Mädchen schaut auf Heu Skulpturen
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Kunstwerke aus Heu und Stroh in Pontebba

Kunstwerke aus Heu und Stroh entstehen an diesem Wochenende in Pontebba – Pontafel im Eisental. Künstlerinnen und Künstlern aus ganz Europa kann bei der Arbeit zugesehen werden. Es locken auch Spezialitäten aus der Region.

Schon von weithin ist sichtbar, dass sich in Pontebba dieser Tage alles rund um die Kunst dreht: „FEN-ART“ ist auf einem Hügel in großen, aus Heu geformten Buchstaben zu lesen. Diese Abkürzung steht für das friulanische Wort fen, also fieno auf Italienisch, zu deutsch Heu und art für das englische Wort Kunst.

Sendungshinweis:

Servus, Srecno, Ciao; 17.7.2021

Es ist dies das erste Festival in der Gegend, wo getrocknetes Heu und Stroh als Werkstoff im Mittelpunkt stehen. Walter Bonati sagt, die Idee dazu entstand im Winter bei einem Schneeskulpturenfestival in Pontebba. Dabei entstand die Idee, auch im Sommer Künstlerinnen und Künstler in die Stadt zu bringen.

Fen Art Pontebba
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Fen-Art Pontebba

Bienen als Inspirationsquelle

Insgesamt würden die Menschen die Landwirtschaft immer mehr zu schätzen wissen. Laut Walter Bonati werden wieder Tiere gezüchtet und die Wiesen und Felder bewirtschaftet, gepflegt und gemäht. „An Material für das Festival mangelt es also nicht“, sagt Walter Bonati.

Als Inspirationsquelle für eines davon dienen die Bienen von Giuseppe „Bepi“ Schneider aus dem nahegelegenen Aupa-Tal. Seit seiner Pensionierung widmet er sich ihnen voller Leidenschaft. Weil sein Anwesen bereits vier Mal von einem Bären heimgesucht wurde trägt sein Honig den Namen „il miele dell’orso“, also der Honig des Bären. Heuer beeinträchtigte das wechselhafte Wetter im Frühjahr die Honigproduktion auch hier stark.

Imker Bepi Schneider
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Imker Bepi Schneider

Sind es in guten Jahren an die sieben unterschiedliche Honigsorten – muss sich Giuseppe Schneider heuer mit einer kargen Ausbeute begnügen: „Nicht mal ein Gramm Löwenzahnblütenhonig gibt es heuer, obwohl die Wiesen zeitweise ganz gelb waren. Der Blütenhonig gedeiht nur schleppend, weil die Bienen erst wieder zu Kräften kommen mussten. Aber die Saison ist ja schon weit fortgeschritten. Ich habe mein Bestes gegeben, um Schlimmeres abzuwenden. Aber das Wichtigste ist, dass es den Bienen gut geht und dass sie gesund sind.“

Julia Artico ist Italiens künstlerische Botschafterin

Den fleißigen Bienen ein Denkmal schaffen will Künstlerin Julia Artico aus Tricesimo bei Udine mit ihren Kreationen aus Heu und Stroh. Sie ist die Vertreterin ihrer Heimatregion Friaul Julisch Venetien und für Italien. Schon lange arbeitet sie mit Naturmaterialien. Vor 17 Jahren kam sie – aus einer Notlage heraus – dazu, Heu und Stroh als Werkstoff lieb zu gewinnen.

Weil bei einem Workshop für Kinder der Strom ausfiel, musste sie sich etwas einfallen lassen, um den Kindern dennoch etwas beizubringen. Und so entstanden ihre ersten Heufiguren: „Ich machte Körbe und begann das Heu so zu biegen und formen, als wäre es Stoff oder Wolle. So habe ich eine Puppe gemacht. Und von da an eröffnete sich mir eine neue Welt“, sagt die Künstlerin.

Julia Artico bei Herstellung einer Biene
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Künstlerin Julia Artico

Ausgewogene Proportionen entscheidend

Verschiedene Techniken hat sie im Laufe der Jahre ausprobiert und mittlerweile ihre ganz eigene Herangehensweise gefunden. Um eine Biene mit eisernen Beinen zu machen, wie sie es auch beim Festival in Pontebba vor hat, braucht es gut eineinhalb Tage: „Zuerst mache ich aus Eisen das Grundgerüst, also die Form des Tieres. Ich fertige eine Skizze an und versuche, ausgewogene Proportionen zu schaffen.“

Sie mag es, Tiere aus unterschiedlichen Perspektiven darzustellen – so als wären sie gerade in Bewegung.

Fen Art Pontebba
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Arbeit mit Heu hinterlässt Spuren

Heu und Stroh zu verarbeiten hinterlässt aber auch seine Spuren. Für die Hände sei diese Arbeit traumatisch, sagt Julia Artico: „Wenn du damit beginnst, Heu zu bearbeiten, sticht es ganz schön oder man reißt sich auf und bekommt überall Krusten. Aber im Laufe der Zeit merkt man das garnicht mehr.“

Dass ihr an diesem Wochenende Leute bei der Arbeit über die Schulter blicken werden stört die Künstlerin überhaupt nicht: „Ich ziehe mich ohnehin komplett in meine Welt zurück. Es gefällt mir aber auch, mit den Leuten – und ganz besonders mit Kindern – zu interagieren und ihnen von der Magie des Heus zu erzählen“, sagt Julia Artico.

Kunstwerke an acht Standorten

Insgesamt acht Skulpturen werden an verschiedenen Plätzen in Pontebba realisiert – von Künstlerinnen und Künstlern, denen bei der Arbeit an ihren Kunstwerken zugesehen werden kann. Sie stammen aus unterschiedlichen europäischen Ländern, wie aus der Ukraine, aus Tschechien, Slowenien und Italien.

Beim Festival haben die Besucher auch Gelegenheit dazu, einige Spezialitäten aus der Gegend zu verkosten – darunter Frico, eine Spezialität aus gerösteten Kartoffeln. Die Mischung aus zwei Käsesorten verleiht ihr einen besonderen Geschmack.

Cjarljons
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Cjarsons

Cjarsons als Vorgänger der Hochzeitstorte

Als Dessert gibt es zum Beispiel Cjarsons, die früher einmal der Vorgänger der Hochzeitstorte waren, erzählt Köchin Antonella Vuerich vom Restaurant „La Vecchia Latteria“ in Studena Bassa: „Sie werden mit einer Mischung aus frischem Ricotta-Käse, trockenen Feigen, Kakao, Zimt, Zucker, Marmelade und trockenen Keksen gefüllt. Ein Schuss Grappa und geriebene Zitronenschale sorgen für das Aroma. Sie wird in Kartoffel- oder Nudelteig gehüllt – dann sehen sie aus, wie ein kleines Boot – und in heißem Salzwasser weich gekocht.“ Serviert werden sie mit zerlassener Butter, Zimt und Zucker.

Pontebba Vogelperspektive
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Pontebba

Pontebba will vermehrt Radtouristen anziehen

Aktuell leben an die 1.300 Menschen in Pontebba. Viele pendeln für die Arbeit aus dem Canal del Ferro, dem Eisental, aus und kommen nur sporadisch zurück in ihre Heimat, sagt Kulturreferentin Arianna Donadelli: „Nach der Grenzöffnung fielen Zoll und Speditionsdienste als Einkunftsquelle weg und die Bediensteten wurden in andere Städte versetzt. Seit mittlerweile 30 Jahren versucht die Stadt, für Touristen attraktiver zu werden. Durch die Anbindung an den Alpe-Adria-Radweg hoffen wir, in Zukunft auch Radfahrer für etwas längere Aufenthalte hier begeistern zu können.“

Neben neuen Unterkünfte soll es auch vermehrt Veranstaltungen geben. Ein besonderer kunsthistorischer Schatz ist der spätgotische Flügelaltar in der Pfarrkirche Santa Maria Maggiore – erschaffen von Heinrich von Villach.

Soldaten Pontebba Erster Weltkrieg
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Soldaten in Pontebba während des Ersten Weltkrieges

Stadt schon vor Kriegsbeginn geteilt

In Pontebba/Pontafel/Tablja befand sich einst die Kriegsfront. Der Ort wurde – etwa im Unterschied zu Radkersburg in der Steiermark – aber nicht erst dadurch geteilt. Es gab bis dahin ewig schon ein italienisches/venezianisches Pontebba auf der einen Seite und ein österreichisches Kärntner Pontafel auf der anderen Seite des Pontebbana-Baches.

Die Staatsgrenze befand sich in der Mitte der Brücke. 1915 wurde diese – wie andere Übergänge – von österreichischen Truppen zerstört, um ein Vordringen der Italiener zu verhindern.

Erst Jahre, nachdem das Kanaltal 1918/19 zu Italien kam, wurden beide Orte, die nun im gleichen Staat lagen, unter dem Namen Pontebba zusammengelegt. Das kleinere Pontafel wurde 1924 sozusagen vom größeren Pontebba ‚eingemeindet‘.

Relikte Kriegsmuseum Pontebba
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Ausstellung gibt Aufschluss über Kriegsgeschehen

Während des Ersten Weltkrieges befand sich in Pontebba/Pontafel eine Frontlinie. Die Staatsgrenze lag in der Mitte der Brücke, die über den Pontebbana-Bach führt. Historisch Interessierte können in einer permanenten Ausstellung im Rathaus mehr über das Weltkriegsgeschehen erfahren. Neben zahlreichen Relikten wurde auch Geschirr aus dem einst renommierten Hotel International wurde in den Bergen wiederentdeckt, sagte Simone Del Negro.

„In der Nacht hielten die italienischen und österreichischen Soldaten im Stadtzentrum Ausschau nach Gegenständen, die sie zum Überleben brauchen konnten. Sie nahmen auch Feinde fest, um zu wichtigen Informationen zu gelangen. Ein Soldat schrieb in seinen Aufzeichnungen, dass die Stadt während des Krieges einerseits Niemandsland war und gleichzeitig allen gehörte“, so Del Negro.

Die meisten Opfer gab es aber nicht etwa bei kriegerischen Auseinandersetzungen in der Gegend – sie kamen bei Lawinenabgängen während eines Jahrhundert-Winters vor Kriegsende ums Leben, steht in der Gemeindechronik. Das Museum ist an Wochenenden von 10.00 bis 12.00 Uhr und von 16.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.