Lob für Kränzler, Froehling fiel durch

Mit der Lesung von Lisa Kränzler wurde Donnerstagnachmittag das Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis fortgesetzt. Ihr Text begeisterte die Jury großteils, Simon Froehlings Romanauszug hingegen weniger. Am Vormittag stach Olga Martynova hervor.

Mit Lisa Kränzlers „Willste abhauen“ war der zweite Lesenachmittag in Klagenfurt angebrochen. Die Geschichte einer sexualisierten Kindheit, von Missbrauch und Gewalt wurde von der Jury zwar nicht gerade ausufernd, dafür aber umso wohlwollender besprochen.

Lisa Kränzler

ORF/Johannes Puch

Die Autorin wurde 1983 in Ravensburg geboren und lebt in Freiburg/Breisgau. Sie wurde von Juror Hubert Winkels für die TDDL 2012 vorgeschlagen.

Viel Zuspruch für Pubertätsgeschichte

Kränzlers Ich-Erzählerin beschreibt ihre Kindheit, von der Kindergarten-Aufführung über die Wirrungen einer Mädchenfreundschaft bis zur Rettung eines jungen Kätzchens vor einem grausamen Bauern. Sie stellt die Gefühle dar, die sich bei der beginnenden Pubertät einstellen und die ersten sexuellen Erfahrungen samt dem Thema Missbrauch.

Burkhard Spinnen meinte, ein großer Teil der Literatur bemühe sich, in die Kindheit zurückzukommen. Er sah einen „hoch instrumentierten Versuch“ in diese Richtung. Das Thema sei mit großer Souveränität vorgeführt worden, das Geheimnis, das zur Heimat Kindheit dazugehöre, bleibe aber hinter dickem Glas verborgen.

Meike Feßmann las den Text als „böse Mädchengeschichte“, bei der es auch um das Thema Missbrauch gehe, und zwar auf mehreren Ebenen. Corina Caduff fühlte sich gespalten, die Sprache sei sehr interessant und „absolut durchgearbeitet“, auf der Ebene der Thematik habe sie aber Schwierigkeiten.

Hildegard Keller fand den Versuch packend und gelungen. Daniela Strigl zeigte sich von einigen Schilderungen sehr angetan, sie sei aber nicht an allen Stellen überzeugt. Hier finden Sie die ausführliche Jurydiskussion über den Text von Lisa Kränzler.

Meike Fessmann, Corina Caduff und Paul Jandl

ORF/Johannes Puch

Meike Fessmann, Paul Jandl und Corina Caduff

Froehlings Romanauszug überzeugte nicht so recht

Als zweiter und letzter Autor präsentierte der Schweizer Simon Froehling seinen Text im ORF Theater. In seinem Romanauszug „Ich werde dich finden“ beschreibt er das Schicksal zweier Familien. Eine Frau stürzt beim Klettern ab und wird dabei tödlich verletzt. Der Autor lässt die Frau aus der Perspektive der bereits Gestorbenen sprechen. Sie hinterlässt einen Mann und eine kleine Tochter. Zugleich rettet sie einem jungen Mann das Leben, der wegen einer Niereninsuffizienz beinahe stirbt und eine Spenderniere braucht, und das knapp bevor er mit seiner Partnerin eine gemeinsame Wohnung beziehen will. Er überlebt, erhält die Transplantation, anschließend macht er sich auf die Suche nach der Person, der er sein Leben verdankt.

Simon Froehling

ORF/Johannes Puch

Neo-Jurorin Corina Caduff hat Simon Froehling nach Klagenfurt geholt.

Keller bemängelte, die Figuren seien ihr zu blass, sie hätte gerne mehr gewusst. Strigl wiederum fand, es gebe zu viele Erklärungen. Paul Jandl übte scharfe Kritik und ortete gar „Kitsch“, Spinnen hingegen erklärte, er finde die Anordnung interessant und würde dem Autor gerne weiter folgen. Auch Caduff fand lobende Worte, sie freue sich immer, wenn die Literatur Diskussionsthemen von außerhalb aufgreife und nicht sich selbst genug bleibe.

Hier finden Sie die ausführliche Jurydiskussion über den Text von Simon Froehling.

Olga Martynova

ORF/Johannes Puch

Olga Martynova

Martynova Favoritin am zweiten Lesevormittag

Olga Martynova, die am zweiten Lesevormittag als Letzte ihren Text bei den 26. Tagen der Literatur deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt vortrug, fand damit bei der Jury großen Anklang. Auch der Text der Österreicherin Cornelia Travnicek wurde gelobt. Inger-Maria Mahlkes Text wurde von der Jury teilweise als „ausweglos“ bezeichnet.

Hier finden Sie die ausführliche Zusammenfassung des zweiten Lesevormittages, sowie des gesamten zweiten Lesetages.

Lesungen „live“ miterleben

Die Lesungen am Freitag finden von 10.15 bis 15.15 Uhr, sowie am Samstag von 9.45 bis 14.00 Uhr statt. Nach den ersten drei Lesungen gibt es eine kurze Pause, am Samstag nach der zweiten Lesung. Die Preisverleihung findet am Sonntag ab 11.00 Uhr statt. Die Lesungen im ORF Theater in Klagenfurt können täglich ab 10.15 Uhr via Livelink auf bachmannpreis.eu miterlebt werden.

Kein Favorit am ersten Lesetag

Den Anfang der Lesungen am Donnerstag machte Stefan Moster, gefolgt von Hugo Ramnek (A) und Mirjam Richner (CH). Am Nachmittag folgten Andreas Stichmann (D) und Sabine Hassinger (D). Bei Stichmann zeigte sich die Jury erstmals angetan - mehr dazu in TDDL 2012: Der erste Tag.

Umfassende Informationen online

Das ORF-Landesstudio Kärnten bietet während der Tage der deutschsprachigen Literatur im Internet eine umfassende Berichterstattung: Videoporträts der Autorinnen und Autoren, Lesungen und Diskussionen, Wettbewerbstexte zum Nachlesen, aktuelle Berichte und Zusammenfassungen. Alle Lesungen und Diskussionen sind nachträglich als Video abrufbar.

Der Bachmann-Preis ist heuer via App auch auf Tablets und Smartphones bequemer mitzuverfolgen. Hier finden sie eine Anleitung dazu.

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