Hunderte Sternenkinder jedes Jahr

Anders als noch vor 20 Jahren können sich Eltern, deren Kind tot zur Welt gekommen ist, heute in den Krankenhäusern von ihren „Sternenkindern“ verabschieden. Jährlich müssen allein in Kärnten hunderte Mütter und Väter mit solch einem traurigen Ereignis fertig werden.

Der Tod eines Kindes ist für Eltern die wohl schmerzhafteste Erfahrung, die es gibt. Auch dann, wenn das Kind noch während der Schwangerschaft oder bei der Geburt stirbt. Früher wurde dazu angeraten, dieses traurige Ereignis zu verdrängen. Sich ihr Kind anzusehen wurde Frauen abgeraten, um kein Trauma auszulösen.

KH St. Veit: Abschiedsfeier für Sternenkinder

Auch Pastoralassistentin Martha Weißböck machte diese Erfahrung, als sie während der Geburt vom Tod ihres Kindes erfuhr. Weißböck: „Da weiß ich noch, wie wir im Krankenhaus auf und ab gegangen sind. Und ich habe gewusst, dass ich das Kind auf die Welt bringen will. Ich wusste, ich will mein Kind taufen, mit ihm beten, ich will es sehen und ich will mich verabschieden können. Und als ich das der Ärztin sagte, war die entsetzt. Das war das erste Mal, wo ich wirklich aggressiv geworden bin, weil ich das Gefühl hatte, die wollen mir mein Kind nehmen.“

Heute leitet Martha Weißböck die Abschiedsfeier für Sternenkinder, die zwei Mal im Jahr am Friedhof in St. Veit stattfindet und vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder organisiert wird. Krankenhäuser wie jenes in St. Veit geben der Mutter den Mutter-Kind-Pass samt einem Fußabdruck oder einer Haarlocke und einem Foto mit, falls man sich das Kind zuerst nicht ansehen konnte.

Berühren und Verabschieden ist sehr wichtig

Um einen solchen Schicksalsschlag zu bewältigen, sei es für die Eltern notwendig, ihr totes Kind kennenlernen zu dürfen, weiß die dort tätige Gynäkologie-Krankenschwester Bettina Steindorfer: „In diesem Trauerprozess ist das Sehen, das Berühren, das Verabschieden ganz wichtig für die Verarbeitung.“

Allein im Krankenhaus St. Veit gab es im letzten Jahr 80 sogenannte stille Geburten, im LKH Villach waren es 130, in Klagenfurt 48 dokumentierte Fälle. Für totgeborene Kinder über 500 Gramm besteht eine Bestattungspflicht, aber auch vor der 24 Schwangerschaftswoche geborene Kinder können im Familien- oder einem Gemeinschaftsgrab bestattet werden.

Selbsthilfegruppe: Thema nicht totschweigen

Claudia Possautz leitet in Eberndorf ein Bestattungsunternehmen und hat eine Selbsthilfegruppe gegründet. „Trost gibt in erster Linie, dass man sieht, dass man nicht alleine ist, dass das Thema nicht mehr totgeschwiegen wird, dass man es thematisieren darf und kann. Wichtig ist, dass man dem Sternenkind einen Namen gibt. Freilich kann die Verwandtschaft oder die Öffentlichkeit mit dem Thema noch nicht so gut umgehen und deswegen ist es wichtig, eine Verabschiedung der ein Ritual einzuführen, damit die Öffentlichkeit sieht dass da ein Kind mit eigener Persönlichkeit war“, sagte Possautz.

Wenn ein Kind tot geboren wird, bekommt es offiziell einen Vornamen, der auf der Urkunde für die Totgeburt eingetragen wird. Wiegt ein Kind weniger als 500 Gramm, wird es als Fehlgeburt bezeichnet und bekommt offiziell keinen Namen und es gibt auch keine Beurkundung durch das Standesamt. Um die Existenz der Sternenkinder in der Gesellschaft sichtbar zu machen, gibt es eine österreichweite Petition: Auch tote Babys unter 500 Gramm sollen in das Sterberegister eingetragen werden dürfen.

Totgeburt: auch Krise für Partnerschaft

Nach einer Tot- oder Fehlgeburt geraten laut Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend statistisch gesehen 80 Prozent aller Partnerschaften in eine ernsthafte Krise. Auch Geschwisterkinder sollten unbedingt in die Trauer miteinbezogen werden, weil Kinder einen „natürlichen Zugang“ zum Tod und das Bedürfnis haben, sich zu verabschieden.

In Obermühlbach in der Gemeinde Frauenstein gibt es eine Gedenkstätte für nicht ins Leben geborene Kinder, ebenso am Zentralfriedhof in Villach. Jeweils am 2. Sonntag im Dezember findet um 19.00 Uhr das „Worldwide Candle Lightning“ statt. Dabei zünden Menschen eine Kerze für verstorbene Kinder an.

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