„Euthanasie“-Morde werden aufgearbeitet

In Kärnten wurden zwischen 1939 und 1945 geschätzte 1.500 Menschen im Rahmen der sogenannten „Euthanasie“ ermordet. An der Med-Uni Graz, am Institut für Sozialmedizin, werden nun die individuellen Opfergeschichten erforscht.

Die Opfer waren meist behindert oder psychisch leidend, manchmal auch nur alt und gebrechlich, schildert der Grazer Sozialmediziner Wolfgang Freidl. Er wird das Projekt mit seinem Team durchführen. Der Kärntner Sozial- und Kulturwissenschafter Helge Stromberger legte schon vor einem Jahrzehnt eine erste Publikation zu „Die Ärzte, die Schwestern, die SS und der Tod. Kärnten und das produzierte Sterben im NS-Staat“ im Klagenfurter Drava Verlag vor.

Der Begriff Euthanasie

Euthanasie besteht aus den griechischen Ausdrücken von „schön“ und „Tod“. In der NS-Zeit wurden grausame Morde unter dem Vorwand der „Rassenhygiene“ mit diesem Ausdruck verbrämt und quasi vorgetäuscht, man würde den betroffenen Menschen einen Gefallen tun und sie von ihrem Leiden erlösen.

Vom Krankenhaus in Tötungsanstalten

Demnach wurden zwischen Juni 1940 bis Sommer 1941 mehr als 700 Menschen vom „Kärntner Gaukrankenhaus“ in Klagenfurt im Rahmen der sogenannten Aktion „T4“ in vier Bahntransporten in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz geschickt und umgebracht. Der Großteil von ihnen stammte aus der psychiatrischen Abteilung, rund 100 aus dem „Siechenhaus“ als Teil der geriatrischen Abteilung, sowie anderen Einrichtungen der Kärntner Armen-, Alten-und Behindertenhilfe.

Der ab 1942 einsetzenden „wilden Euthanasie“ seien nochmals an die 700 Personen zum Opfer gefallen, erläuterte Freidl am Dienstag im Gespräch mit der Austria Presse Agentur. Die Menschen wurden u.a. durch Medikamente oder durch Nahrungsreduktion ermordet. Diese Tötungen wurden bis April 1945 fortgesetzt.

Geschichten ein Gesicht geben

„Wir möchten in Kooperation mit dem Kärntner Landesarchiv und Helge Stromberger den unzähligen Opfern von damals wieder ein Gesicht geben“, schilderte Freidl eine Zielsetzung des auf zwei Jahre anberaumten Forschungsprojektes, das von der Österreichischen Nationalbank unterstützt wird. Ähnliches hat der Grazer Sozialmediziner und seine Mitarbeiter schon in einem Forschungsprojekt NS-Euthanasie in der Steiermark und hier v.a. im sogenannten „Feldhof“ in Graz für 1.500 Opfer - darunter mehr als 200 Kinder - unternommen.

Verwicklung der Amtsärzte aufarbeiten

Daneben wollen die Forscher aber auch anhand der im Kärntner Landesarchiv aufbewahrten Krankenakten sowie im Berliner Bundesarchiv herausfinden, „inwieweit die Amtsärzte und das NS-Gesundheitssystem insgesamt bei der Einweisung von behinderten und psychisch erkrankten Menschen in die Anstalten involviert war“. Und nicht zuletzt wolle man anhand einiger Fallbeispiele die „Emotionssoziologie“ der Pflegerinnen und Pfleger, die in dem System mitgespielt hätten, klären. Die Datenlage sei auf alle Fälle gut: „Es ist vieles vorhanden - von den Prozessakten bis hin zu den Patientenakten“, so Freidl.

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