Skulptur in Ausstellung „Insieme – Miteinander“
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Kultur

Ausstellung zeigt Facetten des Miteinanders

„Miteinander“ ist der Titel einer Ausstellung in der Casa Cavazzini, dem Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, in Udine. Gezeigt werden 55 Werke von Sammlungen aus acht europäischen Ländern. Sie spannen einen Bogen vom Spätimpressionismus bis hin zur abstrakten Kunst und zum Surrealismus.

Kommunikation – alles dreht sich um sie. Einerseits ist es ein menschliches Bedürfnis, sich mit anderen auszutauschen, andererseits gelingt das aber nicht immer und es können Konflikte entstehen. Die Gründe dafür sind verschieden.

Bild „Die Missverstandenen“
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Emotionalität im Vordergrund

Die unterschiedlichen Formen der zwischenmenschlichen Beziehungen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Schau, sagt Ausstellungsbegleiterin Claudia Baumgardt: „Unser menschliches Zusammensein ist schön, kann aber auch schwierig und mitunter konfliktreich sein. Es ist aber notwendig, denn wir brauchen es zum Überleben. Wir sind soziale Tiere, also wir brauchen das Miteinander zum Leben und zum Überleben.“

Diese These wird anhand von 55 Kunstwerken aus acht europäischen Ländern – Frankreich, England, Italien, Polen, Österreich, Kroatien etc. – untermauert. Dabei gehe es nicht unbedingt darum, ganz große Namen zu zeigen, im Vordergrund stehe „die Emotionalität, die auf uns einwirkt und uns durch das 19. und 20. Jahrhundert begleitet“, so Baumgardt.

Ausstellung „Miteinander“ Udine Casa Cavazzini
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Dalì nutzte Spiegel als Metapher

Den Auftakt, noch vor dem ersten Ausstellungsraum, bildet ein Bild von Salvador Dalí. Von dem Surrealisten aus Spanien stammt ein Selbstbildnis, das ihn gemeinsam mit seiner Frau Gala zeigt. „Er nimmt dazu einen Spiegel und malt sich und auch seine Frau Gala mit dem Rücken zu uns. Beide schauen in einen Spiegel – wie um zu sagen: sehen wir vielleicht den anderen immer nur im Spiegelbild reflektiert? Er liebte ja seine Gala über alles, die er der 1929 kennenlernt. Die beiden verbringen ein ganzes Leben mit einander und doch zweifelt er: kenne ich diese Frau wirklich tiefgründig oder sehe ich immer nur ihr Spiegelbild reflektiert?“

Dalìs Werk ist heute Teil einer privaten Sammlung. Er bezog sich damit auf die „Las Meninas“, zu deutsch „Die Hoffräulein“, wie sie Diego Velázquez im 17. Jahrhundert malte. „Auch Velasquez malt dort im Spiegel das spanische Königspaar, das wir nur durch den Spiegel erkennen können. Also der Spiegel als Metapher“, so die Ausstellungsbegleiterin.

Salvador Dalí  „Selbstporträt, von hinten Gala, gespiegelt in Spiegel“
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Selbstporträt von Salvador Dalí und dessen Frau Gala

Zeitgenössische Kunst soll Blick auf Seele ermöglichen

Statt des Spiegels könnte – auf die heutige Zeit umgemünzt – der Selfie stehen. Oder die modernen Kommunikationsmittel und -kanäle, sagt Baumgardt: „Gerade weil wir in einer Zeit leben, wo wir eigentlich alle technologischen Mittel zur Verfügung haben – vom Smartphone über die Social Media, aber uns trotzdem die direkte menschliche Beziehung schwerer fällt.“

Baumgardt bringt in diesem Zusammenhang einen Spruch von George Bernhard Shaw ins Spiel: „Der Mensch und schaut in einen Spiegel, um sein Gesicht zu sehen und er schaut auf ein Kunstwerk, um seine Seele zu sehen. Darum geht es uns auch hier in der Ausstellung – mit zeitgenössischen Kunstwerken auf unserer Seele zu sehen.“

Ausstellungsbegleiterin Claudia Baumgardt
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Ausstellungsbegleiterin Claudia Baumgardt vor dem Bild von Karl Borschke

Leihgabe aus Wien zeigt Einflüsse der Secessionisten

Um zwischenmenschliche Distanzen geht es also im ersten Raum der Ausstellung. Dann steht die Liebe im Mittelpunkt, zum Beispiel unter anderen mit einem Bild des Wiener Malers Karl Borschke – eine von insgesamt drei Leihgaben aus dem Belvedere in Wien.

„Dieser Maler malt 1918, also am Ende des Ersten Weltkrieges, im Ersten Friedenswinter, der sehr hart war in Wien und die hungernde Bevölkerung sehr litt, ein sehr optimistisches Bild. Es heißt ‚An der Quelle des Lebens‘ und es handelt sich dabei um ein symbolisches Werk. Borschke war der Sezession sehr nahe, das kann man auch an der männliche Figur sehen, die sehr die Körper von Egon Schiele erinnert oder an die blumige Situation, oberhalb der Frau, die sehr an Gustav Klimts blumige Phase sich inspiriert.“

Ausstellung „Miteinander“ Udine Casa Cavazzini
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Borschke stellt weibliches Gesellschaftsbild auf den Kopf

Mit dem Bild dreht der Künstler die gängige religiöse Ikonographie um, erklärt Baumgardt: „Hier ist es die Frau, die wie am Kreuz hängt, wie Jesus am Kreuz, aber sie ist sehr selbstbewusst, sie ist sehr freudig und empfängt aus den Händen des Mannes die Gabe des Lebens. Er gibt ihr diese Schale mit dem Wasser, mit Quellwasser – Wasser ist ja auch die Symbolik des Lebens an und für sich und es ist halt diese Beziehung zwischen Mann und Frau, die Liebe, die also wieder neues Leben schafft.“

Es handle sich um ein Bild mit Symbolkraft, das eine Trendwende einläutet und das damals gängige weibliche Rollenverständnis ändert: „Hier ist es insbesondere die Rolle der Frau, die also selbstbewusst in ein neues Jahrhundert tritt. Nicht nur Borschke hat in jenen Jahren diese Thematik gemalt, auch Klimt, Segantini oder andere Künstler haben sich diesem Thema gewidmet nach einem Weltkrieg.“

Unterschiedliche Verbindungen künstlerisch betrachtet

Die Liebe zwischen zwei Partnern, Blutsbande, also Verwandtschafts- und Geschwisterbeziehungen, oder jene zwischen Müttern und ihren Kindern gilt es in der Schau ebenfalls bildlich zu erkunden. Auch Freundschaften sind ein Thema, zum Beispiel unter Kindern, mit Haustieren oder Beziehungen zum Himmel.

„Wir Menschen suchen den Himmel oder lehnen ihn ab – je nachdem, ob wir gläubig sind oder nicht. Auch dem widmen wir einen Raum und dann kommen die Konflikte, denn menschliche Beziehungen sind auch immer mit Konflikten behaftet, auch mit nationalen Konflikten zwischen Volksgruppen.“

Kind mit Hund Bild von Charles Burton Barber „Ein besonderer Verteidiger“
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„Ein besonderer Verteidiger“ von Charles Burton Barber

Verwirrungen und Wiederfindungen ebenfalls Thema

Während des 19. Jahrhunderts gehen Philosophie und Kultur zwei Wege – einmal den Weg der Verirrungen und der Wiederfindungen – zum Beispiel der Harmonie unter den Menschen.

Sendungshinweis:

„Servus, Srecno, Ciao“, 18.3.23

Oder auch, wenn scheinbar abhanden gekommene Kunstwerke wieder in ihr Ursprungsland kommen, so wie im Fall von Mirko Basaldella, einem Künstler aus Udine, der in jungen Jahren nach Amerika auswanderte und dort ein Bühnenbild schuf, das als Vorlage für den Film „Die Bibel“ von John Houston diente: „Das Bild geht dann in das Eigentum des Produzenten über – in Beverly Hills, Dino de Laurentis. Nach seinem Tod wird dieses Bild versteigert und kommt wieder nach Italien ins Friuli zurück und ist heute in einer Privatsammlung. Es heißt Sodom und zeichnet eine Abbildung des Sodoms nach seiner Zerstörung, das biblische Thema der der Zerstörung.“

Bild von Ljubo Babić
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Bild von Ljubo Babic

Ausstellung bis 16. Juli in Udine

Claudia Baumgardt selbst findet Werke der Pointilisten und der Divisionisten faszinierend. Ihr Lieblingswerk in der Ausstellung zeigt der vom kroatischen Maler Ljubo Babic zum Ausdruck gebrachte Jugendstil. Er malte 1912 in München Witwen: „Es war ursprünglich ein Triptychon, das sich auf eine epische Schlacht, eine serbische Schlacht gegen die Türken im 14. Jahrhundert bezieht und dazu erzählen wir dann kurz die Geschichte.“

Wohnung von Dante Cavazzini
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Das Esszimmer von Dante Cavazzini

Wer sie erfahren möchte, sollte bis 16. Juli nach Udine kommen – zur Ausstellung „Insieme – also Miteinander“ in der Casa Cavazzini. Alleine schon die Geschichte des Ausstellungsortes bietet spannende Details: Dante Cavazzini war ein italienischer Händler, Philantrop und Mäzen. Fotografien von ihm sucht man vergebens, denn öffentlich in Erscheinung zu treten war für ihn zweitrangig. Die Kunst stand für ihn zeitlebens an erster Stelle. Nach seinem Tod im Jahr 1987 vermachte seine Witwe der Stadt Udine seine gesamte Sammlung. Teile davon sind in der „Casa Cavazzini“ zu sehen, die heute ein Museum ist.

Claudia Baumgardt: „Beim Restaurieren wurden Fresken aus dem 14. Jahrhundert freigelegt. Dazu gibt es noch Fresken vom Bruder von Mirko Basaldella, die er 1938 für die Privatwohnung von Dante Cavazzini geschaffen hat.“