Musikvideo Tobacco Road Blues Band auf Gefängnisinsel Goli Otok
Tobacco Road Blues Band
Tobacco Road Blues Band

Musikvideodreh auf Gefängnisinsel

Die heute unbewohnte ehemalige Gefängnisinsel Goli Otok in Kroatien hat den Kärntner Peter Prammerdorfer sofort in ihren Bann gezogen. Sie wurde zum Schauplatz für einen Musikvideodreh der Tobacco Road Blues Band, die – trotz der Coronaviruskrise – auch immer wieder grenzübergreifend musikalisch unterwegs ist.

Goli otok – die „Nackte Insel“ trägt ihren Namen wohl wegen der kargen, wildromantischen und mitunter auch düsteren Atmosphäre, die dort herrscht. Sie liegt ein paar Kilometer von der kroatischen Küste entfernt zwischen den Inseln Krk, Cres und Rab. Knapp fünf Quadratkilometer ist sie groß – im Sommer wird sie von Ausflugsbooten angesteuert.

Musikvideo Tobacco Road Blues Band auf Gefängnisinsel Goli Otok
Tobacco Road Blues Band
Goli Oktok

Urlaubsdestination als Drehort ausgewählt

Der Kärntner Peter Prammerdorfer hat sie vor ein paar Jahren zum ersten Mal besucht. Mit seinen Erzählungen hat er seinen Bandkollegen von der „Tobacco Road Blues Band“ sofort dafür begeistert, dort ein Video für ihre Single „Take me down“ zu drehen.

Peter Prammerdorfer erzählt, wie er darauf kam: „Ich bin eigentlich seit meiner Kindheit durch meine Eltern in dieser Gegend sozialisiert worden. Mein Vater hat schon immer ein Motorboot gehabt und wir sind oft dorthin gefahren. Dadurch kenne ich diese Insel und diese Gegend von Kindesbeinen an.“

Peter Prammerdorfer Mike Diwald
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Peter Prammerdorfer und Bandkollege Mike Diwald

Gedanken eines Gefangenen wurden zu Liedinhalt

Zuerst war das Lied da, dann entstand der Text zum Lied „Take me down“. Es sind die Gedanken eines zum Tode Verurteilten, die die Tobacco Road Blues Band darin zum Ausdruck bringen will … ein Rückblick auf sein Leben, Schuld, Reue und Ausweglosigkeit.

Peter Prammerdorfer Tobacco Road Blues Band Musikvideo Goli Otok
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Peter Prammerdorfer übernimmt im Video den Part eines Gefangenen

Schockmoment in aufgelassener Zelle

Für Peter Prammerdorfer gab es beim Videodreh eine unerwartete Begegnung in einer der alten, aufgelassenen Gefängniszellen: „Es war stockdunkel und auf einmal hat es angefangen zu stinken. Wir haben dann mit den Taschenlampen herumgeleuchtet und da war dann ein totes Schaf, so halb verwest. Wir sind dann mit bleichem Gesicht wieder fluchtartig aus dieser Zelle raus.“

Schafe auf Gefängnisinsel Goli Otok
Helmuth Weichselbraun
Schafe sind heutzutage die einzigen fixen Inselbewohner

Anziehungspunkt für Abenteuerlustige

Auch Fotograf Helmuth Weichselbraun und Autor Georg Lux sind für ihren Reiseführer über „dunkle Plätze im Alpen-Adria-Raum“ auf Goli Oktok an Land gegangen.

Sendungshinweis:

Servus, Srečno, Ciao, 2. Jänner 2021

Besucher erfahren hier über die Hintergründe des bis in die 1980er Jahre in Betrieb befindlichen Gefängnisses. Errichtet wurde es vom ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Josip Broz Tito, um sich Kritikern und Gegnern zu entledigen … unter dem Deckmantel „ideologisches Umerziehungslager“, sagt Georg Lux. Seine Recherchen haben ergeben: In Wirklichkeit war es wohl darauf ausgelegt, dass man Gefangene psychisch und physisch bricht.

Georg Lux Journalist Autor
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Georg Lux

„Es waren dort ja ab 1949 bis zu 3.500 Menschen gleichzeitig gefangen. Das heißt, es sind riesige Gebäude zurückgeblieben. Riesige Zellentrakte, riesigie Speisesäle, es gibt eine große, verlassene Küche und es gibt vor allem Fabrikshallen. Die Gefangenen waren ja quasi gezwungen, dort zu arbeiten. Sie haben Möbel und Terrazzo-Fliesen hergestellt; es gab eine kleine Werft“, so Georg Lux.

Gefängnisinsel Goli Otok
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Die aufgelassenen Gefängnistrakte sind heute im Sommer Anziehungspunkt für Touristen

Historische Aufarbeitung fehlt

Die letzten politischen Gefangenen verließen die Insel erst 1985. Die Akten über die düstere Vergangenheit der Insel verschwanden großteils im jugoslawischen Bürgerkrieg, sagt Georg Lux: „Bis heute gibt es keine saubere historische Aufarbeitung dieses Themas. Dort, wo früher Menschen zu Tode gekommen sind, gibt es heute in den Sommermonaten ein Fischrestaurant und es fährt eine Tschu-Tschu-Bahn über diese Insel. Eigentlich ist es unvorstellbar. Es gibt durchaus Aufholbedarf, was die Erinnerungskultur betrifft.“

Gefängnisinsel Goli Otok
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Flucht für Gefängnisinsassen unmöglich

Die Insel Goli Oktok trägt auch den Beinamen „Alcatraz in der Adria“ – warum, hat Georg Lux recherchiert und – zum Teil auch am eigenen Leib erfahren: „Es war quasi unmöglich, als Gefangener von dieser Insel zu entkommen. Wenn dort in den Wintermonaten die Bora pfeift, dieser wirklich sehr, sehr starke Wind, erreicht er Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 250 km/h. Wir waren einmal im November dort mit einem eher kleinen Boot und hatten wirklich Probleme, dorthin zu gelangen“, sagt Georg Lux.

Mike Diwald Tomislav Goluban Peter Prammerdorfer
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Virutelle Musiksession

Gemeinsames Musizieren trotz räumlicher Trennung

Nicht das Verstörende, sondern das Verbindende steht für die Musiker der „Tobacco Road Blues Band“ im Vorderund. Gemeinsame Treffen und Proben waren in den letzten Monaten – coronavirusbedingt – nur selten möglich. Dennoch fanden sie eine Möglichkeit gefunden, trotzdem auch grenzübergreifend zu musizieren.

Es entstanden Projekte mit Musikerfreunden aus Kroatien – wie zum Beispiel mit dem Mundharmonikaspieler Tomislav Goluban, der – vor der Coronaviurskrise – auch zu Gast im Studio von Peter Prammerdorfer in St. Veit war.

Tobacco Road Blues Band bei Konzert mit Tomislav Goluban
Tobacco Road Blues Band
Die Tobacco Road Blues Band mit Tomislav Goluban vor der Coronaviruskrise

Auch mit der Blues-Legende Mike Sponza aus Triest verbindet die Band schon eine längere Freundschaft. Gemeinsam-getrennt bzw. getrennt-gemeinsam nahmen sie Videos auf.

Peter Prammerdorfer Mike Diwald beim Skypen mit Mike Sponza
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Peter Prammerdorfer und Mike Diwald Skypen mit Mike Sponza

„Persönlicher Kontakt nicht komplett wegzudenken“

Mike Diwald von der Tobacco Road Blues Band sagt, er würde niemals soweit gehen und sagen, dass es egal sei, ob man sich treffe: „Ich meine schon, dass Kreativität dort entsteht, wo Menschen zusammen kommen. Wir machen ja gerne Musik und wir machen ja das, was wir tun, mit Leidenschaft. Ob da jetzt Corona ist oder nicht, das spielt ja da keine Rolle. Wir konnten es halt nicht miteinander machen. Man muss sagen, die Zeit kommt uns da wohl entgegen, dass wir durch das Internet alle Möglichkeiten haben, miteinander zu arbeiten.“

Mike Diwald
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Mike Diwald

Jeder der Musiker habe bei sich zu Hause gespielt und seinen Teil aufgezeichnet, dann wurden am Schnittplatz die Bilder synchronisiert und nebeneinander gelegt – als Ersatz für eine gemeinsame Session.

Mike Sponza Musiker
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Mike Sponza

Vorstellungskraft und Einfühlungsvermögen gefragt

Musiker Mike Sponza sagt, bei Projekten wie diesen sei Phantasie gefragt: „Du musst dir vorstellen, gemeinsam mit ihnen zu spielen. Der gegenseitige Respekt ist wichtig, auch wenn jeder quasi bei sich zu Hause spielt. Wenn man gemeinsam auf der Bühne steht, hat das eine eigene Dynamik und jeder nimmt automatisch seinen Platz ein. Spielt man getrennt voneinander, musst man sich das alles vorstellen und versuchen darauf einzugehen, was die anderen virtuell dazu beitragen.“

Die Musiker hoffen, dass ein gemeinsames Musizieren im Alpen-Adria-Raum auch „in echt“ bald wieder möglich sein wird.