Alexandra Reiner mit Tochter Jana am Esstisch
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„Aufgezeigt“

Keine Beihilfe wegen Meldechaos im Haus

Alexandra Reiner lebt mit ihren Kindern in einer Mietwohnung in Villach. Seit ihrer Scheidung vor drei Jahren ist das Geld knapp. Sie wollte um Beihilfen ansuchen. Dazu braucht sie einen Meldezettel und erfuhr am Meldeamt, dass an ihrer Adresse zwölf Personen gemeldet sind. Daher bekam sie keinen Meldeschein und keine Beihilfen.

Die Alleinerzieherin hat seit der Scheidung Geldsorgen und wollte um Mindestsicherung ansuchen. Dafür braucht sie aber den Haushaltsmeldezettel: „Ich bin aufs Meldeamt gegangen, wollte den holen und dann haben sie zu mir gesagt, ich bekomme ihn nicht, weil zehn bis zwölf Personen in diesem Haushalt gemeldet sind.“ Tatsächlich gibt es in dem Haus, in dem Familie Reiner wohnt, zwei Wohnungen – eine davon bewohnt Frau Reiner – in der anderen werden mehrere Zimmer vermietet.

Aufgezeigt Räumungsklage

Meldechaos, Ungewissheit, Herzinfarkt

Frau Reiner war geschockt. Neun der zwölf Personen kannte sie überhaupt nicht. Sie ersuchte die Vermieterin, das zu berichtigen und kündigte verminderte Mietzahlung an, bis alles geklärt sei.
Die Vermieterin zeigte sich damit einverstanden. Bereinigt wurde das Meldechaos aber über dreieinhalb Jahre nicht. Alexandra Reiner fand keinen Schlaf mehr: „Immer diese Ungewissheit, dann habe ich einen Druck in der Brust gehabt und habe keine Luft mehr bekommen und dann kam der Herzinfarkt.“

Mehrere Postkästen an der Hausmauer
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In dem Haus wohnen etliche Parteien, einige bewohnen bloß einzelne Zimmer

Ohne Meldezettel fehlen 9.000 Euro an Beihilfen

Die Geldnot wurde drückend. Nach einer Hochrechnung verlor Frau Reiner wegen des fehlenden Haushaltsmeldezettels acht- bis neuntausend Euro an Beihilfen. Im Sommer schickte die Vermieterin plötzlich die Kündigung. Als Familie Reiner sich wehrte, kam die Räumungsklage: „Und dann war ich fertig.“

ORF-Redakteurin Gudrun Maria Leb mit Anwältin Astrid Wutte-Lang
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ORF-Redakteurin Gudrun Maria Leb mit Anwältin Astrid Wutte-Lang

Anwältin: „Räumungsklage nicht rechtens“

Mietrechtsexpertin Astrid Wutte Lang sagte, die Räumungsklage sei ihres Erachtens nicht rechtens: „Dies vor allem deshalb, weil die Mieterin nie eine sogenannte qualifizierte Mahnung erhalten hat. Das heißt, der Vermieter muss, bevor er eine Klage einbringt, dem Mieter mit einem Schreiben mitteilen, sie schulden für den und den Zeitraum die und die Beträge und wenn sie die nicht innerhalb einer bestimmten Nachfrist bezahlen, wird das Mietverhältnis aufgekündigt.“

Das Meldechaos hätte die Vermieterin mit einem Brief oder einer E-Mail leicht bereinigen können, bestätigte die Magistratsdirektion. Falschanmeldungen seien in Neubauten gar nicht möglich, weil dort automatisch Türnummern zugeordnet werden.

ORF-Redakteurin Gudrun Maria Leb mit Alfred Winkler von der Magistratsdirektion Villach
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ORF-Redakteurin Gudrun Maria Leb mit Alfred Winkler von der Magistratsdirektion Villach

Magistrat bereinigte Fehler im Melderegister

In vielen Altbauten, wie im Fall Reiner, sind Falschanmeldungen aber möglich. Alfred Winkler von der Magistratsdirektion: „Das heißt, wir haben hier eine Hausnummer, einen Eingang und alle Leute, die dort gemeldet sind, sind unter diesem Eingang gemeldet.“

Auf die Frage, ob das nicht schon von Amtswegen korrigiert werden hätte müssen, sagte Winkler, in einem solchen Fall wäre es sinnvoll gewesen, vor Ort zu recherchieren: „Da streue ich Asche auf unser Haupt, aber das haben wir jetzt natürlich gemacht, sodass wir jetzt da eine Bereinigung im Melderegister durchführen können.“

Wohnungsreferent  Erwin Baumann
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Wohnungsreferent Erwin Baumann

Die Stadt Villach bemüht sich aber auch um eine Ersatzwohnung für die Alleinerzieherin. Wohnungsreferent Erwin Baumann: „Sobald wir eine Wohnung für die Frau Reiner kriegen, werden wir auch schauen, dass wir sie schnellstens zusprechen können.“ Im Jänner steht Frau Reiner die Räumungsverhandlung bevor. Wahrscheinlich hat sie da schon längst eine neue Wohnung.

Sendungshinweis:

Radio Kärnten Mittagszeit und „Kärnten heute“ am 22.11.2022

Anwalt der Vermieterin: „Verschulden nicht erkennbar“

Natürlich wurde vom ORF-Team auch die Vermieterin gefragt, wieso sie das Meldechaos in Familie Reiners Wohnung jahrelang nicht berichtigte und ob man jetzt bereit sei, Schadenersatz für die Beihilfen zu leisten, die Reiner entgangen sind.

Die Antwort kam schriftlich vom Anwalt der Vermieterin: „Bei allem Verständnis für die Situation von Frau Reiner ist ein Verschulden der Vermieterin nicht erkennbar. Sie hat von den Beihilfen, die Frau Reiner entgangen sind, nichts gewusst. Erst im Zuge eines gerichtlichen Räumungsstreites ist diese Thematik bekannt geworden. Jetzt ist die Problematik ‚aufgezeigt‘, es wird an einer Lösung gearbeitet.“