Proteste am Triestiner Hafen
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Auswirkungen des Streiks in Triest

Aufmerksam ist dieser Tage der Blick – nicht nur von Kärntner Wirtschaftsvertretern – in Richtung der Nachbarregion Friaul Julisch Venetien und insbesondere auf die Hafenstadt Triest gerichtet. Längerfristige Streiks im Hafen wegen „3-G-Regeln“ hätten auch Auswirkungen auf Kärnten.

Der Hafen Triest ist wichtig, nicht nur als Zulieferer von Öl und Gas, auch im Containerbereich nimmt er eine wesentliche Rolle als Partner für Kärnten ein, sagte der Außenwirtschaftsexperte der Wirtschaftskammer, Meinrad Höfferer. Langwierige Blockaden seien in Anbetracht dieser engen Verbindung für beide Seiten wenig zielführend: „Ich denke, dass man es nicht soweit kommen lassen wird, weil man muss ja auch den langfristigen Effekt sehen. Es würden sich alle anderen Häfen in Europa darüber freuen, unter Anführungszeichen. Das ist sicher nicht im Interesse der italienischen Wirtschaft, unserer Wirtschaft und auch nicht der Arbeitnehmer dort.“

Derzeit funktioniert Güterverkehr normal

Zeitweise kam es dieser Tage zu Blockaden und Verzögerungen durch die Menschenmassen am Hafengelände in Triest. Direkte wirtschaftliche Auswirkungen, auch auf die Nachbarregion Kärnten, blieben aber vorerst aus. Höfferer geht davon aus, dass sich die Unruhen der vergangenen Tage, zumindest was die Arbeit im Triestiner Hafen angeht, bald legen dürften: „Der Güterverkehr funktioniert normal. Es können die Lkw normal ein- und ausfahren. Es werden die Zollabfertigungen normal durchgeführt.“

Proteste am Triestiner Hafen
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Massendemonstration im Hafen

Im Hafen sind aktuell rund 40 Prozent der fast tausend Hafenmitarbeiter nicht geimpft. Viele Arbeiter auf den Schiffen kommen aus Osteuropa. Immunisiert sind sie oft mit Vakzinen, die in der EU nicht zugelassen sind. Sie können daher keinen Grünen Pass vorweisen. Dasselbe gilt für Tausende ausländische Lastwagenfahrer.

Allein fahrende Lenker ausgenommen

Wenn in Österreich mit 1. November der „3-G-Nachweis“ verpflichtend wird, sind Lkw-Fahrer, die alleine im Fahrzeug sitzen, ausgenommen. Für Fahrten nach Italien muss sich der heimische Logistik-Sektor aber schon jetzt an die in Italien geltenden Regeln halten, sagte Höfferer und versuchte zu erklären, wie sich diese auf den Arbeitsalltag der Betroffenen auswirken: „Das ist nicht ganz so einfach für die Branche der Lkw-Fahrer. Er lädt wahrscheinlich am Montag um 4.00 bis 5.00 Uhr in der Früh. Man hat in langen Verhandlungen einige Kompromisse erzielt: Man darf grundsätzlich auf das Werksgelände, die 48-Stunden-Gültigkeit der Tests war ein wichtiger Teilerfolg, der hier erzielt werden konnte.“

Höfferer sagte weiter, man dürfte letztendlich das große Ganze, die gesamte Zeit der Pandemie, nicht aus den Augen verlieren und so die Anliegen beider Seiten verstehen. Auch während der Lockdowns seien eigenständig Hygienekonzepte entwickelt und erfolgreich umgesetzt worden.

Farbbomben im Hafen von Triest
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Proteste in Triest

„Keine Cluster in Transportbranche“

„Wir hatten in diesem Bereich nie Cluster und viel Erfahrung – die Branche hat hier sehr schnell reagiert, gemeinsam mit den Produktions- und Zulieferungsbetrieben. Das passiert auch jetzt. Was jetzt natürlich dazu kommt – wir haben eine gewisse Testkultur implementiert, wenn man so möchte, und wenn man dann mit einem gewissen Vorlauf entscheidet, dass Tests nicht mehr gratis sind, macht das vielleicht auch auf der emotionalen Ebene vielleicht auch etwas mit den Menschen“, so Höfferer.

Am Hafen von Triest wurde im Laufe der Woche das Testangebot wegen steigender Nachfrage ausgeweitet. Insgesamt kehre man zu einem Normalbetrieb zurück, heißt es von der Hafenleitung.

Sendungshinweis:

Servus, Srecno, Ciao, 23.10.2021

Immer noch weitere Proteste

Die Proteste im Stadtzentrum reißen indes nicht ab. Nach Angaben des italienischen Gesundheitsministeriums haben in Italien inzwischen mehr als 85 Prozent der Menschen über zwölf Jahren mindestens eine Impfdosis erhalten. Seit vergangen Freitag sorgt die Einführung des „Grünen Pass“ als Nachweis für alle Arbeitnehmer in Italien auf heftige Gegenwehr:

„Freiheit, Freiheit!“, keine Diskriminierung und „No Green Pass“ – also kein Grüner Pass … mit Slogans wie diesen brachten in Triest die Hafenmitarbeiter und tausende Demonstranten dieser Tage ihren Unmut zum Ausdruck, wie Demonstrationsteilnehmer bekundeten:

„Ich bin hier um meine Solidarität gegen den Grünen Pass auszudrücken, eine diskriminierende Maßnahme. Wir sind alle geimpfte und ungeimpfte Menschen.“

„Zuerst einmal bin ich ein Staatsbürger und ich bin hier, um die Hafenmitarbeiter zu unterstützen, die den Hafen blockieren möchten. Wenn wir die Grundrechte beachten, stimmt gerade etwas nicht. Man muss darauf aufmerksam machen.“

Journalist mitten im Geschehen

Es geht wohl um die Definition von persönlicher Freiheit, die die Wogen hochgehen lässt. Fast immer mitten im Geschehen: Antonio di Bartolomeo. Der RAI-Journalist und sein Team liefern die Bilder, die um die Welt gehen. Er spricht von ausgearteten Protesten, die mitunter auch in Pöbeleien und Anschuldigungen der manipulierten Berichterstattung gegenüber Journalisten gipfelten. Triest sei zum nationalen Symbol des Widerstandes geworden.

Über soziale Medien seien auch Kritiker, Verweigerer und Verschwörungstheoretiker aus anderen Teilen Italiens – die garnichts mit dem eigentlichen Protest der Hafenmitarbeiter zu tun haben – auf den Plan gerufen worden, so der RAI-Journalist. Sie seien nach Triest angerückt, um ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen: „Triest gleicht mitunter einer Art Lunapark oder Woodstock der Gegner des Grünen Pass und der Impfungen erinnert“, sagt di Bartolomeo.

Polizei geht mit Wasserwerfern vor

Die Aktivisten sehen das naturgemäß anders. Nachdem die Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas Hunderte Demonstranten vor dem Eingang des Hafens Triest vertrieben hatten, nächtigen zahlreiche Demonstranten seither auf dem Hauptplatz Triests, der Piazza dell’Unita d’Italia, und auch tagsüber ist er bevölkert von all jenen, die sich eine Änderung der geltenden Vorschriften auf dem italienischen Arbeitsmarkt erhoffen und die generell unzufrieden sind mit der allgemeinen Darstellung und Auffassung der Pandemie und ihren Folgen in den Medien und der Gesellschaft.

Viele beklagten zum Beispiel, dass eine Webcam, die auf der offiziellen Internetseite der Stadt das aktuelle Geschehen auf dem Platz dokumentiert, falsche Bilder in die Welt schicke. Beschaulich – wie online abgebildet – gehe es dort bei weitem nicht zu. Hunderte Demonstranten seien auch am Mittwoch wieder gekommen, um ihrem Wunsch nach Entscheidungsfreiheit durch ihre persönliche Anwesenheit vor Ort Nachdruck zu verleihen.

Nächste Proteste schon angekündigt

Ob diese Art von Aktivismus die italienische Regierung letztendlich früher oder später zu einem Umdenken bewegt, bleibt offen. Eine weitere Protestkundgebung in Triest wurde für Freitag angekündigt. Am Samstag wollen Vertreter der Hafenmitarbeiter auf den aus Triest stammenden italienischen Landwirtschaftsminister Stefano Patuanelli treffen. Was bisher aus Regierungskreisen bekannt ist: Flächendeckende Gratis-Tests für alle auf Kosten des italienischen Staates dürfte es wohl vorerst keine geben. Unternehmen, die ihren Mitarbeitern die Abstriche zahlen wollen, sollen allerdings Steuerbegünstigungen erhalten.