Historisches Foto mit Menschen jeder Generation
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Cansiglio: Heimat der Zimbern

Die Hochebene Pian Cansiglio zwischen den Provinzen Belluno, Treviso und Pordenone ist – gerade jetzt im Herbst – ein beliebtes Ausflugsziel. Einst wurden hier Buchen nach Venedig transportiert. Die früheren Holzfäller gehörten zur Sprachminderheit der Zimbern.

Der Cansiglio ist ein breiter Talkessel, in dem sich ein landschaftliches Schutzgebiet befindet, das Teil des Natura 2000-Netzes ist. Die unberührte Natur schätzen auch zahlreiche Wildtierarten – wie Hirsche, Luchse, aber auch Bären, die hier leben.

Moosbewachsene Bäume
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Der Cansiglio war der „Wald der Dogen von Venedig“

Kleines Museum zur Artenvielfalt der Region

Über die Vielfalt der Flora und Fauna gibt ein kleines Museum Aufschluss. Dort erfährt man zum Beispiel, dass diese Ausprägung des Fichtenkreuzschnabels hier „Papagei des Cansiglio“ genannt wird.

Moosbewachsene Bäume
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Fichtenkreuzschnabel

Buchen zur Ruderherstellung für Venedig

Tannen, Kiefern und vor allem Buchen zählen zu den häufigsten Baumarten. Ihnen ist es zu verdanken, dass der Cansiglio früher als „Wald der Dogen Venedigs“ bekannt war, erzählt Luciano Borin: „Die Buchen wurden – nachdem sie nach Venedig transportiert wurden – dort zu Rudern verarbeitet. Diese Holzart ist sehr elastisch, aber auch widerstandsfähig. Ruder müssen ja einiges aushalten – also bezogen die Venezianer ausschließlich aus den Wäldern hier den Rohstoff dafür.“

Die Holzfäller gehörten großteils zur Sprachminderheit der „Zimber“. Sie lebten in „Vlorch“ genannten Siedlungen.

Zimberstätte mit Holzfigur und Holzhäuschen
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300 Zimbern konnten vom Handwerk leben

Das im Sommer gefällte Holz wurde im Winter zu Behältern in verschiedenen Größen, Käseformen, Sieben und anderen Gebrauchsgegenständen weiterverarbeitet. Dokumente belegen, dass die Produkte in den ganzen Mittelmeerraum und bis hin nach Sizilien und Griechenland exportiert wurden. Zur Hochblüte lebten 300 Zimber von diesem Handwerk.

Männer bei der Holzbearbeitung auf altem Foto
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Nur wenige sprechen noch „Zimber“

Heute sprechen nur noch wenige Menschen den alten bairischen Dialekt der Zimbern, der entfernt an das Deutsch des Mittelalters erinnert, sagt Francesco Azzalini, Präsident des Kulturvereins der Zimber des Cansiglio: „Bis ins 16. Jahrhundert wurden wir „todeschi“ – also Deutsche genannt. Als dann später, im 17. Jahrhundert, die Zimbern ihre Tiere bis hinunter in die Poebene zum Weiden brachten, wurden sie oft gefragt, wer sie seien. Sie antworteten dann: „Ich bin ein Zimbarar“ – was auf Zimbrisch Holzfäller bedeutet. Seit damals heißen wir Zimber.“

Sendungshinweis:

„Servus, Srecno, Ciao“, 12.10.19

Kulturverein bewahrt historisches Erbe

Ein eigener Kulturverein widmet sich dem Erhalt der Sprache und bietet auch in Schulen Kurse an. In einem kleinen Museum werden Einblicke in das Leben der Zimbern gewährt.

Holzutensilien für Zimberei
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Überlieferte Speise der Zimbern: Reh mit Kraut

Ein Gericht, das früher bei den Zimbern häufig auf den Tisch kam, war Reh mit Kraut, erklärt Köchin Annalisa Azzalini: "Früher gab es ja nicht so viel Fleisch – sie gingen in den Wäldern auf die Jagd und brachten zum Beispiel Reh heim. Das Kraut stammte aus ihren Gärten und es wurde im Herbst in großen Fässern eingelegt, vergoren und dadurch lange haltbar gemacht. Das Endprodukt sieht dann so aus. Wir verfeinern es mit weißem Speck.“

Köchin
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Ein gehaltvolles Gericht für die kalte Jahreszeit, das den Zimbern Kraft für die harte Arbeit im Wald gab.

Moosbewachsene Bäume
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Auch heute noch lebt das Handwerk

Der Tischler und Designer Francesco Celant verwendet nicht nur junges Schnittholz, sondern verwertet auch gerne alte Hölzer. Er kombiniert sie mit modernen Elementen und verleiht ihnen damit eine zweites Leben. Egal ob Eiche, Esche, Pappel, Birke oder Kastanie – neben frischem Schnittholz hat Francesco Celant auch viele zum Teil uralte Hölzer aus der Gegend zusammengetragen.

„Ich habe Industriedesign studiert. Auch wenn ich das Studium nicht abgeschlossen habe fließt es jetzt in meine Arbeit ein, eben in der Praxis, indem ich Eisen und Holz kombiniere und – von der Planung bis zur Fertigung – neue Kreationen erschaffe.“

Alte Baustoffe aus alten Häusern

Werden alte Häuser aufgelassen, ist für Francesco Celant sicher etwas dabei – seien es alte Nägel oder eben Holz. Dabei geht er auch gerne auf Kundenwünsche ein – und verwertet Dinge, die – auf den ersten Blick – hauptsächlich einen ideellen Wert haben.

„Es freut mich, wenn zum Beispiel der Enkel zu mir kommt und mich bittet, altes Holz, das ihn an seinen Großvater erinnert, weil er es einst geschnitten hat, in eine neue Form zu bringen und so die Familiengeschichte zu erhalten. Ich verwandle auch Holz aus Privatbesitz nach den Ideen der Kunden in etwas Neues."

"Kreative Resteverwertung

Diese kreative „Resteverwertung“ sei nicht immer leicht, sagt Francesco Celant. Auch wenn seine Materialien alt sind – sie sind sehr widerstandsfähig. Die Verarbeitung braucht viel Geduld und Fingerspitzengefühl, damit die modernen Maschinen nicht kaputt gehen. Für ihn war es klar, dass er seinen Heimatort Polcenigo nicht verlassen will. Er will mit Objekten wie diesen modernen Häusern eine gewisse „Wärme“ verleihen, sagt Celant: "Mit alten Holzbalken zum Beispiel bekommen auch moderne Häuser etwas Heimeliges, das dann sie vom gängigen Standard unterscheidet.“

So macht Francesco Celant aus Teilen alter Holzfässer auch moderne Uhren – die zeigen, dass – wenn man mit Phantasie und handwerklichem Geschick Altes mit Neuem kombiniert – zeitlose Gebrauchsgegenstände entstehen können.