Umweltgift: Staatsanwaltschaft ermittelt

Das Umweltgift Hexachlorbenzol (HCB), das in Milch und Futter im Görtschitztal offenbar durch die Verbrennung von Blaukalk der ehemaligen Donau-Chemie-Deponie im Wietersdorfer Zementwerk verbreitet wurde, beschäftigt nun die Staatsanwaltschaft.

In Milch und Futtermitteln von vier Betrieben im Kärntner Görtschitztal wurde das Umweltgift Hexachlorbenzol (HCB) festgestellt. Bei weiteren Betrieben wurde zwar positiv getestet, aber unter dem Grenzwert. Die Milch von 35 Betrieben wird derzeit entsorgt, die Betriebe werden streng kontrolliert. Vorgeschriebene Grenzwerte wurden bei den vier am schlimmsten Betroffenen um das Vierfache überschritten - mehr dazu in Umweltgift in Milch und Futtermitteln. Das Umweltgift dürfte über Luftemissionen auf die Weiden und damit in die Milch gekommen sein.

Fehler bei Verbrennung?

Nach letzten Informationen könnte ein Fehler bei der Verbrennung Ursache für die Emissionen gewesen sein. Es gibt Hinweise, wonach der Blaukalk bei geringerer Temperatur und in zu großen Mengen verbrannt wurde. Messungen werden noch ausgewertet. Blaukalk verbrenne demnach bei 800 bis 1.100 Grad rückstandsfrei, hier dürfte es mit 450 Grad verbrannt worden sein. Laut Greenpeace hätte die Behörde zumindest monatlich eine Abgasmessung durchführen müssen. Umweltlandesrat Rolf Holub (Grüne) sagte, sein Vorgänger habe darauf verzichtet, weil im Probebetrieb keine chlororganischen Substanzen gemessen wurden.

„Pink Disease“

Hexachlorbenzol ist ein farbloses, kristallines Pulver. Die aromatische Verbindung wird durch Chlorieren von Benzol in Gegenwart von Katalysatoren bei über 230 Celsius hergestellt. Viele Jahre vor dem Verbot in Ostanatolien in der Türkei wurden rund 4.000 schwere Erkrankungen (Porphyria cutanea tarda, PCT) durch den Konsum von Brot, das aus gebeiztem Saatgut hergestellt worden war, registriert. Bei der „Pink Disease“ wurden zunächst Hautschäden bemerkt, bei den Patienten entwickelten sich dann Abszesse, schwere Lungen- und Leberprobleme sowie Blutbildveränderungen. Bei Kleinkindern mit schweren Vergiftungen verliefen mehr als 90 Prozent der Erkrankungen tödlich.

Ermittlungen gegen Unbekannt

Am Donnerstagnachmittag wurde auch die Justiz in der Sache aktiv. „Ein Anlassbericht ist unterwegs. Spätestens morgen wird von uns ein Ermittlungsauftrag ergehen“, sagte Staatsanwaltschaftssprecher Markus Kitz auf APA-Anfrage. Ermittelt werde vorerst gegen unbekannte Täter.

„Belastung war uns nicht bekannt“

Am Donnerstag wandten sich die Wietersdorfer Zementwerke mit dem Standort Klein St. Paul in einer Aussendung an die Öffentlichkeit. Darin heißt es, ein vom Land genehmigtes Entsorgungsprojekt von Blaukalk, das seit Juli 2012 laufe, könnte die Ursache des HCB-Vorkommens sein.

„Die Unternehmensleitung der w&p Zement GmbH geht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, dass Blaukalk der HCB-Verursacher ist", heißt es wörtlich. Der Blaukalk stammt aus der Deponie eines Werks der Donau Chemie in Brückl, 2011 wurde die Öffentlichkeit über die Verwertung informiert. „Dass HCB eine Belastung im Blaukalk ist, war weder uns noch den Behörden bekannt“, so Werksleiter Berndt Schaflechner.

Wietersdorfer Werke Brückl Görtschitztal

ORF

Wietersdorfer Zementwerke

Donau Chemie: Anbieter wussten Bescheid

Die Donau Chemie meldete sich am Donnerstagnachmittag dazu in einer Aussendung zu Wort. Darin heißt es, die Deponie Brückl werde seit Ende 2011 geräumt. Bis 1992 wurde dort HCB hergestellt. Es gab genaue Untersuchungen, die sechs Jahre lang dauerten. Das Material bestehe zu 80 Prozent aus Blaukalk, der mit diversen Lösungsmitteln verunreinigt sei, so die Donau Chemie.

Von der Forschungsgesellschaft Technischer Umweltschutz GmbH (FTU) wurde festgesetllt, dass der Blaukalk im Zementofen ohne Umweltbelastung verwertet werden könne. Wörtlich heißt es: „Die Anbieter waren von Anfang an über die genaue Zusammensetzung des Blaukalks informiert und mussten diese Tatsachen und die Auflage, dass die Verwertung ohne jegliche Umweltbelastung zu erfolgen hat, in den Angeboten berücksichtigen.“

Umweltlandesrat Holub bestätigte in einem Telefonat mit ORF.at, dass es im Probebetrieb keine Probleme gegeben hat. Ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die Wietersdorfer Zementwerke wurde eingeleitet.

Erste Messungen im Oktober

Von der HCB-Kontamination habe man laut Wietersdorfer im Oktober erfahren, von Anrainern sei man informiert worden, dass aufgrund angeblicher Schadstoffe in Rohmilch entsprechende Untersuchungen laufen würden. Noch am selben Tag habe man mit dem Land Kontakt aufgenommen. In Abstimmung mit dem Land seien am 18. Oktober von der Technischen Universität Wien Messungen durchgeführt worden. Weiters wurde veranlasst, dass umfangreiche Proben von mehr als 200 Futter- und Lebensmitteln von einem unabhängigen Labor analysiert wurden. Die Tests bei Salat und Gemüse hätten keine Hinweise auf eine Luftverunreinigung im näheren Umfeld gezeigt, so Wietersdorfer.

Blaukalkverbrennung am 7. November eingestellt

Am 6. November habe man dann die Messergebnisse erhalten, die HCB-Emissionen bestätigt hätten. Bereits am 7. November sei die Einbringung von Blaukalk in den Zementofen eingestellt worden, so Werksleiter Schaflechner. Nach Information der zuständigen Behörde habe es zu keinem Zeitpunkt eine gesundheitliche Gefährdung gegeben.

Es seien auch keine belasteten Milch- oder andere agrarische Produkte in Verkehr gebracht worden. Die TU sei mit einer zweiten Messung beauftragt worden, das endgültige Ergebnis soll in zwei Wochen vorliegen. Die Öffentlichkeit habe man erst jetzt informiert, da laut Gesundheitsbehörde zu keinem Zeitpunkt eine Gesundheitsgefährdung für die Görtschitztaler Bevölkerung bestanden habe, sagte der Werksleiter von Wietersdorfer weiter..

Greenpeace: HCB-Belastung seit zehn Jahren bekannt

Die Umweltorganisation Greenpeace geht noch einen Schritt weiter. Die HCB-Belastung in Brückl sei seit zehn Jahren bekannt, hieß es am Donnerstag in einer Aussendung. Die Hexachlorbenzol-Belastung im Brückler Blaukalk sei seit 2004 im beim Umweltbundesamt öffentlich aufliegenden Altlastenatlas dokumentiert.

Die Zementwerke hätten sich im Frühling 2011 um die Verwertung des Blaukalks von der Donau Chemie beworben. Aus den Ausschreibungsunterlagen gehe eindeutig hervor, dass der Kalk auch HCB aufweise. „Es kann nicht sein, dass das Zementwerk jetzt so tut, als ob es von der HCB-Belastung überrascht worden wäre“, kritisierte Greenpeace-Sprecher Herwig Schuster die Werksleitung. Nicht nachvollziehbar ist für Greenpeace auch, warum die Emissionen nicht früher entdeckt wurden, es stelle sich die Frage, ob die Kärntner Behörden ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen seien - mehr dazu in Görtschitztal: Tests waren mangelhaft (oe1.ORF.at).

Erster Alarm bereits im Frühjahr

Die Molkerei Sonnenalm war es, die im Frühjahr Alarm schlug und die Landesbehörden verständigte. In Futterproben sei damals eine geringe Menge des Gifts aufgetreten, sagte Geschäftsführer Hannes Zechner am Donnerstag. Zuerst sei man von Altlasten ausgegangen. Erst im Sommer seien die HCP-Werte wieder gestiegen, aber noch immer weit unter dem Grenzwert gelegen: „Dann haben wir nicht mehr an Altlasten geglaubt, mittlerweile war auch die Umweltbehörde aktiv.“ In Messungen sei dann festgestellt worden, dass es sich um Industrieemissionen handle. Alle 15 Betriebe, die Sonnenalm beliefern, mussten ihre Futtervorräte vernichten.

Belastete Milch sei aber nie verarbeitet worden. Das betonte am Donnerstag auch die Molkerei Sonnenalm, die zahlreiche Kärntner Schulen mit ihren Produkten beliefert. Jene Höfe, bei denen zu viel HCB in der Milch gemessen wurde, hätten Sonnenalm niemals beliefert, sagte Geschäftsführer Zechner: „Unsere Betriebe sind alle sauber.“

Auch die Kärntner Milch betonte in einer Aussendung, dass die betroffenen Höfe keine Lieferanten der Kärntner Milch waren. Kontrollen werden laufend durchgeführt, die Produkte seien frei von chemischen Rückständen, so die Kärntner Milch.

Bauern fordern Entschädigung

Dass die Bauern fast ihre gesamten Futtervorräte für den Winter vernichten mussten, sei natürlich katastrophal, sagte ein Bauernvertreter am Donnerstag. Deswegen werde mit den Zementwerken bereits über eine Entschädigung verhandelt. Die Werksleitung signalisierte Bereitschaft zu Schadenersatz.

Suche nach politisch Verantwortlichen

Die Untersuchungen des Landes laufen jedenfalls weiter. Zu klären wird wohl auch sein, warum die Öffentlichkeit erst jetzt über die Belastung informiert wurde. Agrarlandesrat Christian Benger (ÖVP) hatte am Mittwoch gesagt, bereits seit April sei bekannt, dass es eine Belastung im Görtschitztal gebe. Allerdings seien die Grenzwerte am Dienstag erstmals überschritten worden. Umweltlandesrat Rolf Holub (Grüne) hatte gesagt, er wisse erst seit wenigen Wochen von möglichen Belastungen.

Diese Fragen will auch Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) geklärt haben. Er selbst habe erst am Mittwoch von der HCB-Belastung erfahren. Er habe nun die Landesamtsdirektion beauftragt, für volle Aufklärung zu sorgen. Die entsprechenden Abteilungen müssten umgehend „unmissverständliche Berichte“ vorlegen - mehr dazu in Umweltgift sorgt für Politwirbel.

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