Gänsegeier
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Auf den Spuren der Geier in Forgaria nel Friuli

Der Lago di Cornino, Cornino-See, ist auch im Winter ein beliebtes Ausflugsziel und lädt zu Spaziergängen ein. Wenn man Glück hat, kreisen auch Gänse- und Bartgeier zum Greifen nahe durch die Lüfte. Denn in Forgaria nel Friuli befindet sich ein Naturschutzgebiet.

Vor 30 Jahren entstand die Idee dazu, in Forgaria nel Friuli eine Station zu errichten, um Zugvögel zu erforschen. Es war die erste dieser Art in Italien. Fulvio Genero ist von Anfang an mit dabei und widmet jede freie Minute der Erforschung und Pflege der Tiere. „Es ist dies die einzige Kolonie im gesamten Alpenraum, die auch in den Tälern rund um den Tagliamento sesshaft ist“, so Fulvio Genero.

Greifvögel im Flug
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Die großen Geier kreisen um die Felsen im Natuschutzgebiet

2019 brachte Paarungsrekord

Mit der Zeit kamen immer mehr Tiere dazu – Greifvögel aus Kroatien, Frankreich, Spanien und andern Ländern. Hier finden sie ideale Bedingen vor, um sich fortzupflanzen. Im vorigen Jahr gab es einen Paarungsrekord, sagt Fulvio Genero: 60 Pärchen – mit mindesten 33 Jungvögeln wurden gezählt. Der Bestand hat deutlich zugenommen. Im Winter gibt es an die 150 bis 200 Vögel, während es im Sommer an die 300 bis 400 sind. „Viele von ihnen kommen aus Kroatien – und viele ziehen weiter nach Österreich“, sagt Fulvio Genero.

Sendungshinweis:

Servus, Srecno, Ciao, 1.2.2020

Die Hohen Tauern sind ihr „Sommerquartier“ – am Ende des Sommers zieht es sie zurück nach Friaul. Den Winter verbringen sie in den Kornaten, im Bereich der südlichen Inseln Kroatiens. „Die Gänsegeier suchen sich wirklich die schönsten Gegenden aus“, sagt der Greifvogelexperte.

Gänsegeier in der Voliere
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Viele Geier haben eine Bleivergiftung

Gemeinsame Forschungen im Alpen-Adria-Raum

Nicht nur die Greifvögel begeben sich scheinbar ohne Probleme im Alpen-Adria-Raum. Auch die Forscher aus unterschiedlichen Ländern kamen einander im Laufe der Zeit Schritt für Schritt näher. So besteht seit Jahren eine enge Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Hohe Tauern, aber auch mit Wissenschaftlern aus Slowenien und Kroatien. So sind zahlreiche gemeinsame Projekte sind entstanden, sagt Fulvio Genero.

Satelliten geben Aufschluss über Flugrouten

17 Gänsegeier wurden mit Sendern ausgestattet, um ihre Flugrouten nachverfolgen zu können. Die klimatischen Bedingungen im Voralpenraum seien für sie ideal, sagt Fulvio Genero. Auch die Futtersuche falle den Tieren leicht. Ein bisschen helfen ihnen die Menschen nach – zum Beispiel mit einem Futterplatz in Forgaria nel Friuli. So wurde dieser Ort eine Anlaufstelle für die Tiere.

Greifvogel im Flug
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Vogelliebhaber haben hier viel zu Beobachten

Auch wenn sie hier großzügig mit Nahrung versorgt werden, bleiben sie selten an einem Ort und ziehen gerne weiter, überhaupt während des Sommers, sagt Fulvio Genero. Der Großteil der Gänsegeier – an die 50 oder oft auch 100 Exemplare – verbringen den Sommer in den Hohen Tauern zwischen Ende Mai und Anfang Oktober. Wenn es dann kälter wird und schneit, kommen sie nach Friaul, ein Teil von ihnen zieht weiter nach Kroatien oder bis nach Israel, Griechenland oder sogar bis nach Nordafrika, wo die Tiere überwintern, sagte Genero.

Wer mehr über die Gänse- und Bartgeier und ihre Verbreitung erfahren möchte, ist im Besucherzentrum des Naturreservats von Forgaria nel Friuli genau richtig. Auf Nachfrage gibt es dort auch Führungen auf Deutsch.

Bleivergiftungen durch vergiftete Kadaver nehmen zu

Genero zeigt Interessierten auch die einzelnen Gehege am Gelände. In einer der Volieren befindet sich gerade ein ausgewachsener Bartgeier. Genero sagt, er wurde in Osoppo – also unweit von Forgaria nel Friuli – aufgefunden. Er konnte nur mehr kurze Strecken fliegen und hatte offensichtlich Probleme – auch wenn auf den ersten Blick alles in Ordnung schien.

Der Tierarzt stellte bei ihm dann aber eine Bleivergiftung fest, so Genero: Ein in ganz Europa weit verbreitetet Phänomen, vor allem im Ostalpenraum. Die Geier fressen Kadaver von Tieren, die von Jägern angeschossen wurden und dann irgendwo im Gelände verenden.

Das Blei in ihren Körpern ist sehr giftig für die Tiere, sagt Fulvio Genero. Ihr natürliches Verhalten ändere sich dramatisch und es endet meist damit, dass sie verunglücken. „Werden sie nicht rechtzeitig gefunden und in Sicherheit gebracht sterben sie“, so der Experte. Dieses Phänomen beeinflusse auch die Verbreitung der Bartgeier in Europa. So gibt es in den Ostalpen weniger Bartgeier als in anderen Gebirgszonen.

In Forgaria nel Friuli befindet sich zwar keine direkte Auffangstation, aber wenn verletzte Tiere gefunden werden, kommen sie zunächst hier unter. Dann kümmert sich ein Tierarzt aus Udine um sie. Die Tiere werden zu ihm gebracht, untersucht und sobald sie wieder im Stande sind zu fliegen, werden sie in Freiheit entlassen. Zum Aufpäppeln, bis sie wieder bei Kräften sind, dürfen sie auch in Forgaria bleiben.

Bartgeier-Pärchen verbringt Lebensabend in Voliere

„Stammgast“ in der Station in Forgaria nel Friuli ist älteres Bartgeier-Pärchen, das – zu seiner eigenen Sicherheit – seinen Lebensabend in einer Voliere verbringt. Probleme an den Flügeln machen es zu riskant, die Tiere frei zu lassen, sonst würden sie wohl Fressfeinden zum Opfer fallen.

Ein weiteres Bartgeier-Männchen ist schon einige Monate hier. Namen bekommen die Findlinge keine, meist halten sie sich ohnehin nur kurz hier auf. Es handle sich um einen Sonderfall, sagt Fulvio Genero, denn auch dieser Wildvogel leide an einer Blei-Vergiftung. Bis das Blei aus dem Blut und insgesamt aus dem Körper des Tieres verschwindet, braucht es eine langwierige Kur mit speziellen Mitteln, so der Experte.

Die letzten Tests brachten positive Ergebnisse hervor, freut sich Fulvio. In den nächsten Tagen soll der Greifvogel wieder in die Freiheit entlassen werden – vorausgesetzt, das Wetter bleibt schön. Dann bleibt nur noch zu hoffen, dass er nicht wieder einen bleiverseuchten Tierkadaver verzehrt, sagt Fulvio Genero.

Naturjuwel Cornino-See lädt zu Spaziergängen

Die Geier sind ständige Begleiter in Forgaria nel Friuli, auch wenn man unweit des Naturreservats, am Cornino-See, einen Spaziergang unternimmt. Versteckt zwischen Bäumen und Felsen gibt es einen schmalen, zwischendurch steilen Spazierweg. Auf ihm kann man in einer halben Stunde den See umwandern.

Statue im See
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Statue unter Wasser

Der Lago di Cornino entstand vor etwa 10.000 Jahren durch die Gletscherschmelze. Er ist relativ klein und mit acht, neun Metern nicht tief. Er wird von unterirdischen Zuströmen gespeist, einerseits vom Hochplateau des Monte Prât, andererseits vom Tagliamento. Weil es einen regelmäßigen Wasseraustausch gibt, ist die Temperatur des Sees eher kühl- sie schwankt zwischen acht und zwölf Grad. Das Wasser ist besonders klar. Je nach Wetter und Tageszeit schimmert der See in verschiedenen Blau- und Grüntönen.

Taucher bekommen Unterwasserschätze zu sehen

Während der Wintermonate trifft man an manchen Tagen aber auch Taucher des Vereins „Friulana Subacque“, die sich – dank einer Sondergenehmigung – auf den Grund des Sees begeben. Dort befinden sich einige „Schätze“, die mit freiem Auge nicht sichtbar sind. Ledi Vidussi sagt, unter Wasser befinde sich eine Kopie jenes Engels, den man am Schloss von Udine sieht. Sie wurde von einem friulanischen Künstler erschaffen. Seit dem vorigen Jahr gibt es auch eine Madonna. Sie wird sichtbar, wenn der Wasserspiegel des Cornino-Sees ruhig ist.

Taucher im See
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Taucher schätzen die Aussicht

Zu den ständigen Bewohnern des Sees zählen auch Flusskrebse, Schildkröten und Forellen. Ihr Anblick sei für die Taucher besonders faszinierend, sagt Ledi Vidussi, „wenn man den Forellen, die ruhig am Grund des Sees entlang schwimmen, folgen kann“.

Moosbedeckter Josef „lächelt“ Maria zu

Immer zur Weihnachtszeit wird der Lago di Cornino mit einer schwimmenden Krippe geschmückt – mehr dazu in Schwimmende Krippe im Cornino-See. Emanuele „Lele“ Passon sagt, die Krippenfiguren wurden vor ein paar Jahren ausgetauscht. Die alten, ausgedienten Figuren wurden am Grund des Sees deponiert. Bei ihren Ausflügen unter Wasser haben die Taucher entdeckt, dass sie teilweise von einer Moosschicht bedeckt sind. Um den Mund des Heiligen Josef zeichnet sich – durch das Moos – ein breites grünes Lächeln ab: „Es sieht so aus, als wäre er froh darüber, dort unten ganz ungestört mit seiner Maria bleiben zu können. Wenn man dieses Lächeln sieht geht einem das Herz auf“, sagt „Lele“ Passon über die Geheimnisse, die der See auf seinem Grund verborgen hält.