Logo Kanaltaler Kulturverein
ORF
ORF
Kultur

40 Jahre Kanaltaler Kulturverein

Um die deutschen Wurzeln vor dem Vergessen zu bewahren wurde 1979 der Kanaltaler Kulturverein gegründet. Ziel ist der Erhalt der deutschen Sprache und des deutschen Kulturgutes, das in der Gegend eine lange Tradition hat. Für den Verein wären zudem viersprachige Ortstafeln im Kanaltal wünschenswert.

Zwischen den Karnischen und Julischen Alpen eingebettet, erstreckt sich von Tarvis bis Pontebba das Kanaltal. Es war seither ein Durchreisegebiet und Treffpunkt mehrerer Kulturen, sagt Alfredo Sandrini, der Präsident des Kanaltaler Kulturvereins: „Es gibt eine interessante Volkszählung aus dem Jahr 1910, die zeigt, dass damals 90 Prozent der Kanaltaler Bevölkerung deutschsprachig war. Sieben Prozent der Bevölkerung sprach Slowenisch und drei Prozent Friulanisch. Wir haben gesagt, man kann 900 Jahre nicht vergessen – das ist eine Pflicht, diese ganze Geschichte am Leben zu erhalten.“

Es wäre zu einfach zu sagen: „Wir leben in Europa – das ist die Vergangenheit, aus fertig“, sagt Sandrini. So würde in einem Augenblick alles verschwinden. „Das wäre nicht richtig. Das ist eine zu große Verantwortung.“

Sitzung der Mitglieder des Kanaltaler Kulturvereins
ORF
Sitzung der Mitglieder des Kanaltaler Kulturvereins

„Hoffnungen italienischsprachiger Kanaltaler enttäuscht“

Um nachvollziehen zu können, warum den deutschsprachigen Kanaltalern der Erhalt ihrer Kultur so am Herzen liege, müsse man das Rad der Zeit etwas zurückdrehen, sagt Sandrini. Er sagt, 1939 machten Hitler und Mussolini ein Abkommen das besagte, dass nicht italienischsprachige Kanaltaler einfach über die Grenze gehen konnten.

Sendungshinweis:

Servus, Srecno, Ciao, 30.11.2019

In der Hoffnung auf ein besseres Leben anderswo verließen viele Menschen ihre Heimat, das Kanaltal, erzählt Sandrini: „90 Prozent der Bevölkerung an diese Geschichte geglaubt hat und die sind ausgewandert.“ Zuvor mussten sie sämtliche Besitztümer im Kanaltal verkaufen. „Die meisten haben das gemacht und dann, wo sie drüben waren, haben sie nicht ein Haus bekommen, wie es versprochen wurde und keine Arbeit. Die Männer haben ein Gewehr in die Hand bekommen und sind an die Front geschickt worden.“

Blick auf Kanaltal
ORF
Blick auf Kanaltal

„Dobleiba“ wollen deutschsprachige Kultur erhalten

Die „Dobleiba“ – also die Mitglieder der deutschprachigen Minderheit, die weiterhin im Kanaltal blieben – wollten ihre Kultur nicht verlieren. So entstand vor 40 Jahren der Kanaltaler Kulturverein. Heute zählt er rund 318 Mitglieder. Sie treffen sich regelmäßig und tauschen sich aus – natürlich auf Deutsch. Regelmäßig organisieren sie deutschsprachige Projekte und Veranstaltungen und pflegen grenzübergreifende Kontakte.

Raimondo Domenig, Mitglied des Kanaltaler Kulturvereins und Völkerkundler, sagt: „Das ist wie eine zweite Familie sozusagen, wo wir uns treffen und wo wir auch scherzen aber auch sehr seriös arbeiten.“

Er setzte sich in letzter Zeit intensiv mit der Geschichte des Kanaltals während des zweiten Weltkrieges – in der Bibliothek des Kanaltaler Kulturvereins finden sich zahlreiche seiner Publikationen.

Trachtenträger des Kanaltaler Kulturvereins
Kanaltaler Kulturverein
Brauchtumsveranstaltungen besuchen die Mitglieder des Kanaltaler Kulturvereins natürlich mit der kanaltaler Tracht

Zur Brauchtumspflege gehört auch das Tragen der Kantaltaler Tracht bei besonderen Anlässen – wie der heurigen Jubiläumsfeier. Auch in Zukunft soll durch Projekte weiterhin für die hier lebenden Menschen ein Stück Identität geschaffen und erhalten werden.

Anton „Tonci“ Kravina ist ein weiteres Gründungsmitglied und sagt, er habe seine Identität als Kanaltaler im Blut: „Wenn ich nach Kärnten komme sagen sie: du kommst aus Italien.“ Er entgegne dann: „Ich komme nicht aus Italien, ich komme aus dem Kanaltal. Darauf habe ich immer etwas gehalten und das werde ich immer so sagen“, so Kravina.

Zur Zeit leben im Kanaltal 7.000 Personen – viele von ihnen sind mehrsprachig, sagt Alfredo Sandrini: „Im Kanaltal gibt es drei Gemeinden: Die Gemeinde Tarvis, die Gemeinde Malborghet und die Gemeinde Pontebba. Hier wohnen ungefähr 7.000 Menschen. Davon sind – grob gerechnet – 15 Prozent deutschsprachig, fünf Prozent Slowenischsprachig und der Rest sind Friulaner und Italiener.“

Agnes „Neza“ Preschern ist mehrsprachig, was ihr als Wirtin in Weissenfels zu Gute kam. Sie sagt, dort würde heute nur noch rund ein Dutzend „echte“ Einheimische mit Kanaltaler Wurzeln wohnen: „Es gibt nur noch wenige Leute, es sind alle weggestorben. Es gibt 360 Einwohner und elf Nationen.“

Tarvis Hauptplatz
ORF
Der Hauptplatz von Tarvis

Vereinssitz als Wiege des Brauchtums

Die ehemalige Volksschule in Grünwald, unweit von Tarvis, ist der Sitz des Kanaltaler Kulturvereins. Dort befindet sich eine umfassende deutschsprachige Bibliothek mit rund 4.000 Büchern. Regelmäßig findet dort für Interessierte aller Altersgruppen Deutschunterricht statt. Seit zehn Jahren gibt es auch Zertifikate.

Deutschunterricht im Kanaltaler Kulturverein
ORF
Anne Niemer unterrichtet schon seit vielen Jahren Deutsch

Anne Niemer bringt hier Interessierten Deutsch bei – bis 1919 die offizielle Sprache im Kanaltal. Heute ist hier Deutsch an vielen Schulen Pflicht – ein Verdienst des Kanaltaler Kulturvereins In den freiwilligen Kursen, die regelmäßig stattfinden, bekommen nicht nur Kinder und Jugendliche den „Feinschliff“ in der deutschen Sprache.

Hansi Preschern, ein Gründungsmitglied Kanaltaler Kulturvereins sagt, dass auch ungefähr 40 Erwachsene das Angebot nutzen. Es gebe auch Sommerkurse, die sich großer Beliebtheit erfreuen. „Wir arbeiten, wir sind tüchtig und so lange wir noch eine Kraft haben werden wir weiter machen.“

Zukunftstraum viersprachige Ortstafeln

Eines der Ziele für die nächsten Jahre sind viersprachige Ortstafeln im Kanaltal – von Tarvis bis Pontebba, sagt Alfredo Sandrini. Man arbeite eng mit den slowenischen Kulturvereinen des Kanaltales zusammen. Gemeinsam habe man einen Brief an die Bürgermeister der Gemeinden des Kanaltales geschickt. Geht es nach den Vorstellungen der Vereine, sollen künftig nur der Beginn und das Ende jedes Ortes eine viersprachige Ortstafel erhalten: „Das soll auf Italienisch sein, das ist die offizielle Sprache, auf Deutsch, auf Slowenisch und Friulanisch.“ Diese Pläne seien nicht als Provokation zu verstehen: „Das ist ganz eine friedliche Sache.“ Damit wolle man betonen, dass im Kanaltal diese vier ethnischen Gruppen gut zusammen leben – ganz im Sinne des Alpen-Adria- und Europa-Gedankens.

Ortstafel von Tarvis
ORF

„Wir sind genau in der Mitte“

So wie er selbst fühlen sich viele Kanaltaler beiden Nationalitäten – den Italienern und den Österreichern – zugehörig, sagt Alfredo Sandrini und nennt ein Beispiel aus seinem Alltag: „Wenn ich in Kärnten bin und über ‚die Italiener’ geschimpft wird tut mir das leid, wenn ich in Italien bin und höre, dass über die Österreicher geschimpft wird, tut mir das auch leid.“

„Wir sind genau in der Mitte, deswegen sind wir Kanaltaler“, so der Präsident des Kanaltaler Kulturvereins.