Josef Winkler-Buch zu Karl Mays „Winnetou“
Mitte der 60er Jahre kamen die Karl-May-Filme in der österreichischen Provinz in die Kinos. Mit diesem Satz beginnt Josef Winklers Buch „Winnetou, Abel und ich“, das einen Einblick in seine Kindheit im kärntnerischen Kamering gewährt. „Winnetou I“ mit Lex Barker und Pierre Brice war der erste Kinofilm, den der junge Josef Winkler in seinem Leben sah. Ein Erlebnis, das der Büchner-Preisträger nie vergaß. "Über die Karl May Filme bin ich darauf gekommen, dass es auch die Bücher gibt, von denen ich viele gelesen habe.“
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Geld für Karl May-Bücher von Eltern gestohlen
Geld, um Bücher zu kaufen, bekam der Autor in jungen Jahren keines - also sah er sich gezwungen, die nötige Barschaft sowohl von seiner Mutter, als auch von seinem Vater zu stehlen. Dennoch wurde die berufliche Laufbahn des Autors eigenen Angaben zufolge durch diese Zeit verstärkt geprägt: „Ohne die Bücher meiner Kindheit glaube ich nicht, dass ich heute als Schriftsteller arbeiten würde“. Karl May und vor allem die Figur des edlen Indianerhäuptlings Winnetou waren für Josef Winkler von entscheidender Bedeutung, nicht nur als Fluchtmöglichkeit aus der Langweile und Enge des Dorflebens, sondern auch als Schule des Lebens. Über tausende Seiten gehe es um Anstand, Würde, Menschlichkeit und Gerechtigkeit.
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Vor zwei Jahren, rund um den 100. Todestag Karl Mays, begann Josef Winkler, die Bücher seiner Kindheit nochmals zu lesen: "Von der Sprache und auch von der Ungenauigkeit hat es mich schon zum Teil enttäuscht, das habe ich als Kind nicht so wahrgenommen.“ Trotzdem findet es der Schriftsteller schade, dass Karl May bei der heutigen Jugend so gut wie vergessen ist.
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Homoerotische Motive in Volksausgabe entfernt
In „Winnetou, Abel und ich“ sind auch zahlreiche Bilder zu sehen, die der deutsche Maler Sascha Schneider für die Bücher Karl Mays schuf. Um 1905 entstand zum Beispiel ein Umschlagbild, das Winnetou verführerisch nackt und mit offenen langen Haaren zeigt. Schneider war homosexuell und thematisierte das auch ganz offen in seinen Arbeiten. Sascha Schneider und Karl May kannten sich gut. Josef Winkler: „Es war ja bekannt, dass es zwischen Schneider und May eine homosexuelle Beziehung gab und dass beide zumindest phasenweise homosexuell waren.“
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Sendungshinweis:
„Radio Kärnten - Servus, Srečno, Ciao“, 20.8.14
Erkennbar ist diese Homosexualität in latenter Form auch in Mays Büchern: In der Erstausgabe von Winnetou II etwa verabschiedet sich Winnetou von Old Shatterhand mit einem Kuss auf die Wange. In der Volksausgabe, die auch Josef Winkler als Kind las, geben sich die beiden nur noch die Hand. Der Autor geht deshalb davon aus, dass die auch für ihn als Heranwachsenden spürbare, homoerotische Tendenz, in manchen Texten bewusst retuschiert wurde.
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Josef Winklers neues Buch „Winnetou, Abel und ich“ ist im Suhrkamp Verlag erschienen. Eine weitere literarische Beschäftigung mit Karl May und den wichtigen Texten seiner Kindheit schließt der Autor aber für sich aus.