Wie der Mensch den Tagliamento prägt

Der Foto- und Konzeptkünstler Herwig Turk widmet der Flusslandschaft des Tagliamento - im Norden der friulanischen Tiefebene - eine eigene Ausstellung, die derzeit in Klagenfurt zu sehen ist. Im Mittelpunkt stehen der Einfluss des Menschen und die sich dadurch ergebenden Veränderungen.

Es ist nicht die klassische Postkarten-Idylle, die Herwig Turks Aufmerksamkeit erregt. Bei seinen fotografischen Ausflügen fühlt er sich magisch angezogen von „Übergangs- und Störungszonen“. Entlang des Flusslaufes des Tagliamento fand der gebürtige Kärntner ein Terrain voller Widersprüche und Gegensätze wieder.

SSC Ausstellung Tagliamento Herwig Turk UNIKUM

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Tagliamento Foto von oben

Uferzonen, die im Zeichen der Regulierung stehen und entsprechend devastiert sind. Brücken und Festungsanlagen zeugen von den Anstrengungen, den Tagliamento als Hindernis zu überwinden und unter Kontrolle zu bringen. Schleusen, Kanäle und Rohrleitungen verweisen auf die Ausbeutung seiner Wasserressourcen. Dazu kommen die in ständiger Bewegung befindlichen Schotterbänke, die in der labilen Tektonik der Region ihre Entsprechung finden. Spuren der Auflösung sind allenthalben zu sehen: erodierende Böschungen, entwurzelte Bäume, desolate Gebäude. Die Möglichkeit von Überflutungen oder Erdstößen ist allgegenwärtig.

SSC Tagliamento Ausstellung Herwig Turk

UNIKUM/Niki Meixner

UNIKUM-Wanderung mit kollektiver Kunstaktion entlang des Tagliamento

„Expedition Tagliamento“ gemeinsam mit UNIKUM

Eine ganz normale Fotoausstellung darf man sich nicht erwarten. Alleine schon sein Berufsbild sei immer schon recht „unscharf“ gewesen, sagt Turk: „Als Fotograf wurde ich noch nie wahrgenommen, obwohl die Fotografie ein Teil der Arbeit ist.“ Es gehe ihm vielmehr um eine Topographie des Raumes, wo der Tagliamento durchfließt, auf fotografischer Ebene, aber auch mit Videos und Fotos angereichert, herzustellen. Es solle nicht etwas entstehen, was als geschlossenes Werk dasteht, sondern eher eine „Expedition“ nachvollziehbar machen.

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Herwig Turk

Emil Kristof und Gerhard Pilgram vom Universitätskulturzentrum UNIKUM traten vor zwei Jahren an ihn heran und weihten Turk in ihre Pläne ein, ein Projekt über den Tagliamento unter dem Titel „Geschiebe“ gestalten zu wollen. Durch seine Ausstellung im Museum Moderner Kunst Kärnten, in der er sich der „Landschaft als Labor“ widmete, habe er dieses Angebot gerne angenommen. Die bisherigen Kooperationen mit UNIKUM seien immer positiv verlaufen.

Sendungshinweis:

Servus, Srečno, Ciao, 24.11.2018

Turk: Facettenreiches Flussbett besser kennengelernt

Herwig Turk kannte das scheinbar naturbelassene Flussbett früher nur vom Vorbeifahren. In den vergangenen zwei Jahren setzte er sich intensiv mit dem Lebensraum seltener Tier- und Pflanzenarten auseinander und lernte auch viele andere, weniger bekannte Facetten des Flusses kennen. Seine Eindrücke - auch kritischer Natur - ließ er in seine Landschaftsporträts und Videoarbeiten einfließen. Zu sehen sind sie in Klagenfurt in der Ausstellung unter dem Motto „Unstable Ground - Loser Boden - Majava tja - Terra mobile“.

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Fundstücke aus dem Flussbett

"Eigentlich sind die Überschwemmung und die Überschwemmungsgebiete und die danach folgenden kleinen Nebenläufe ganz wichtige Nischen des Ökosystems. Dort finden auch die kleinen Fische und Amphibien geschützten Raum und die Biodiversität nimmt durch so etwas zu“, so der Künstler.

Interviews von Anrainern ermöglichen anderen Blick

Sein persönlicher Anspruch war es, etwas zu machen, das - ausgehend von seiner Heimat Kärnten - auch jenseits der Grenzen eine gewisse Wirkung entfalten könne, sagt Turk. Um seinen künstlerischen Blick auf den Fluss nicht nur auf seine eigenen Erfahrungen zu basieren, sondern aus unterschiedlichen Perspektiven zu gestalten interviewte er für sein Projekt auch drei Einheimische. Dadurch habe sich auch seine eigene Sichtweise mit jeder Reise zum Tagliamento verändert.

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„Obwohl ich weder Geologe, noch Biologe bin, habe ich angefangen, die Landschaft anders zu verstehen. Die Recherche findet ja nicht nur im Flusstal statt, sondern auch in der Bibliothek von Gemona zum Beispiel. Auch in Gesprächen mit den Leuten, die entlang des Tagliamento wohnen. In den Interviews habe ich versucht verschiedene Positionen darzustellen. Ich habe einen 75-jährigen Gärtner interviewt, eine pensionierte Krankenschwester und einen Geologen.“

SSC Ausstellung Tagliamento

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UNIKUM: Publikum wird bei Wanderungen aktiv

Das Universitätskulturzentrum UNIKUM veranstaltete im September eine geführte Wanderung einschließlich kollektiver Kunstaktion entlang des Tagliamento, erzählt Mitinitiator Niki Meixner: „Es wird extra für die Erkundung des Ortes, des Weges, überlegt, wie man einen Zugang findet, die Landschaft anders zu lesen. Da werden von Musikern bis hin zu bildenden Künstlern oder Performance-Künstlern immer unterschiedliche Projekte vor Ort realisiert. Das ist natürlich ganz ein spezielles Erlebnis für alle Sinne.“

Ziel der Wanderung entlang des Tagliamento war es, auch die 50 Teilnehmer selbst aktiv werden zu lassen: „Im Flussbett, wo noch wenig Wasser war, erhielten die Teilnehmer eine Handlungsanweisung: nach urbanen Gegenständen Ausschau zu halten, die der Fluss mitgeschwemmt hat - von alten Schuhen bis hin zu Betonresten mit Eisenstücken.“

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Impressionen vom Tagliamento im Bild

Neuer Raum für zeitgenössische Fotokunst

Zu sehen sind diese Dinge auch in der Ausstellung im „Raum für Fotografie“ in der St. Ruprechter Straße 10 in Klagenfurt. Gerhard Maurer entschied sich vor zwei Jahren dazu, ihn auch für Besucher zu öffnen: „Das ist nicht nur mein Fotoatelier, weil ich Fotograf bin. Er soll vor allem auch ein Raum sein, in dem mehrmals jährlich zeitgenössische Fotokunst Interessierten nährgebracht wird. Mein Anliegen ist es, zu schauen, dass in Klagenfurt - und das ist eigentlich noch ein neues Terrain - Fotografie im Gegenwartskontext ein Stück stärker in die Öffentlichkeit wirken kann. So soll dieser Raum auch für Workshops und Diskussionsrunden, aber auch kleine Ausstellungen genutzt werden.“

Öffnungszeiten:

Die aktuelle Ausstellung von Herwig Turk ist bis 10. Dezember geöffnet.

  • Do 16.00-19.00 Uhr
  • Fr 13.00-16.00 Uhr
  • Sa 10.00-13.00 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung unter 0043 676 / 7714054 oder 7714038 oder 0043 699 12851189.

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