w&p: HCB-Kontamination war bekannt

Die Wietersdorfer Zementwerke haben am Freitagabend angegeben, dass Blaukalk mit zu geringer Temperatur gebrannt worden sei. Dadurch dürfte es im Görtschitztal zu den Hexachlorbenzol-Emissionen (HCB) gekommen sein. Die Kontamination des Kalks mit HCB sei bekannt gewesen.

Der HCB-hältige Blaukalk von der Deponie der Donau Chemie in Brückl wird in den Zementwerken nach behördlicher Genehmigung seit 2012 gebrannt. Alle seitens der Behörde vorgegebenen Grenzwerte seien immer eingehalten worden, betonte der Werksleiter der Zementwerke, Bernd Schaflechner, am Freitagabend in einer Aussendung.

Stellungnahme „missverstanden“

Der Werksleiter gab am Freitagabend auch an, man habe sehr wohl gewusst, dass der Blaukalk mit HCB kontaminiert sei. Eine anders lautende Aussage von ihm am Vortag sei ein Missverständnis gewesen. Er habe lediglich gesagt, man habe nichts von HCB-Belastung in Milch und Futtermitteln gewusst. Davon habe man wie erwähnt erst im Oktober erfahren. Seine Stellungnahmen gegenüber den Medien „hinsichtlich der Belastung von HCB im Blaukalk“ hätten sich auf die Emissionen und die Belastung für die Umwelt bezogen. „Ich bedauere, dass dies missverstanden wurde“.

Infohotlines

  • Unter der Telefonnummer 050 536 15205 erhält man Informationen zu technischen Detailfragen.
  • Fragen betreffend möglicher umweltmedizinischer Auswirkungen werden unter der Nummer 050 536 15121 beantwortet.
  • Auf der Website des Landes entsteht auch eine Infosite - mehr dazu in Aktuelle Informationen HCB Görtschitztal.

Bei einer aktuell laufenden Untersuchung habe sich aber leider herausgestellt, dass „Blaukalk an einer für HCB-Emissionen hinsichtlich der Temperatur nicht optimalen Stelle eingebracht wurde“. Der in den Prozess eingebrachte Blaukalk unterliege gemäß Bescheid keiner mengenmäßigen Beschränkung.

Neuerliche Messungen

Um abschließende Gewissheit zu erlangen, seien in Abstimmung mit den zuständigen Fachabteilungen der Landesregierung unabhängige Experten der TU Wien und TÜV Süd mit Messungen beauftragt worden, so Schaflechner. Schon am Donnerstag gab es Hinweise, dass ein Fehler beim Brennvorgang Ursache für die Emissionen gewesen sein könnte. HCB verbrennt bei 800 bis 1.100 Grad rückstandsfrei, hier dürfte mit 450 Grad gebrannt worden sein, hieß es.

HCP Wietersdorfer Görtschitztal

ORF

Die Deponie der Donau Chemie in Brückl - der dort zwischengelagerte HCB-hältige Blaukalk wird in den Zementwerken verbrannt

Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet

Gegen das Zementwerk w&p wurde vonseiten des Landes ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. Nun ermittelt auch die Staatsanwaltschaft wegen vorsätzlich umweltgefährdendem Behandeln und Verbringen von Abfällen, derzeit allerdings noch gegen Unbekannt - mehr dazu in Umweltgift: Staatsanwaltschaft ermittelt.

Abgase der Fabrik nicht auf HCB getestet

Der Werksleiter sagte auch, dass es für das Zementwerk Wietersdorf genaue Vorschriften gebe, wie und welche Emissionen zu messen seien. Für HCB seien aber keine Messungen vorgeschrieben gewesen. Bereits am Donnerstag gab es massive Kritik von Greenpeace an den Wietersdorfer Zementwerken als möglichem HCB-Verursacher. Auch das Land als Behörde steht in der Kritik. Die Abgase der Zementfabrik wären nicht auf giftige chlororganische Stoffe wie HCB getestet worden, so Greenpeace - mehr dazu in Görtschitztal: Tests waren mangelhaft (oe1.ORF.at).

Kreiner: „Es bestand kein Verdacht“

Der Krisenkoordinator des Landes, Albert Kreiner, sagte, in dem Zementwerk habe es zweimal jährlich Kontrollen bei den Emissionen gegeben. Dabei werden aber Gruppen von Schadstoffen geprüft, weil es insgesamt so viele verschiedene Umweltgifte gibt. HCB sei Teil dieser Stoffgruppe. Es habe keine Anzeichen gegeben, dass HCB spezifisch ausgestoßen wird - und weil kein Verdacht bestanden habe, sei nicht danach gesucht worden, so Kreiner weiter.

Der Betrieb sei von den Emissionen her so „gut“ gewesen, dass eine Verschiebung innerhalb der Stoffgruppe nicht aufgefallen sei. Inzwischen bestehe der Verdacht, dass im Ofensystem des Werks mehr Kalk eingebracht wurde, als bewilligt. Grundsätzlich ist das Brennen des verunreinigten Blaukalks laut Kreiger die sauberste Lösung, wenn alle Vorschriften eingehalten werden. Ob das vonseiten des Zementwerkes auch so gemacht wurde, werden die Ergebnisse der Bodenproben zeigen.

Regelmäßige Wasserkontrollen

Regelmäßige Kontrollen auf HCB gibt es sehr wohl beim Trinkwasser. Einmal pro Quartal werde das Wasser im Görtschitztal - etwa aus der Gurk – auch auf HCB untersucht, sagte der Geologe Hartwig Kreiger. Die heutige Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ) stellte 2012 den Bescheid zum Brennen des Blaukalks aus. Auf die Frage, ob das aus heutiger Sicht ein Fehler war, meinte sie zu ORF.at: „Es war nicht zu erwarten, dass es HCB-Rückstände geben wird.“

Wirbel um Holub-Aussage

Für Aufregung sorgte am Freitag auch Umweltlandesrat Rolf Holub (Grüne). Er sagte gegenüber ORF.at, er glaube nicht, dass das Zementwerk als einziges Unternehmen verantwortlich für die Kontaminierung der Milch und Futtermittel sei. Messergebnisse in der näheren Umgebung der Verbrennungsanlage würden kein eindeutiges Bild dafür ergeben. Es sei möglich, so Holub, dass die erhöhten Werte nicht vom Brennen des Blaukalks stammen, sondern dass HCB als landwirtschaftliches Beizmittel eingesetzt wurde. HCB wurde als Beizmittel gegen Pilzbefall bei Getreide eingesetzt - in Österreich wurde es 1991 verboten, zehn Jahre später als in Deutschland.

Dass Landesrat Holub den Bauern die Schuld an dem Giftskandal geben wolle, sei unerhört, reagierte der Präsident der Kärntner Landwirtschaftskammer, Johann Mößler. HCB sei seit 1991 verboten, außerdem würden in einem Grünlandgebiet wie im Görtschitztal wohl kaum Getreidebeizmittel eingesetzt.

Auch aus dem Büro von Agrarlandesrat Christian Benger (ÖVP) kam am Freitagnachmittag Kritik. Im Görtschitztal gebe es zu 95 Prozent Grünlandbetriebe und keinen Ackerbau. Das von Holub angesprochene Beizmittel sei bis zu seinem Verbot nur im Saatgutbereich eingesetzt worden. Die jetzt von HCB betroffenen Betriebe seien außerdem überwiegend seit zehn bis 20 Jahren Biobetriebe, die gerade diesbezüglich streng kontrolliert würden. Die letzten elf Bodenproben seien erst im November gezogen worden, das Prüfergebnis werde in etwa 14 Tagen erwartet.

Sonderprüfung angekündigt

Holub kündigte am Freitag auch eine Sonderumweltinspektion zum HCB-Vorkommen im Görtschitztal an: „Jemand hat einen Fehler gemacht, ein Gesetz ist nicht eingehalten worden, deshalb gibt es Konsequenzen.“ Die Sonderprüfung werde von der Abteilung 7 – Kompetenzzentrum Wirtschaftsrecht und Infrastruktur des Landes Kärnten - durchgeführt.

Geprüft werden alle umweltrelevanten Bereiche der beiden Standorte: Emissionen, interne Berichte, Prüfungen der angewandten Techniken und Einhaltung der Genehmigungen. Ziel sei eine volle Aufklärung, so Holub. Er betonte, dass gegen mögliche Verursacher mit aller Strenge vorzugehen sei.

Sämtliche Messdaten bezüglich Wietersdorfer Zementwerke seit 2010 sollen im Internet veröffentlicht werden. Hier solle völlige Transparenz für die Bevölkerung gelten, so Holub. Weiters werden in den kommenden Monaten an den Kärntner Industriestandorten Umweltschwerpunktprüfungen vollzogen: „Der Schutz der Bevölkerung steht ganz klar im Vordergrund und ist das Allerwichtigste“, sagte Holub.

FPÖ: Kärntens größte Umweltblamage

Kärnten erlebe seine größte Umweltblamage, sagte am Freitag FPÖ-Landesrat Christian Ragger. Eventuell müsse ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden. Für das Brennen von Blaukalk in Wietersdorf seien 30 Millionen Euro aus dem Altenlastenfonds aufgewendet worden - und jetzt bestehe der Verdacht, dass diese für eine nicht ordnungsgemäße Entsorgung geflossen seien. Zu prüfen sei auch die Rolle der damaligen Umweltreferentin und heutigen Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ), in ihrer Ära sei das Brennen des Blaukalks bewilligt worden.

Streitkultur „Giftkrimi“

Zur HCB-Belastung gibt es am Montag, dem 1. Dezember, ab 20.04 Uhr, eine Radio Kärnten Streitkultur. Im Studio sind unter anderen Vertreter aller Parteien und die der Zementwerke.

Die politisch Verantwortlichen für das „Milchgate“ könnten nach umfassender Aufklärung zum Rücktritt gezwungen sein, hieß es am Freitag vom Team Stronach. Seit Monaten sei das HCB-Vorkommen angeblich bekannt, erst spät habe es öffentliche Informationen gegeben. Auch die Rolle der Spitzenbeamten der Landesregierung sei zu hinterfragen.

Links: