TDDL: Zwei Favoriten am ersten Lesetag

Am Donnerstag, dem ersten Lesetag der 37. Tage der deutschsprachigen Literatur, stachen zwei Texte besonders hervor: am Nachmittag jener von Verena Güntner, am Vormittag jener von Joachim Meyerhoff.

Am Nachmittag las als Erste die Deutsche Verena Güntner. Sie wurde von Paul Jandl eingeladen und stellte einen Auszug aus ihrem Roman „Es bringen“ vor. Die Rollenprosa über einen 16-Jährigen aus dem Plattenbau nahm die Jury zu großen Teilen für sich ein.

Die Autorin habe bei der Erzählung „den Ton gehalten“ und nichts Erklärendes hinzugefügt, lobte Hubert Winkels und meinte: „Großartig“. Auch Hildegard Keller zeigte sich sehr angetan, man reise mit dem 16-Jährigen durch einen kleinen Kosmos. Auch Meike Feßmann war voll des Lobes, ebenso Daniela Strigl. Paul Jandl stimmte in die Lobeshymnen ein. Burkhard Spinnen meinte, der Text sei handwerklich großartig gelungen, doch das allein mache noch keine Kunst, da fehle ihm doch noch etwas - mehr dazu in Diskussion Verena Güntner.

Verena Güntner

ORF/Johannes Puch

Verena Güntner bei ihrer Lesung am ersten Wettbewerbsnachmittag

„Falunrot“ fiel bei Jury durch

Danach folgte der Vortrag von Anousch Mueller. Die Autorin wurde von Feßmann zum Wettlesen um den Bachmann-Preis eingeladen und präsentierte ihren Text „Falunrot“, in dem es um eine Reise nach Schweden als Abschiedstournee für eine krankmachende Beziehung geht. Die Protagonistin leidet an Angststörungen, empfindet Landschaft als „Attentat“, unterwegs wird sie krank. Ihr Mann bemüht sich um sie, das nimmt sie auch anerkennend zur Kenntnis, gegen Ende setzt sie aber doch ihren Beschluss in die Tat um, ihm zu sagen, dass die Beziehung zu Ende ist, weil sie ihn nicht mehr liebe - mehr dazu in Diskussion Mueller.

Ganz einig wurde sich die Jury beim letzten Text des Tages nicht. Winkels war eher wenig begeistert, Jandl konstatierte, es handle sich um eine Trennung „aus eh üblichen Gründen“. Feßmann, die Mueller nominiert hatte, verteidigte „ihre“ Autorin, die Geschichte sei ausgezeichnet gemacht und gar nicht banal. Spinnen sah einen außerordentlich souverän gemachten Text, in dem ein ganz hoher Ton angeschlagen werde. Zwischen dieser Souveränität und der Ausgeliefertheit der Hauptfigur tue sich aber ein Spalt auf, ihm fehle das Authentische. Keller wiederum konnte das Lob des „Souveränen“ nicht nachvollziehen, Kritik kam auch von Strigl. Juri Steiner wollte nicht beurteilen, ob der Text gelungen sei.

Anousch Mueller

ORF/Johannes Puch

Die Lesung von Anousch Mueller bildete den Abschluss des ersten Lesetages

Damit ging der erste Lesetag - mit einiger Verspätung - zu Ende. Der neue Moderator Christian Ankowitsch hatte am Vormittag zugelassen, dass die Juroren die Diskussionszeiten kräftig überzogen, wodurch sich die Beginnzeiten deutlich verschoben.

Spannender Lesevormittag

Den Auftakt im Lesereigen hatte am Donnerstag Larissa Boehning gemacht. Sie wurde von Feßmann zur Lesung beim Bachmann-Preis 2013 eingeladen und las einen Auszug aus dem Roman „Zucker“. Der Text handelt von einer Zweierbeziehung unter dem Schatten einer tödlichen Erkrankung.

Larissa Boehning

ORF/Johannes Puch

Larissa Boehning wartet gespannt auf das Urteil der Jury

Winkels lobte die Eröffnung als präzise, gut umrissen, klar und deutlich, fesselnd - mehr dazu in Diskussion Boehning.

Videos „on demand“:

  • Die ausführliche Analyse der Juroren zu den einzelnen Texten, sowie die Autorenporträts und die Videos der Lesungen und Diskussionen finden Sie unter bachmannpreis.eu.
  • Auch das Video des Eröffnungsabends finden Sie on demand unter bachmannpreis.eu

Strigl kritisierte die klare Rollenverteilung in dem Text als nicht gelungen. Für Feßmann war die Geschichte der Autorin verstörend, da sie mit den Gefühlen der Leser spiele. Hildegard Elisabeth Keller fühlte sich vom Text nicht „angesprungen“, für sie blieben keine Geheimnisse.

Jandl sagte, die Ambivalenz des Textes öffne das Feld weit, die Grenzen zur Einbildung seien verschwommen. Andererseits erkläre der Text zu viel, was in Schwebe bleiben könnte, werde doch noch erklärt und vertieft. Das nehme dem Text das Geheimnis, urteilte Jandl. Steiner meinte, der Text schleiche sich an, wenn man ihn mehrfach lese. Er mache ihn ein bisschen paranoid, so Steiner.

Joachim Meyerhoff

ORF/Johannes Puch

Joachim Meyerhoff nach der Präsentation seines Textes „Ich brauche das Buch“. Der in Homburg geborene und in Wien wohnhafte Autor folgte der Einladung von Jurorin Hildegard Elisabeth Keller

Meyerhoff überzeugte Juroren

Nach Boehning las der erste Österreicher im heurigen Bewerb, Burgschauspieler Joachim Meyerhoff, aus seinem Text „Ich brauche das Buch“. Die Jury war begeistert - auch vom Vortrag des Autors, der im Zweitberuf Schauspieler ist. Das sei ein Klagenfurter „Profitext“, der - eloquent vorgetragen - eine „Coming-of-Age-Geschichte“ erzähle, lobte Feßmann. Winkels dankte dem Autor für die „rasant vorgetragene“ „rasante“ Geschichte - mehr dazu in Diskussion Meyerhoff.

Jandl versuchte die Rasanz des Textes in ein anderes Medium zu übersetzen, er sprach von einem „expressionistischen Großformat“ mit „knallenden Farben“, um so die Schwächen des Textes aufzuzeigen. „Ein Schelmenstück“, womöglich aus eigenem Erlebnis, mutmaßte Strigl, das sie an einen „Comic“ erinnert habe. Neo-Juror Steiner meinte, er habe den Text ganz schwarz gelesen, nicht ironisch. Das sei eine „performative Lektüre“ mit Steigerungen.

Nadine Kegele

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Nadine Kegele ging als zweite Österreicherin an den Start

Kegele sorgte für Rätselraten

Die Österreicherin Nadine Kegele, die von Juror Spinnen nach Klagenfurt geholt wurde, beschloss den ersten Lesevormittag mit einem Auszug aus ihrem Roman „Scherben schlucken“. Darin geht es um Frauenfreundschaften, unglückliche Lebenskonstellationen und eine scheiternde Beziehung. Keine ganz angenehme Geschichte, wie schon der Titel des Romanauszuges verrät, die der Jury am ersten Lesevormittag Rätsel über Rätsel aufgab - mehr dazu in Diskussion Kegele.

Lesereihenfolge am Tag zwei der TDDL

Den Freitag eröffnet der gebürtige Brasilianer Ze do Rock, gefolgt von Cordula Simon und dem für die Schweiz nominierten Autor Heinz Helle. Am Nachmittag ist Philipp Schönthaler dran, den Abschluss macht Katja Petrowskaja.

Am Samstag beginnt Hannah Dübgen, nach ihr liest Roman Ehrlich vor Benjamin Maack, als letzte im Wettlesen ist dann Nikola Anne Mehlhorn dran.

Am Sonntag um 11.00 Uhr werden wie jedes Jahr in öffentlicher Jurysitzung die Preisträger ermittelt. Vier von ihnen werden von der Jury gekürt, der fünfte vom Publikum, das via Internet abstimmen kann. Wettlesen und Preisverleihung werden live von 3sat übertragen.

Eröffnung im Zeichen der Einstellungsdiskussion

Die Debatte über die mögliche Einstellung des Wettbewerbs dominierte die Eröffnung der 37. Tage der deutschsprachigen Literatur am Mittwochabend im Klagenfurter ORF-Theater. In allen Wortmeldungen wurde das Weiterleben beschworen. Der Autor Michael Köhlmeier übte in seiner Klagenfurter Rede zur Literatur ausführlich scharfe Kritik am Wettlesen, um dann doch „gegen die Abmurksung“ zu protestieren, „so heftig ich nur kann“ - mehr dazu in: Der 37. Ingeborg Bachmann-Preis ist eröffnet (bachmannpreis.eu).

Ausführliche Berichte in Internet, Radio und TV

Das ORF Landesstudio Kärnten bietet im Internet unter bachmannpreis.eu eine umfassende Berichterstattung: Videoporträts der Autorinnen und Autoren, Lesungen und Diskussionen, Wettbewerbstexte zum Nachlesen, aktuelle Berichte und Zusammenfassungen. Alle Lesungen und Diskussionen sind nachträglich als Video abrufbar. Auch Radio Kärnten und „Kärnten heute“ berichten ausführlich.

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