James Joyce
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Auf den Spuren von James Joyce in Triest

Der irische Schriftsteller James Joyce gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Moderne und verbrachte viel Zeit auch in der Hafenstadt Triest. Die Stadt feiert heuer mit Spezialführungen den 140. Geburtstag des Literaten.

Eine Bronze-Statue von James Joyce auf der Ponterosso, die über den Canal Grande führt, gilt als beliebtes Foto-Motiv unter Touristen. Der gebürtige Ire kam 1904 in die Hafenstadt. Als Schriftsteller stand er damals erst am Anfang. Er schätzte Opern-Besuche am Teatro Verdi und nahm selbst „belcanto“-Unterricht.

Tourist vor Bronzestatue von James Joyce in Triest
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Joyce-Statue in der Altstadt von Triest

Ständig in Geldnöten

Im dritten Stock eines Hauses in der Via della Barriera Vecchia 32 befand sich eine Zeitlang der Wohnsitz der Familie. Heute sind im selben Gebäude ein Hotel und eine Apotheke angesiedelt. Der damalige Besitzer setzte Joyce samt Familie auf die Straße, nachdem der Schriftsteller die Miete nicht bezahlen konnte.

Ehemalige Wohnung von James Joyce in Triest
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Hier in der Via della Barriera Vecchia wohnte die Familie von James Joyce

Seinen Lebensunterhalt verdiente er damit, Englisch zu unterrichten. Zwischendurch nahm er sogar in Rom einen Job als Bankier an, um Geld zu verdienen. Zurück in Triest war seine Frau Nora oft besorgt, sagt Touristenführerin Tiziana Zamai, denn das Geld reicht kaum, um seine Familie über Wasser zu halten. Auch Freunde oder wohlhabende Schüler, die der Oberschicht Triests entstammten, bat er regelmäßig um Geld. Immer wieder häufte er neue Schulden an, denn der Müßiggang schien für ihn oberste Priorität zu haben.

Konditorei Pirona in Triest
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Konditorei Pirona

Joyce fröhnte gerne dem Müßiggang

Bei Pirona, wo er zwischen 1910 und 1912 Stammgast war, ist noch alles so wie zur Zeit der Gründung. James Joyce kam aber nicht nur zum Kaffeetrinken, sagt Tiziana Zamai: „Er kam jeden Tag hierher in die Konditorei Pirona und aß ein typisches Frühstück von Triest: Presnitz und auch Torroni. Er hat auch Wein oder Spirituosen getrunken. Er hat also hier in Triest viel gegessen, viel getrunken und das Leben genossen.“

Tiziana Zamai im Cavana-Viertel in Triest
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Tiziana Zamai vor ehemaligem Bordell im Cavana-Viertel

Bevor James Joyce 1920 nach Paris weiterzog, war er eine Zeitlang im Cavana-Viertel, in der Via della Pescheria, wohnhaft. „Triest war ein großer Hafen, der Hafen von Österreich-Ungarn. Es gab hier also auch ein Rotlichtviertel. James Joyce liebte die Atmosphäre dieses Viertels“, sagt Tiziana Zamai.

Sendungshinweis:

Servus, Srecno, Ciao; 13.8.2022

Dort machte er der Überlieferung nach oft und gerne die Nacht zum Tag: „Sein Lieblingsbordell war hier – es hieß Metro Cubo, also Kubikmeter. Die Zimmer waren sehr klein, es war also ein einfaches Bordell für Matrosen sozusagen. Dieses Viertel ist auch Inspiration für James Joyce. Wenn er in Ulysses über Montgommery-Street in Dublin spricht, beschreibt er vielleicht das Cavana-Viertel von Triest.“

Bilder von James Joyce im Cavana Viertel in Triest
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Sammlung voller Erinnerungen an Joyce und Svevo

Heute trägt dort noch ein Hotel seinen Namen und in der Via Madonna del Mare 13 ist James Joyce ein eigenes Museum gewidmet. Riccardo Cepach ist der Hüter vieler Erinnerungsstücke an den Literaten. Besonders stolz ist er auf diese Erstausgabe der „Dubliners“ aus dem Jahr 1914 mit einer Widmung. 200.000 Euro erzielte ein ähnliches Werk des Autors aus dieser Zeit unlängst bei einer Auktion.

Riccardo Cepach und Tiziana Zamai im Joyce Museum
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Riccardo Cepach und Tiziana Zamai im Joyce-Museum

Das Museum in der Via della Madonna del Mare Nummer 13 ist aber nicht nur James Joyce alleine gewidmet. Im Mittelpunkt des Interesses steht auch der gebürtige Triestiner Aron Hector Schmitz. Er sollte später unter dem Pseudonym Italo Svevo in die Geschichte eingehen. Mit James Joyce verband ihn – trotz 20 Jahren Altersunterschieds – nicht nur die gemeinsame Liebe zur Literatur, sondern auch eine enge Freundschaft.

Foto von Joyce und Svevo
Comune di Trieste
Dieses gilt als das einzige Bild, auf dem James Joyce (3.v.l.) und Italo Svevo (2.v.r.) gemeinsam zu sehen sind.

Joyce ermutigte Svevo zum Schreiben

Svevos Tochter Laeticia Fonda Savio erinnerte sich einst in einem Interview an die Besuche von James Joyce in ihrem Elternhaus: „James Joyce kam zu uns in die Villa Veneziani und hat das erste Mal seine eigenen Bücher gelesen – meinem Vater und meiner Mutter. Mein Vater sagte, die waren sehr schön und sehr interessant. Dann sagt er schüchtern: ‚Auch ich habe etwas geschrieben, aber niemand hat davon gesprochen‘. Joyce sagte ihm: ‚Bitte geben sie mir ihre Bücher‘. Als er dann zum zweiten Mal in die Villa Veneziani kam sagte er zu meinem Vater: ‚Wissen Sie, dass Sie ein großer Schriftsteller sind?‘“

Riccardo Cepach sagt, die Bewunderung, die Joyce dem Werk von Svevo entgegenbrachte, habe in ihm wieder den Wunsch entfacht, aktiv zu schreiben: „Der jüngere wirkte fördernd auf seinen älteren Künstlerkollegen.“

Ausstellungsstücke über Italo Svevo
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Erinnerungen an Italo Svevo

Eigenes Literatur-Museum entsteht

Die beiden unterhielten sich und schrieben einander im triestiner Dialek – für Joyce die Sprache einer Welt, in der nicht gelogen wird.

Egal ob Rainer Maria Rilke, Umberto Sava, Srecko Kosovel oder der unlängst verstorbenen Boris Pahor – die Sprachvielfalt, die die Literaten in der Hafenstadt charakterisiert, soll künftig in einem eigenen Museum dokumentiert werden, sagt Riccardo Cepach: „Diese Schriftsteller spiegeln in ihren Werken die Geschichte Triests wieder. Besonders im 20. Jahrhundert war sie ja konfliktreich. Sie ist Basis dafür, um alle Einzelheiten, die wir thematisieren, genau erklären zu können.“ Wann das Museum eröffnet steht noch nicht fest.

Broschüren über Literaten mit Triest-Bezug
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Zahlreiche Literaten fanden und finden in Triest Inspiration

Bloomsday will Literatur zum Angreifen ermöglichen

Fix ist, dass nächstes Jahr am 16. Juni wieder der „Bloomsday“ stattfindet. Er ist nach Leopold Bloom, der Hauptfigur des vor genau hundert Jahren veröffentlichten Romans „Ulysses“, benannt. Er spielt an einem einzigen Tag, am 16. Juni 1904, und gibt Einblick in den Alltag in Dublin.

In Triest wird jedes Jahr zum Bloomsday ein Kapitel des Werks künstlerisch aufbereitet. Riccardo Cepach sagt, dies sei eine unterhaltsame, angenehme Art, in dieses Werk einzutauchen: „Wie wir wissen gilt es als sehr umfassend und durchdacht. Vielen Lesern erscheint es als schwer verständlich. Wir möchten es auf diese Weise aber auch einem breiteren Publikum schmackhaft machen.“ So soll die Weltliteratur von James Joyce für jedermann greifbar werden.