Stärkefabrik voller Geschichte und Geschichten

In Ruda, unweit von Udine, befindet sich eine aufgelassene Stärkefabrik, die „Amideria di Chiozza“. Sie ist ein Beispiel für Industriearchitektur aus dem vorigen Jahrhundert und ein Symbol für den Kampf von Privatpersionen, die alte Fabriksruine vor dem Verfall zu retten.

Auf den Feldern der Bassa Friulana, der friulanischen Tiefebene, wurde vor 200 Jahren neben Getreide und Mais auch Reis angebaut. Durch die Wasserkraft erfolgte in Mühlen die maschinelle Weiterverarbeitung. Luigi Chiozza aus Triest war es, der das Potenzial dieser Gegend erkannte. Er hatte in Paris bei Louis Pasteur Chemie studiert. 1865 erschuf er in Ruda die „Amideria“, wo aus Reiskörnern in einem aufwendigen Prozess Reisstärke hergestellt wurde.

Amideria di Chiozza Stärkefabrik Ruda

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Produkte der Amideria di Chiozza

Beliebtes Exportprodukt bis nach Übersee

In einer fabrikseigenen Mühle wurde die getrocknete Reisstärke fein aufgemahlen - und das rund um die Uhr. Die Nachfrage war zu Spitzenzeiten groß, sei es für die Süßwarenerzeugung, aber auch für die Arzneimittelindustrie oder als Körperpflegeprodukt und Waschzusatz. Die hier erzeugte Stärke war für ihre Reinheit bekannt. Und so wurde sie von hier aus dann Containerweise nach ganz Italien und alle Welt geliefert, auch nach Amerika.

Das Wissen um die korrekte Verarbeitung wurde großteils mündlich überliefert. Mario Peressin hat in dritter Generation hier gearbeitet und war als Fabriksleiter 23 Jahre lang verantwortlich für die Überwachung des gesamten Produktionsprozesses.

Amideria di Chiozza Stärkefabrik Ruda

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Das Dach der Fabrik ist teilweise einsturzgefährdet

„Lavendelduft füllte den Verpackungsraum“

An seine Kontrollgänge durch die einzelnen Abteilungen erinnert er sich noch gut, genau so wie an die besonderen Gerüche. Er bevorzugte jenen im Verpackungsraum besonders gut, sagt er. Die Stärke, die für Kosmetik verkauft wurde, wurde mit Lavendelessenz behandelt. Er wird ihn nie vergessen - es war für ihn der angenehmste Geruch in der ganzen Fabrik.

Einige Jahre vor dem endgültigen Aus der Amideria ging Mario Peressin in den 1980er Jahren in Pension. Schwierige Zeiten hatten sich nach einem Eigentümerwechsel schon abgezeichnet. Er wollte nicht miterleben, wie „seine Firma“ den Bach hinunter geht, sagt er. So hat er sich dazu entschlossen, umzusatteln - auch wenn es ihm schwer fiel.

Amideria di Chiozza Stärkefabrik Ruda

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Die alten Fabrikshallen sollen bald auch für Besucher zugänglich gemacht werden

Verein will vor allem Immaterielles bewahren

Die Mitglieder des Vereins „Associazone Amideria Chiozza“ holten alte Dokumente aus der Fabriksruine und werteten sie aus. So können sie Rückschlüsse darauf ziehen, unter welchen Bedingungen die Menschen hier früher arbeiteten, schildert Patrizia Guerra.

Aus den Aufzeichnungen geht hervor: Es herrschten in der „Amideria di Chiozza“ fast familienähnliche Bedingungen. „Der Direktor schaute, dass all seine Mitarbeiter, aber auch ihre Familien versichert waren. Für eine ländliche Gegend wie diese war die Fabrik aber die ganze Zeit über eine wichtige Einnahmequelle - auch junge Frauen hatten die Möglichkeit, ihr eigenes Geld zu verdienen und sich eine Existenz zu erschaffen, bevor sie heirateten“, erzählt Patrizia Guerra.

Amideria di Chiozza Stärkefabrik Ruda

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Historische Aufnahme einer Mitarbeiterin der Stärkefabrik

Raffaele Antonio Caltabiano, Präsident Verein "Amideria di Chiozza“ sagt, es sei nicht leicht, die Erinnerung zu bewahren - das Immaterielle. „Die Mauern kann man irgendwie erhalten, und die Maschinen auch, aber die Erinnerung der Menschen zu erhalten ist viel komplizierter“, sagt Raffaele Antonio Caltabiano.

Schüler lernen Fabriksalltag kennen

Umso wichtiger sei es, dass es noch Zeitzeugen wie Mario Peressin gibt. Er spricht noch heute gerne über die goldenen Zeiten der Amideria - sei es bei Führungen, aber auch im Rahmen von Projekten mit Schülern aus der Region, die verstehen wollen, wie früher einmal in der Großproduktion gearbeitet wurde.

Sendungshinweis:

„Servus, Srečno, Ciao“; 19.1.19

Denis D’Ambrosi machte mit seiner Schulklasse an einem dieser Projekte mit und ist begeistert von den gesammelten Erfahrungen: „Wir haben Dinge gelernt, von denen wir sonst wahrscheinlich nur aus den Büchern erfahren hätten. Es ist ein Teil der Geschichte unserer Region - durch dieses Projekt haben wir erfahren, wie wichtig diese Fabrik früher einmal für die Menschen aus der Gegend hier war.“

Amideria di Chiozza Stärkefabrik Ruda

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Alte Dampfmaschine

Museum für Besucher geplant

Demnächst soll ein Museum entstehen, um zu zeigen, wie früher einmal in Ruda Reisstärke hergestellt wurde. Nächstes Jahr soll auch eine Dampfmaschine aus der Zeit der industriellen Revolution restauriert werden. Über hundert Jahre lang erwies sie in der Fabrik gute Dienste - sie gilt nicht nur als nach wie vor sichtbares „Herzstück“, sondern auch für die Wissenschaft als Vorzeigebeispiel für die einstige Arbeitsweise in der Amideria di Chiozza in Ruda.