Inklusion: Enquete für Menschen mit Behinderung

Politik für Menschen mit Behinderung war am Donnerstag im Landesarchiv in Klagenfurt Thema einer Enquete, zu der der Landtag und die Regierung eingeladen hat. Im Zentrum der Vorträge steht der Begriff der Inklusion.

Ziel dieser Inklusion ist im Bereich der Bildung, der gemeinsame Unterricht aller Schüler. Sonderschulen wären dann nicht mehr nötig, zeigen einige Beispiele. Doch gerade in Klagenfurt hat die langfristig geplante Schließung der Gutenbergschule für heftige Proteste gesorgt. Der Andrang zur Enquete, zu der Sozialreferent Christian Ragger gemeinsam mit Landtagspräsident Josef Lobnig (beide FPK) geladen hatte, war sehr groß. Mit rund 250 Besuchern war der Vortragsraum bis auf den letzten Platz gefüllt.

Ragger: Wohnortnahe Angebote ersetzen Exklusion

Ragger: „Das ist der Auftakt zum Aufbau von mehreren Inklusionszentren in Kärnten, in denen beeinträchtigte Kinder wohnortnah ohne Trennung von ihren Altersgenossen unterrichtet und gefördert werden sollen“. Die optimale Betreuung von beeinträchtigten Kindern stehe dabei im Vordergrund. Laut UN- Behindertenkonvention darf keine Person aufgrund einer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden. Derzeit werden beeinträchtigte Kinder aus allen Bezirken im sonderpädagogischen Zentrum (bfz) in Klagenfurt betreut. In Zukunft soll diese Zentrierung und Exklusion durch wohnortnahe Angebote ersetzt werden. „Natürlich nicht von heute auf morgen. Es hat sich gezeigt, dass eine solche Systemänderung bei Betroffenen Ängste auslösen. Diese muss man ernst nehmen. Sie können nur durch umfassende Information entkräftet werden und dafür gab es auch die Enquete.“, so Ragger.

„Ich finde den geplanten Kärntner Weg richtig, das bestehende sozialpädagogische Zentrum (bfz) sukzessive zu reduzieren und wohnortnahe Inklusionszentren an bestehenden Schulstandorten mit individuellem Unterricht und einer qualitätsvollen Nachmittagsbetreuung für beeinträchtigte Kinder anzubieten“, sagte Nationalrat Franz-Joseph Huainigg.

Schilderungen aus der eigenen Erfahrung

Huainigg schilderte, wie entscheidend es für sein ganzes Leben und seine Bildung gewesen sei, dass er als Behinderter in Schulen und Bildungseinrichtungen integriert worden ist. „Wir dürfen behinderte Kinder nicht mehr in Internaten internieren oder in Aussonderungsschulen unterrichten“, forderte er.

Der auf den Rollstuhl angewiesenen Huainigg kritisierte, dass sich seit 2001 das Verhältnis zwischen Kindern, die in Schulen integriert werden und jenen, die in Sonderschulen betreut werden, nicht verändert habe. Die seinerzeitige Hoffnung, dass sich der Zulauf zu Sonderschulen als Folge der Integration von beeinträchtigten Kindern reduzieren werde, habe sich leider nicht erfüllt. Daher seien jetzt entschlossene Schritte zur Inklusion nötig.

Leben unter Käseglocke keine Perspektive

„Überführt die Sonderschulen in ein inklusives System“, laute sein Appell. Der Weg sei zwar nicht frei von Ängsten und Konflikten, aber er sei im Sinne der Kinder. „Ein Leben unter der Käseglocke einer geschützten Schule ist keine wirkliche Perspektive und schon gar kein Lebensentwurf“, stellte er fest.

In dasselbe Horn blies die gehörlose Nationalrätin Helene Jarmer, die ihre Rede in der Gebärdensprache hielt und von einer Dolmetscherin unterstützt wurde. „Lasst beeinträchtigte Menschen teilhaben und speist sie nicht ab“, lautete ihre Forderung. Für Jarmer genügt es nicht, Heime für beeinträchtigte Menschen zu errichten, in welchen diese sich, weil ausgegrenzt, nicht wohlfühlen. Auch sie trat vehement für Inklusion ein, wobei der Schlüssel ein offener Unterricht und individuelle Lehrpläne seien.

Der Tiroler Lehrer Roland Astl berichtete aus seiner Schule in Reutte über die Erfahrungen mit Inklusion, die dort bereits vor 25 Jahren eingeführt wurde. Nach zwölf Jahren gab es keinen Bedarf mehr nach der Sonderschule.

Auch der Lehrer Rainer Grubich berichtete von Erfahrungen bei der Arbeit mit autistischen Kindern. Er zeigte mit einem Film, wie es gelungen ist, ein betroffenes Mädchen in der Schule zu integrieren.

Beeinträchtigung ist nicht immer Behinderung

Klaus Kaltenbrunner, Oberarzt im LKH Villach ist Psychiater und Neurologe für Kinder. Er betonte, dass sehr viele Menschen mit Beeinträchtigungen leben. Zuerst müsse geprüft werden, ob die jeweilige Beeinträchtigung überhaupt als Behinderung erlebt werde.

„Ich kann ja zum Beispiel auch nicht Geige spielen. Wenn ich das nicht muss, ist das aber kein Problem für mich. Wenn ich Geige spielen will, dann muss ich es lernen. Erst wenn das nicht geht - etwa weil ich kein Geld für den Unterricht habe, oder keinen Lehrer finde, oder einfach nicht in der Lage bin - erlebe ich das als Beeinträchtigung.“

Kaltenbrunner gab zu bedenken, dass es auch Grenzen für die Inklusion geben kann. Wenn nämlich für Therapien teure oder große Geräte benötigt werden, sei nicht zu erwarten, dass diese Geräte an jeder kleinen Schule in Kärnten zur Verfügung stehen werden.

SPÖ sieht falschen Ansatz

„Eine Diskussion zum Thema Inklusion mit der Schließung des Sonderpädagogischen Zentrums (bfz) Klagenfurt zu beginnen, wie von FPK-Ragger praktiziert, ist der falsche Weg. Wir stehen für die Umsetzung von Inklusion in Kärnten ein. Jedoch nur unter Bedachtnahme der pädagogischen, therapeutischen und personellen Ressourcen“, zogen SPÖ-Landesparteivorsitzender LHStv. Peter Kaiser und SPÖ Landesrätin Beate Prettner ein Resümee nach der Landtagsenquete zum Thema „Politik für Menschen mit Behinderung“.

Es müsse bei der Umsetzung sensibel vorgegangen werden, wobei es eine hochprofessionell vorbereitete Übergangsphase geben müsse bei der die Betroffenen im Mittelpunkt zu stehen hätten, so Kaiser. „Der Fortbestand des bfz und Seebachs sollte auch unter Einbeziehung der nötigen Sparmaßnahmen, als Kompetenzeinrichtungen gesichert bleiben, um die Qualifizierung der nötigen Schritte zu entwickeln“, stellte Prettner klar.

„Es wird auch nötig sein, einen eigenen Beirat zu gründen, der die Umsetzung der Integration und Inklusion in höchster Qualität begleitet, um auf wissenschaftlicher Basis das Beste für die Betroffenen zu erreichen und die Sache außer politischen Streit zu stellen“, forderte Kaiser.

Die SPÖ-Kärnten wird dieser Forderung mit einem Antrag an den Kärntner Landtag Nachdruck verleihen. „Aus dieser sensiblen Themenstellung darf kein Feldversuch gemacht werden, vielmehr muss bereits vorher festgemacht werden, wie die genauen weiteren Schritte auszusehen haben“, stellt Prettner abschließend klar.