Buch: „Das Gailtal unterm Hakenkreuz“

Die beiden Hermagorer Daniel Jamritsch und Bernhard Gitschtaler haben sich mit der Geschichte des Gailtals während der Nazi-Zeit beschäftigt und mit dem Buch „Das Gailtal unterm Hakenkreuz“ einen wichtigen Beitrag zur NS-Aufarbeitung geleistet.

Der Publizistikstudent Daniel Jamritsch im Gespräch mit kaernten.ORF.at über die Idee zum Buchprojekt: „Es hat in Kärnten in den letzten Jahren sehr viele positive Entwicklungen in der Erinnerungskultur gegeben, es sind einige Denkmäler für die Opfer des Nationalsozialismus errichtet worden. Das hat den Anstoß für weitere Recherchen gegeben. Es hat die Idee gegeben, so ein Denkmal auch in Hermagor für die Opfer der NS-Zeit entstehen zu lassen. Wir haben recherchiert und Unmengen von Material zusammengetragen. Daraus entstand dann das Buch.“

Gailtal unterm Hakenkreuz

KK

Sendungshinweis:

Servus, Srečno, Ciao, 24.9.2013

Wenig geordnetes Material vorhanden

Es habe wenig Material über das Gailtal in der NS-Zeit gegeben, so Jamritsch. „In einzelnen Dorfchroniken finden sich ein paar Seiten, aber eine echte Aufarbeitung fand bisher nicht statt.“ Das Buch beleuchtet den Zeitraum vom Anschluss bis Kriegsende, 1938 bis 1945. Die Wurzeln des deutschen Nationalismus reichen aber schon weiter zurück, bis in die Zeit des Abwehrkampfes 1918 bis zur Volksabstimmung 1920. Misstrauen und sogar Hass gegen die slowenische Volksgruppe im Gailtal führte viele Menschen im Gailtal in die Arme der Nazi-Ideologie. Rund 200 Gailtaler waren beim Abwehrkampf dabei, ihre „Verdienste“ führten in Folge zur Stadterhebung von Hermagor. Die große Feier zu diesem Anlass verankerte in der Bevölkerung das Gefühl, das Deutschtum sei etwas Freudiges, Positives. Dabei wurde der Boden für den Nationalismus bereitet.

Propaganda schon vor 1938

Bereits vor 1938 gab es mit dem Ratsherren im Hermagorer Stadtparlament, Karl Fritz, einen umtriebigen Deutschnationalisten. Er publizierte seine Artikel in NS-Zeitschriften wie dem „Heimatkreis“. Damit arbeitete auch er an der geistigen Vorbereitung für den Anschluss, so Jamritsch. Schon damals propagierte Fritz die Erweiterung des deutschen Reiches in den Osten.

Im Juli 1934 kam es im Gailtal zu einem Putschversuch von Nationalsozialisten, die Sprengstoffanschläge verübten und Attentate planten. Hakenkreuze wurden auf öffentliche Gebäude und Felswände gemalt. Der Putsch wurde aber niedergeschlagen, viele Agitatoren flüchteten nach Deutschland und kehrten nach dem Anschluss 1938 als „Helden“ zurück ins Gailtal.

Zeitzeuge Bruno Kreisky

Bruno Kreisky beschrieb in seiner Autobiographie die Situation der frühen Nazis im Gailtal. Als Mitglied der revolutionären Sozialisten wurde Kreisky damals das Studium in Wien verboten und er arbeitete rund ein halbes Jahr in einer Fabrik im Gailtal, bis er weiterstudieren durfte. Das Gailtal war, wie viele Regionen in Kärnten, bäuerlich geprägt. Doch die Gailtaler hatten im Ersten Weltkrieg die Front auf dem Plöckenpass praktisch vor der Haustür. So hielt sich die Kriegsbegeisterung unter der Zivilbevölkerung in Grenzen, im Gegensatz zu den kriegs-euphorischen NS-Funktionären.

Schwierige Lage der Slowenen

Die Situation der Kärntner Slowenen im Gailtal war schwierig, so Jamritsch. Bei der Abstimmung über den Anschluss im April 1938 wurden sie noch hofiert. Bei der Volkszählung 1939 deklarierten sich viele Slowenen als Windische oder Deutschkärntner. Mit dem Angriff des Deutschen Reichs auf Jugoslawien wurde ihre Situation zunehmend prekär - 1942 kam es zu Deportationen. Deportiert wurden vor allem jene, die bei der Volkszählung zu ihren slowenischen Wurzeln gestanden waren. Einige Bauernhöfe slowenischer Familien gingen in den Besitz Deutschkärntner Familien über.

Der Krieg sorgte auch im Gailtal zu einem Männermangel, der durch Zwangsarbeiter aus dem Osten und Kriegsgefangenen ausgeglichen werden sollte. Manche slowenischen Familien freundeten sich mit Russen oder Polen verbotenerweise an, auch wegen der leichteren sprachlichen Verständigung. Dies schürte zudem die Abneigung der restlichen Bevölkerung.

Schüttpartisanen befreiten Zwangsarbeiter

Es gab auch Widerstand im Gailtal, sagte Jamritsch und nannte die Schüttpartisanen, benannt nach dem großen Felssturzgebiet am Dobratsch, der Schütt. Sie führten in den letzten Kriegsmonaten einen Guerillakrieg gegen die NS, überfielen Wachposten und stahlen deren Waffen. Sie retteten aber auch Zwangsarbeiter der Bleiberger Bergwerksunion (BBU) und schleusten sie zu den jugoslawischen Partisanen.

Frühere Rechercheprojekte wurden oft durch Alt-Nazis behindert, so Daniel Jamritsch. Es war ein Tabuthema, das aber langsam aufbreche. Es gab von öffentlichen Stellen viel Unterstützung für den Verein Erinnern-Gailtal, gefördert wurde das Projekt vom Zukunftsfonds, der Österreichischen Hochschülerschaft und der Gemeinde Hermagor. Das Vorwort schrieb Peter Gstettner vom Verein Erinnern. Im Verein Erinnern-Gailtal wird bereits an einem zweiten Buch zu Widerstand und Verfolgung im Gailtal gearbeitet. Ziel ist es, in der Bezirkshauptstadt Hermagor ein Denkmal zu errichten, so Jamritsch. Außerdem betreut Jamritsch das Projekt „Gailtaler Zeitbilder“. Jeden Tag wird auf einer Facebookseite ein altes Bild des Gailtals veröffentlicht und beschrieben, vor allem aus der Zeit des 19. Jahrhunderts bis ca. 1950. Auch daraus soll ein Buch entstehen, diesmal ein Bildband.

Petra Haas/kaernten.ORF.at

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