Früher züchtete fast jede Bauernfamilie in der Region Karnien Schweine, im Dialekt „purcit“ genannt. In den kalten Wintermonaten zwischen Oktober und Februar wurde das Fleisch zu Würsten verarbeitet. Was dabei übrig blieb, wurde aber nicht etwa weggeworfen, alles wurde weiterverarbeitet, sagte Massimo Mentil, der eine Metzgerei im Ortskern von Timau/Tischlbong betreibt. Heutzutage werden auch die „parti nobili“, also die qualitativ hochwertigeren Stücke des Schweins, dafür herangezogen.

Der weiße Speck, der Lardo, ist die Hauptzutat der „Varhackara“. Guanciale, – Wangenspeck, pancetta – Bauchspeck, Ossocollo aus dem Nackenstück des Schweines und Salami zählen zu den weiteren Zutaten, sagte Mentil.
Geheimzutat bleibt innerhalb der Familie
Dann hat jede Familie noch ihre „Geheimzutat“, die natürlich nicht verraten wird. Nur soviel: Bei Familie Mentil liegt das Geheimnis in der Einfachheit, denn keine weiteren Gewürze werden hinzugefügt. So soll der Geschmack des Fleisches möglichst unverfälscht zur Geltung kommen, sagt Massimo Mentil. Wichtig sei, dass das richtige Gleichgewicht zwischen mageren und fettreicheren Anteilen erzielt wird, damit die Fleischcreme richtig schön streichfähig wird.

Aufwändige Varhackara-Zubereitung lohnt die Mühe
Früher einmal wurde das Fleisch geräuchert, um es länger haltbar zu machen. Heutzutage dient das Räucher-Aroma vorwiegend dem Geschmack, der aber nicht zu intensiv sein darf, sagt Massimo Mentil. Heute werden die Zutaten meist durch den Fleischwolf gelassen und dann per Hand noch einmal so richtig durchgeknetet – früher einmal wurden sie händisch Stück für Stück bearbeitet. Ein großer Aufwand. Wenn bei Familie Mentil „Varhackara“ gemacht wird, kommen gleich einmal an die zwölf Kilo zusammen – die aber dann weggehen wie die „warmen Semmeln“, so Mentil.

Kärntner Wurzeln durch Gailtaler Bergarbeiter
Die ersten historischen Überlieferungen dieser Spezialität, wie auch des Ortes Timau/Tischlbong selbst, gehen auf das Jahr 1200 zurück, so der Fleischermeister. Wahrscheinlich waren es Bergarbeiter aus dem Gailtal, die sich hier ansiedelten und neben dem Kärntner Dialekt – aus dem sich später das Tischlbongarisch entwickelte – auch viele traditionelle Speisen mit in das Tal brachten, sagt Massimo Mentil.

Viel mehr als nur ein Brotaufstrich
Er ist der Bürgermeister der Gemeinde Paluzza und hat von seinem Vater Flavio viele alte Rezepte „geerbt“. Flavio steht trotz seiner 80 Jahre noch immer jeden Tag in der Fleischerei in Timau/Tischlbong. Beim Besuch des ORF-Teams war er gerade damit beschäftigt, Salami zu machen – das Reden überlässt er lieber seinem Sohn Massimo. Er erzählte, dass die „Varhackara“ traditionell als Brotaufstrich für Vorspeisen serviert wird. Oder sie wird zum Verfeinern von Hauptgerichten verwendet. In der Pfanne erwärmen und mit Gnocchi aus Kartoffelteig, Pasta oder in der Gemüsesuppe Minestrone servieren.

Aber auch als I-Tüpfelchen zum Verfeinern von Gemüse wie Radiccio, Kohl und Kraut wird die „Varhackara“ herangezogen; auch gekochte Kartoffeln werden in der Pfanne darin geschwenkt. Selbst als Fülle für das Nudelgericht „Cjarsons“ – Teigtaschen, die den Kärntner Käsnudeln ähneln – ist die Fleischmasse geeignet, genauso wie für Saucen, die zu Hauptgerichten aus Fleisch serviert werden.

Ein bodenständiger Teil der Slowfood-Bewegung
Seit 2014 ist die „Varhackara“ auch Teil der Slowfood-Bewegung und wird auch von Sterneköchen aus der Region gerne herangezogen, um ihren Kreationen eine bodenständige Note zu verleihen. Eine kleine Anerkennung für all jene, die – im Kleinen – darum bemüht sind, die alten Rezepturen der Vorfahren für die Nachwelt zu erhalten, sagte Mentil. Das Leben und Überleben in den Bergen ist kompliziert – davon kann Familie Mentil ein Lied singen. Aber die Verbundenheit mit der Natur und den Traditionen biete ihnen auch viele positive Seiten und sie möchten es um nichts in der Welt eintauschen.
Handgemachte S-förmige Kekse und Grissini
„Pane è vita“ – „Brot ist Leben“ – dieses Motto begleitet Familie Silverio seit mehr als 70 Jahren. Senior-Chefin Luciana Maier kennt fast alle ihrer Kunden persönlich und liebt es, sich mit ihnen zu unterhalten, während sie einkaufen. Ihr Sohn Paolo bereitet derweil in der Backstube die für die Region typischen Kekse, die „Esse“, zu. Sie tragen diesen Namen, weil ihre Form an den Buchstaben S erinnert, auf Italienisch Esse.
Sendungshinweis:
Servus, Srečno, Ciao am 24.10.2020
Auch die handgemachten Grissini, die früher als Brotersatz dienten, erfreuen sich noch heute großer Beliebtheit unter den Kunden. Erst seit den 1960er Jahren gibt es sie im Ort, was einem pensionierten Bäcker aus der Gegend von Mailand zu verdanken ist, sagt Paolo Silverio: „Er ist in der Pension hierher gezogen, weil er sich in unseren Ort verliebt hat. Dann hat er meinem Opa gezeigt, wie man die Grissini herstellt. Davor wurden sie hier nicht gemacht.“

Kleines Museum zeigt Kriegsrelikte
In Tischlbong gibt es auch ein kleines Museum mit Relikten aus dem Krieg. Museumsdirektor Luca Piacquadio: „Wir machen das hier, um an all jene Soldaten – egal welcher Nationalität – zu erinnern, die im Kampf ihr Leben lassen mussten. Heute sind wir mit den Nachbarn befreundet und müssen nicht mehr kämpfen, aber es ist unsere Pflicht, an jene zu denken, die sich für uns geopfert haben.“

Korbträgerinnen als wesentliche Stütze an der Front
Eine wichtige Rolle nahmen die „portatrici“ – also Korbträgerinnen ein. 1.160 waren es zu Spitzenzeiten – sie arbeiteten in 15 Gruppen zu 15-20 Personen und nahmen einen mehrstündigen Fußmarsch auf sich, um die Soldaten in den Bergen mit frischem Brot, Wäsche und Medikamenten zu versorgen.

Dino Matiz: „Sie gingen hintereinander, ohne miteinander zu sprechen, um nicht aufzufallen. Sie strickten für ihre großen Familien; beteten und hatten immer eine Last von 20, 22 Kilogramm auf ihren Schultern.“
Tischlbongarisch: Ein Kärntnerisch-Bayrischer Dialekt
Im ersten Stock des Museums geht es unter anderem um die Sprache Tischlbongarisch und die Kultur. In der Schule lernen die Kinder die alte Sprache. 70 Prozent der rund 400 Einwohner sprechen diesen kärntnerisch-bayrischen Dialekt noch. Ein Merkmal: Das „B“ wird statt dem „W“ verwendet.

Lange wurde die Sprache nur mündlich überliefert. Jetzt erscheint drei Mal im Jahr eine eigene Zeitung in dieser Sprache – und es gibt auch Kalender und Kinderbücher, sagt Velia Plozner vom Kulturverein. So soll die Sprache vor dem Vergessen bewahrt werden.
Weitere Sehenswürdigkeiten
Im „tempio ossario“, dem Beinhaus, sind die sterblichen Überreste von 1.700 italienischen und österreichischen Soldaten zusammengeführt. Sehenswert ist auch die Kosakenkirche, die eigentlich Kirche Cristo Regi heißt. Dort steht die zweitgrößte Christusstatue Europas.
