Hypo-Urteile: Wirbel im OGH

Für gehörigen Wirbel und interne Aufregung im Obersten Gerichtshof sorgt ein Urteil des OGH in der Causa Hypo. Die obersten Richter bestätigten das Urteil gegen Günter Striedinger, der seit 1. Oktober in Haft ist. Strafrechtsexperten bezeichnen das OGH-Urteil als Fehlurteil.

Es stellt sich die Frage, ob in dem OGH-Urteil eine Unwahrheit behauptet wurde und außerdem, ob der Richtersenat am obersten Gerichtshof möglicherweise befangen war. Jetzt beschäftigt sich die OGH-Dienstaufsicht mit dem Fall und voraussichtlich bald auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Richterin war OGH zugeteilt

Seit 1. Oktober sitzt Ex-Hypo-Vorstand Günter Striedinger in Haft - mehr dazu in Schon zwei Ex-Hypo-Vorstände in Haft. Basis sind das Urteil einer Kärntner Richterin in der Causa Vorzugsaktien und die Entscheidung eines Richtersenats des OGH, der ihr Urteil bestätigte. Das Pikante: Als der Richtersenat das Urteil verkündete, war die Kärntner Richterin genau diesem OGH-Senat als Fortzubildende zugeteilt. Striedinger-Anwalt Norbert Wess spricht von einer unschönen Optik.

Beim OGH wird betont, die Richterin sei mit dem Höchst-Urteil in keiner Weise befasst gewesen, auch nicht informell. Aber in einer vom Magazin Format veröffentlichten OGH-Stellungnahme heißt es: "Aufgrund der von ihnen als solche empfundenen „schiefen Optik", wird der OGH vorsehen, dass eine Richterin nicht mehr einem Senat zugeteilt wird, der eines ihrer Urteile zu überprüfen hat.“

Gutachter werden von Staatsanwälten ausgesucht

Noch gravierender ist ein zweiter inhaltlicher Aspekt. Es geht darum, ob die österreichische Strafprozessordnung menschenrechtswidrig ist, weil seit 2008 die Gerichtsgutachter nicht mehr von Richtern ausgewählt werden sondern von den Staatsanwälten, also den Anklägern. Sogar der Präsident des obersten Gerichtshofs vermutet, dass dadurch die Verfahren nicht fair sein könnten, wie er mehrfach öffentlich zum Ausdruck gebracht hat.

Diese Frage war auch Thema im Kärntner Hypo-Verfahren, im Protokoll heißt es: „Der Verteidiger beantragt die Ablehnung des Sachverständigen, weil er durch die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zugezogen wurde.“ Doch im OGH-Urteil wird beinahe so getan, als wäre dieses Problem in Kärnten nicht thematisiert worden. Experten sprechen von Spitzfindigkeit und Wortklauberei des OGH-Senats, weil es in seinem Urteil heißt: „Die Antragsteller hatten keineswegs Befangenheit des vom Gericht bestellten Sachverständigen mit der Begründung geltend gemacht, dass er bereits im Ermittlungsverfahren tätig war.“

Anwalt brachte Beschwerde ein

Striedinger Anwalt Wess sagte, er sei gefragt worden, ob eine Aktenverwechslung vorgelegen haben könnte. Laut Format spricht der Strafrechtsprofessor Peter Lewisch von einem Fehlurteil. Strafrechtler Helmut Fuchs meint gegenüber Ö1, der OGH schwindle sich darüber hinweg, dass er eigentlich den Verfassungsgerichtshof hätte fragen müssen, ob die Strafprozessordnung menschenrechtskonform ist.

Stattdessen brachte Anwalt Wess nun Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein. Beim OGH scheinen sich manche darüber sogar zu freuen - so kritisch wird die Hypo-Entscheidung intern gesehen. Auch die OGH-Dienstaufsicht prüft, welche Konsequenzen das haben könnte, wollte am Freitag niemand sagen.