehen, dafür fehle die gesetzliche Grundlage. Wenn Lebensmittelproben von einem Bundesland an die Agentur geschickt werden, erhält die Behörde die Ergebnisse und im Falle von Belastungen auch ein entsprechendes Gutachten.

Achatz: „Wenn private Untersuchungen, etwa von einer Molkerei, bei uns in Auftrag gegeben werden, gehen die Resultate an den Auftraggeber. Wenn wir allerdings etwas finden wie etwa HCB in der Rohmilch, wird die zuständige Behörde informiert, in diesem Falle die Lebensmittelaufsicht in Kärnten.“ Die AGES sei keine Behörde, daher könne sie von sich aus nicht aktiv werden. „Wir dürfen auch nicht selbst Proben ziehen“, betonte Achatz.

Lebensmittelaufsicht: Rechnerisch keine Überschreitung

Auf Nachfrage des ORF bei der Lebensmittelaufsicht des Landes sagte deren Leiter Alfred Dutzler, es sei korrekt, dass die AGES HCB in Topfen und Milch fand. Die Kontrollstelle für biologischen Landbau habe ihn aber zuvor davon in Kenntnis gesetzt, dass im Bröseltopfen von Sonnenalm HCB-Rückstände gefunden worden seien, so Dutzler. Man habe das Gutachten im Labor überprüft und den HCB-Wert auf das Rohprodukt umrechnen müssen, denn es gebe keinen Höchstwert für verarbeitete Milchprodukte. Daher kam eine Verkehrsfähigkeit des Produkts heraus.

Wegen des höheren Fettgehalts enthalten Topfen und Käse automatisch mehr HCB. Aber eine Information der Bevölkerung im März hätte laut Dutzler sogar rechtswidrig sein können. „Wenn ich keine Überschreitung habe, wenn ich keine Gesundheitsgefährdung habe, darf ich an sich wegen des Amtsgeheimnisses nicht informieren, denn dann riskiere ich die Amtshaftung.“

Man sei dann der Ursache auf den Grund gegangen. Aufgrund dieses Fundes habe die betroffene Molkerei alle Lieferanten und zwei Produkte bei der AGES untersuchen lassen. Da rein rechnerisch der Höchstwert von HCB im Topfen nicht erreicht wurde, sei die Gesundheitsreferentin nicht informiert worden, so Dutzler. Aber die Firma sei sehr wohl informiert worden, so kamen dann die besagten Proben zur AGES. Laut Dutzler bedeutet ein Höchstwert nicht automatisch eine Gesundheitsgefährdung - mehr dazu in HCB: „Gesundheitsministerium war informiert“.

Greenpeace fordert Aufklärung

Dass die AGES bei Grenzwertüberschreitungen sehr wohl auch aktiv wird, zeigt ein Blick in die Futtermittellisten vom September. Da wurde Fischmehl aus Peru aus dem Verkehr gezogen. Der Grund war eine HCB-Belastung von 0,078 Milligramm je Kilogramm. Eigenartig mutet in diesem Zusammenhang die AGES-Information zum Thema Hexachlorbenzol an, die auf der AGES-Website zu finden ist. Hier steht wörtlich zu lesen: „Die AGES untersucht routinemäßig in Lebens- und Futtermitteln auf den verbotenen Wirkstoff HCB. Bis auf Kürbiskerne sowie Kürbiskernöle wurden in den vergangenen Jahren keine auffälligen Befunde festgestellt.“ Diese Information stammt vom 27. November.

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) müsse sofort eine Untersuchung einleiten, um aufzuklären, wer dafür verantwortlich sei, forderte Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit in einer ersten Reaktion. Brisant sei nicht nur, dass die Testergebnisse nicht unmittelbar veröffentlicht wurden, sondern auch, dass auf der AGES-Website behauptet wurde, in den vergangenen Jahren seien bis auf Kürbiskerne und Kürbiskernöl keine auffälligen Befunde festgestellt worden.

Waldner: Lage schien nicht dramatisch

Als erster Landespolitiker wurde offenbar der frühere Agrarreferent Wolfgang Waldner (ÖVP) über die HCB-Werte im Görtschitztal informiert. Waldner war offiziell bis zum 8. Mai in der Landesregierung für das Agrarressort zuständig. Gegenüber dem ORF Kärnten bestätigte Waldner, im April von Landesveterinär Holger Remer auf die erhöhten Werte im Görtschitztal aufmerksam gemacht worden zu sein. „Ich kann mich an eine E-Mail erinnern. Darin berichtete mir Herr Remer, dass im Futter erhöhte Werte eines Pflanzenschutzmittels festgestellt werden und dass es nötig sei, die Ursachen zu ermitteln.“

Am 23. oder 24. April habe dann eine Besprechung stattgefunden, so Waldner. Ein Mitarbeiter aus seinem Büro, die Landwirtschaftsabteilung und Landesveterinär Remer hätten teilgenommen. Er selbst habe aus Termingründen nicht teilgenommen, aber er habe einen mündlichen Bericht erhalten. Darin wurden weitere Proben und Kontaktaufnahme mit der Umweltabteilung empfohlen. Er habe dann die weitere Beobachtung, weitere Expertentreffen und die Einbindung der Umweltabteilung angeordnet, danach sei er aus der Regierung ausgeschieden.

Seinen Nachfolger Christian Benger und die Koalitionspartner habe er aber nicht informiert, sagte Waldner. Der Grund: Damals habe sich die Lage nicht dramatisch dargestellt. Es seien außerdem weitere Proben beauftragt worden. Er sei auch gerne bereit, seine Aussagen vor dem beschlossenen U-Ausschuss des Kärntner Landtages zu wiederholen, so Waldner.

Greenpeace: 8.000-fach höherer HCB-Wert

Kritik an der Blaukalkverbrennung durch die Wietersdorfer Zementwerke gab es am Donnerstag erneut von der Umweltorganisation Greenpeace. Durch die Blaukalkverbrennung im Görtschitztal sei ein 8.000-fach höherer HCB-Wert als in der Sondermüllverbrennungsanlage in Wien-Simmering emittiert worden. Die Emissionswerte der Wiener Sondermüllverbrennungsanlage liegen bei 0,8 bis 1,4 Nanogramm pro Kubikmeter, in Klein St. Paul wurde laut Greenpeace ein Wert von acht Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen. Anders als in Kärnten würden in dem Wiener Werk als Vorsorgemaßnahme zweimal jährlich freiwillig HCB-Messungen durchgeführt, obwohl es dafür keine gesetzlichen Vorschriften gebe.

Auf die Frage, ob man das Zementwerk Wietersdorfer zur Messung der HCB-Werte hätte verpflichten müssen, sagte der Krisenkoordinator des Landes, Albert Kreiner: „Wenn eine ordnungsgemäße Verbrennung stattfindet, kommt kein HCB in die Luft, und das war die Ausgangssituation der Behörde.“ Der Vergleich von Greenpeace zeige, dass die Müllverbrennungsanlage in Wien HCB emittiere, bei den Zementwerken hätte aber kein HCB in die Luft gelangen dürfen. Dem Zementwerk sei es aber jederzeit freigestanden, selbst Messungen durchzuführen, so Kreiner.

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