Manifesto Alpe Adria
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Bildung

Gedanken zum Frieden in der Alpen-Adria-Region

Gedanken zum Thema Frieden, und wie dieser in der Alpen-Adria-Region Realität werden könnte, haben sich unterschiedliche Autoren aus Österreich, Slowenien und Italien gemacht. Sie sind im Buch „Manifesto Alpe-Adria“ zusammengefasst.

Frieden – pace – mir – peace … für jeden beutetet es etwas anderes: Für Wissenschaftlerin Cristina Beretta ist es nicht nur die Abwesenheit von Krieg: „Das ist ein bisschen zu wenig. Es ist nicht nur die Befriedung, sondern die Möglichkeit, dort wo man lebt und darüber hinaus, ein gutes Leben zu führen.“

Friedensforscher Werner Wintersteiner würde sich wünschen, „dass Menschen Konflikte in einer Weise lösen, dass sie einander nicht bekämpfen und einander schaden, sondern dass sie gemeinsam etwas Positives konstruieren.“

Werner Wintersteiner Cristina Beretta Manifesto Alpe Adria auf Parkbank
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Werner Wintersteiner und Cristina Beretta

Jeder interpretiert Frieden anders

Alina Zeichen sieht es als friedensstiftend, wenn so wenig wie möglich Menschen ausgeschlossen, marginalisiert und diskriminiert werden: „Mit so wenig wie möglich meine ich eigentlich niemand.“

Alina Zeichen Kulturarbeiterin
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Alina Zeichen

Gerhard Leeb, Journalist und Kunstschaffender, sagt, Frieden sei für ihr „Empathie und der freundliche, nicht kriegerische Umgang mit unseren Mitmenschen.“

Julija Pelekh, Studierende aus der Ukraine, sieht ihren persönlichen Frieden darin, „wenn meine Familie gesund ist und nichts Schlimmes um mich herum passiert. Weltfrieden herrscht ohne Krankheiten und Kriege.“

Sendungshinweis:

Servus, Srečno, Ciao, 14. November 2020

Der Studierende Filippo Arnoldi sagt, es sei nichts Selbstverständliches, sich auszutauschen und mit anderen Personen in Beziehung zu bleiben: „Meiner Meinung nach müssten in den Schulen auch dahingehend Kompetenzen vermittelt werden.“

Symbolbild EU Citizens Gang Alpen Adria Universität Klagenfurt
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Der Dialog als symbolisches Zeichen des Friedens im Alpen-Adria-Raum

Konzeptkünstler verewigt Minderheitensprachen

Kulturelle und sprachliche Vielfalt wird an der Alpen-Adria-Universtität Klagenfurt als Reichtum angesehen. Symbol dafür ist nicht nur die Installation „Holz (Nass & in Kärnten“) des amerikanischen Konzeptkünstlers Lawrence Weiner. Sie zeigt drei große Schriftzüge in drei Sprachen: Deutsch – Slowenisch – Furlan – die Sprachen- bzw. Minderheitensprachen der benachbarten Regionen Kärnten, Slowenien und Friaul Julisch Venetien.

Diese Installation visualisiert für Cristina Beretta, Mitherausgeberin des „Manifest|o Alpe-Adria“ die Ideen der Zwei- und Mehrsprachigkeit und der damit verbundenen Grenzen, aber auch Möglichkeiten: „Alle, die in einer Grenzregion leben, wissen meistens, dass die Grenze trennt und die Grenze verbindet. Die Grenze ist eine Herausforderung, aber die Grenze ist auch eine Chance, eigene Gewohnheiten, Überzeugungen, Vorurteile, Stereotypen zu überprüfen, Fremden zu begegnen und Neues zu erfahren.“

Was kann jeder beitragen? Wie kann jeder profitieren?

Im Alltag würden sich Viele leichter damit tun, die Grenzen nach Italien und Slowenien zu überwinden, als die vorhandenen Grenzen im eigenen Land, und vor allem auch im eigenen Denken und Handeln zu hinterfragen, sagt Beretta. Das betreffe viele Bereiche, wie zum Beispiel: „Alter, Religion, Herkunft, Geschlecht, Gesinnung, Ideologie, Geschlechtsidentität, Liebesorientierung usw.“

Für Beretta stellt sich die Frage, was wir zu dieser Region beitragen können und wie – jeder für sich – auch von dieser Region profitieren kann: „Es ist eine Region, die reich an Grenzen ist, aber auch an Möglichkeiten der Überwindung dieser Grenzen. Es ist eine Region, die reich an Konflikten ist, aber auch an vielen Beispielen für die Überwindung von Konflikten.“

Bundespräsident Alexander van der Bellen Ansprache 10. Oktober 100 Jahre Kärntner Volksabstimmung
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Der Bundespräsident bei seiner Ansprache am 10.10.20

Zeichen: Auf zweite Landessprache stolz sein

Die Entschuldigung von Bundespräsident Alexander van der Bellen für die jahrzehntelange Verweigerung der Rechte der Kärntner Slowenen verlieh unlängst der Feier zum hundertsten Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung einen zukunftsweisenden Akzent, findet auch Alina Zeichen. Sie ist zweisprachig aufgewachsen und sagt, „es wäre sehr wünschenswert, wenn Kärnten-Koroška anfangen würde, tatsächlich stolz auf diese zweite Sprache, die hier im Land beherrscht und gesprochen wird, zu sein.“

Symbolbild Frieden
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Friedens-Symbol

Wie kann Friedensregion Alpen-Adria gelingen?

Das Jubliäumsjahr 2018 – 100 Jahre Republik Österreich – war für Cristina Beretta und Werner Wintersteiner, gemeinsam mit Mira Miladinović Zalaznik sozusagen die „Stunde Null“: ein Ausgangspunkt, um sich gemeinsam mit 35 anderen Kommentatoren Gedanken darüber zu machen, wie eine Friedensregion Alpen-Adria, am Schnittpunkt dreier Kulturen, funktionieren kann.

Es entstand das „Manifest|o Alpe-Adria“, das auf mehr als 500 Seiten Stimmen in drei Sprachen aus unterschiedlichen Blickwinkeln einfängt – für eine Europa-Region des Friedens und Wohlstands.

Wintersteiner: „Ort des Gestaltens“

Werner Wintersteiner beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Thema Friedensforschung und ist Mit-Herausgeber von „Manifest|o Alpe-Adria“. Er sagt, das Buch richte sich an alle Menschen, die den Alpen-Adria-Raum lieben und ihn nicht nur als einen Ort des Konsums betrachten, sondern auch als eine Region des Gestaltens.

Bei Ausflügen in die Nachbarregionen lohne es sich, gewohnte Pfade zu verlassen, um Neues zu entdecken, ist Wintersteiner überzeugt: „Viele Menschen lieben es ja, zum Beispiel nach Italien zu fahren oder nach Slowenien zu fahren, wobei mir auffällt, dass es immer wieder Familien gibt, die zum Beispiel nur nach Italien fahren und nicht nach Slowenien und vielleicht auch umgekehrt. Man könnte all diese Menschen ermuntern, sich doch auch einmal die Teile des Alpen-Adria-Raumes anzuschauen, die sie noch nicht kennen oder die nicht auf den Hochglanzfotos immer am meisten beworben werden.“

Eintauchen in unbekannte Regionen erweitert Sichtweise

Für jeden Einzelnen könne die Auseinandersetzung mit der gemeinsamen Geschichte wertvolle Erkenntnisse liefern. „Wenn man zum Beispiel ins Soča-Tal, ins Isonzo-Tal fährt, könnte man einmal in Kobarid stehenbleiben und sich das Museum des ersten Weltkrieges anschauen und damit verstehen lernen, wie unsere Region eigentlich die schlimmsten Phasen des 20. Jahrhunderts erleben musste.“

Auch ein Abstecher nach Ampezzo in der Region Karnien liefere Aufschluss über ein soziales Experiment im Zweiten Weltkrieg: „Dort entstand für kurze Zeit eine freie, selbstverwaltete Republik, wo die Frauen zum ersten Mal in Italien Wahlrecht hatten bis der Nazi-Faschismus diesem Experiment wieder militärisch ein Ende bereitet hat. Es gibt so viele Dinge zu entdecken, die wichtig wären, dass man sie kennt, um auch die Gestaltungskraft zu entwickeln, um unsere heutigen Aufgaben anzugehen.“

Werner Wintersteiner Friedensforscher
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Werner Wintersteiner

Auch Randregionen können Potenzial entfalten

Wie die Menschen auch in Randregionen ihre Existenz sichern und gemeinsam viel bewirken können zeigt ein Projekt in der Region Karnien. Als Inspirationsquelle dienten die reisenden Händler „Cramars“. Ausgehend von dieser Region waren sie in ganz Europa unterwegs, um ihre Produkte zu verkaufen.

Gerhard Leeb
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Gerhard Leeb

Alpenstädte arbeiten vielfach schon zusammen

Menschen zusammenbringen – gemeinsame Ideen entwickeln und auch umsetzen ist seit Jahren das Ziel des Villachers Gerhard Leeb, der bereits zahlreiche Kunst- und Kulturinitiativen im Alpen-Adria-Raum realisierte: „Ich glaube gerade diese Netzwerke, die schon bestehen und in diese Richtung arbeiten, sollte man als allererstes nutzen.“

Zum Beispiel die vier Alpenstädte des Jahres Villach, Tolmezzo, Idrija und Tolmin machem es gemeinsam vor, indem sie auf sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Basis zusammenarbeiten, um die symbolischen Schranken zu öffnen.

Cristina Beretta Universität Klagenfurt
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Cristina Beretta

Ab 2023 soll „Crossborder-Studies“ an der Alpen-Adria-Universität als neue Studienrichtung angeboten werden. Ziel der Alpen-Adria Kultur- und Friedensbewegung sei laut Werner Winterseiner, einen zivilgesellschaftlichen Betrag „für eine langfristige Versöhnung und Weiterentwicklung unserer Region, die ja doch eine der vielfältigsten und schönsten ist, die man sich vorstellen kann“ zu leisten.