Musikfestival für Minderheitensprachen

Euskara, Samisch und Furlàn - wer sich schon immer gefragt hat, wie diese Minderheitensprachen klingen ist Ende November in Udine richtig. Dort findet heuer zum vierten Mal ein Festival für Musik und künstlerische Darbietungen in Minderheitensprachen statt.

Leo Virgili, der künstlerische Leiter von „SUNS“, sagt, das Festival habe sich im Laufe der Jahre zu einer Art „Oscarverleihung“ für künstlerische Darbietungen in den Bereichen Musik, Theater und Kino in Minderheitensprachen entwickelt: „Wir haben vor neun Jahren das Festival ins Leben gerufen. Zuerst war es auf Minderheitensprachengebiete im Alpenraum und Mittelmeerraum - Italien, Schweiz, Österreich, Slowenien. Weil es gut angekommen ist entschieden wir uns dafür, es auf ganz Europa auszudehnen.“

Heuer findet das Festival bereits zum vierten Mal statt. „Jedes Jahr sind wir europaweit auf der Suche nach den besten künstlerischen Projekten auf dem Sektor der Minderheitensprachen.“ Diese müssen aber nicht unbedingt nur folkloristisch geprägt sein, sagt Virgili: „Alles, was modern und neu ist ist unserer Meinung nach die einzige Möglichkeit, um althergebrachte Sprachen auch eine Basis für die Zukunft zu geben.“

SSC Minderheitensprache Friulano

Trailer Musikfestival SUNS

Das Musikfestival „SUNS“ zeigt die sprachliche Vielfalt Europas

Luna e un quarto gehen für Friaul an den Start

Die Band „Luna e un quarto“ geht heuer für ihre Heimatregion Friaul Julisch Venetien an den Start. „Wir sind schon sehr aufgeregt. Unsere Lieder neben anderen Künstlern aus ganz Europa, die in Minderheitensprachen musizieren, dem Publikum präsentieren zu können, ist wirklich ein tolles Gefühl“, sagt Harmonikaspieler Alessio „Balute“ Turco, der mit fünf seiner Freunde regelmäßig auf der Bühne steht.

Für ihre künstlerische Aktivität in der Minderheitensprache, die sie als Mix aus Etno, Folk und Blues bezeichnen, wurden sie bereits mehrfach mit Musikpreisen in ganz Italien ausgezeichnet. Für die heurige Ausgabe von SUNS haben „Luna e un quarto“ ein Gedicht des friulanischen Dichters Leonardo Zanier musikalisch aufbereitet, erzählt Turco: „Es handelt von der Identität - also erschien es uns geeignet für dieses Festival. Identität kann so vielschichtig sein, egal ob man aus dem Friaul, aus Katalonien oder dem Baskenland kommt. Wenn man offen ist, ist es etwas Positives, eine Bereicherung - das möchten wir auch mit unserem Lied zum Ausdruck bringen.“

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Die Musiker von „Luna e un quarto“ singen seit neun Jahren gemeinsam auf Furlàn

Wer den Beitrag von „Luna e un quarto“ und den anderen Teilnehmern des Festivals „SUNS“ für Musik in Minderheitensprachen hören möchte hat vom 29. November bis 2. Dezember Gelegenheit dazu. Einer der Austragungsorte ist das Teatro Nuovo Giovanni da Udine. Auch ein umfangreiches Rahmenprogramm erwartet die Besucher.

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ARLeF will Alltag von Minderheiten erleichtern

Egal ob in der Familie oder bei einem „Taj“, dem typischen „Stehachterl“ - rund 600.000 Personen sprechen heutzutage noch „Furlàn“. Die Ursprünge dieser Sprache gehen auf gallische und venezianische Dialekte zurück; auch von germanischen und slawischen Einflüssen wurde die Sprache geprägt. ARLeF, die Regionalagentur der friulanischen Sprache, will den Alltag der in Furlàn sprechenden Bevölkerung in der Region erleichtern.

In den letzten Jahren sei beispielsweise erforscht worden, wie weit das Friulano in der Region heutzutage verbreitet ist: „Nach wie vor wird es von rund 600.000 Personen aktiv gesprochen - vorwiegend in den Provinzen Görz, Pordenone und Udine. In 179 Gemeinden der Region ist sie auch als Amts- und Schulsprache anerkannt.“ Vor allem bei den Unter-30-Jährigen findet die Sprache regelmäßig verwendung.

Es werden regelmäßig Projekte, auch auf EU-Ebene realisiert, wie aktuell das Interreg-Projekt „EUMINT“ mit ingesamt 20 Partnern aus Österreich und Südtirol. Es gehe dabei nicht nur um die herkömmliche Integration von Migranten - zum Beispiel auf dem heimischen Arbeitsmarkt, sondern es soll auch das Eintauchen und annehmen der jeweils lokalen Kultur gefördert werden.

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Ein Teil des Teams der Regionalagentur für die friulanische Sprache ARLeF

Jeder siebente Europäer gehört Minderheit an

Günther Rautz, Experte für Minderheitenrecht, sagt, Erhebungen hätten ergeben, dass in der europäischen Union ungefähr jeder siebente Angehöriger einer Minderheit ist. Dabei müsse beachtet werden, ob es eine Minderheitensprache sei, die im Nachbarstaat die Mehrheitssprache ist - wie das Deutsche in Österreich und Deutschland, das natürlich auch in Südtirol als Minderheitensprache anerkannt wird oder ist es eine Sprache, die nicht in einem anderen Staat eine Mehrheitssprache ist.

Im gesamteuropäischen Kontext gesehen gebe es laut Rautz große Unterschiede, was die „Stärke“ und Verbreitung der Minderheitensprachen betreffe: „Es gibt eben ganz starke Sprachen, die einen Nachbarstaat haben - das Deutsche in Südtirol ist natürlich mit über 90 Millionen Sprechern im Hintergrund ganz stark. Es gibt natürlich auch ein ganz starkes Ungarisch in Rumänien. Dann gibt es aber auch Sprachen, die nicht dieses Mehrheitsvolk haben, wie das Katalanische. Es gibt keinen katalanischen Staat und trotzdem ist das Katalanische eine ganz starke Regionalsprache.“

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Die friulanische Flagge

Ab 4.000 Sprechern droht Sprache das Vergessen

Sprachwissenschafter gehen davon aus, dass eine Sprache ab 2.000 bis 4.000 Sprechern gefährdet sei. Dann seien die Überlebenschancen zu gering. Studien zu kleineren Sprachinseln würden dies belegen, so Rautz: „Es gibt auch deutsche Sprachinseln in Oberitalien in Trient bzw. in Friaul Julisch Venetien und im Veneto. Sie versuchen natürlich, ihre ursprüngliche Sprache zu erhalten. Das kostet meistens sehr viel Geld und die Frage ist, ob sich diese Investition auszahlt oder ob es besser ist, dass diese Minderheitenangehörigen dann eben die Sprache der Mehrheit oder zumindest die Standardsprache spreochen.“

Um Minderheiten den ihnen gebührenden Schutz zu ermöglichen, müsse in erster Linie der rechtliche Rahmen dafür geschaffen werden, so Rautz: „Es braucht natürlicha auch Geld, damit eben auch in den Schulen diese Sprache unterrrichtet wird. Aber die Hauptaufgabe liegt weiter bei den Familien. Wird zu Hause noch diese Sprache verwendet, wird sie weitergegeben und ist man stolz auf diese Sprache.“

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Das Projektteam von „Cressi cun plui lenghis“ - „Aufwachsen mit mehreren Sprachen“ bei einer Besprechung

Ziel: Nächste Generation ansprechen

So setzte sich auch ARLeF für die kommenden Jahre das Ziel, der nächsten Generation die furlanische Sprache näherzubringen, sagt Cisilino. Dazu sollen zum Beispiel Kindersendungen und Zeichentrickfilme betragen, wie die Serie „Tui und Tuie“. Darin erleben zwei friulanisch sprechende Katzen gemeinsam verschiedene Abenteuer und lernen wichtige Lektionen für ihr späteres Lieben. „Durch solche Beiträge versuchen wir sicherzustellen, dass unsere Sprache nicht verloren geht“, so der Leiter von ARLef.

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Zeichentrickfilm auf Furlàn

Vorlesen fördert Sprachentwicklung

Bereits seit sechs Jahren versucht man im Krankenhaus von Palmanova frischgebackene „Mammas“ dafür zu begeistern, ihre Kinder von Klein auf mit dem Furlàn in Kontakt zu bringen, erklärt Claudia Iogna Prat. Sie erhalten nach der Geburt Geschenksboxen, in denen sich unter anderem Märchenbücher auf Friulano befinden.

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Die kleine Emily wird zweisprachig aufwachsen.

Laut Weltgesundheitsorganisation fördere das laute Vorlesen die Sprachentwicklung der Kinder. „Wird in einer oder mehreren Fremdsprachen vorgelesen wird der Effekt verstärkt“, sagt die Medizinerin. Die meisten Eltern würden positiv auf diese Anregung reagieren.

In der Region sei in den vergangenen Jahren ein besonderes Phänomen zu beobachten, spricht Iogna Prat aus Erfahrung: „Es gibt hier immer mehr Mütter, die aus anderen Ländern zugezogen sind. Also ist die Sprache des Landes, in dem die Kinder aufwachsen, ein geistiger Besitz, ja ein kultureller Schatz, den es zu erhalten gilt. Es kann nur von Vorteil sein, wenn die Kinder mehrsprachig aufwachsen.“

Messen auf Furlàn nicht immer zulässig

Mehrsprachigkeit dürfe nie als Selbstverständlichkeit gesehen werden, gibt Pre Romano Michelotti zu bedenken. Er setzt sich seit 45 Jahren für den Erhalt des Furlàn als Kulturgut ein und hält in Villanova di San Daniele die Messe in der Minderheitensprache ab.

Sendungshinweis:

Servus, Srečno, Ciao, 24.11.18

Für viele, überhaupt ältere Gläubige, sei dies ein wichtiger Bezugspunkt: „Vor dem zweiten Vatikanischen Konzil wurden die Messen auf Latein abgehalten. Bis 1915 predigten die Pfarrer auch auf Friulano. Es war die Sprache des Volkes. Durch den Ersten Weltkrieg kamen Soldaten aus ganz Italien nach Friaul. Das machte es notwendig, die Messe nur auf Italienisch abzuhalten. Dafür setzte sich auch die Politik und der damalige Bischof ein. Um 1930 wurde dann auch der slowenischen Minderheit untersagt, auf Slowenisch zu predigen. Der Faschismus sah nur eine einheitliche Sprache und Kultur vor.“

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Pre Romano Michelotti hält seit 45 Jahren Messen auf Furlàn

Um einen Gegentrend zu bewirken setzte sich Pre Romano Michelotti gemeinsam mit befreundeten Pfarrern aus der Gegend jahrelang dafür ein, dass die Menschen auch in Glaubensfragen auf ihre Muttersprache setzen können. Massimo Garlatti Costa stellte dieses Bemühmen in einem Dokumentarfilm dar: „Gerade in Zeiten der Globalisierung finde ich es wichtig, dass die jahrhundertelange friulanische Kultur erhalten bleibt.“