In einer groß angelegten Studie mit einem Forscherteam fand Reiner heraus, dass der Klimawandel bzw. der Hitzestress dazu führt, dass das Körpergewicht der Gämsen abnehme: „Mit steigenden Frühlings- und Sommertemperaturen haben sie rund 13 Prozent an Körpergewicht verloren.“ Die Ursachen dafür sind unterschiedlich: „Je früher die Gräser, Kräuter und Sträucher zu wachsen beginnen, desto früher nimmt die Qualität ab, desto früher werden sie dürr und verholzen. Da ist die Energie geringer und schwieriger für den Verdauungstrakt.“ Thermoregulation verbrauche außerdem auch Energie.
Fortpflanzungszeit passt nicht mehr
Das hat Auswirkungen auf die Fortpflanzung und Überlebenswahrscheinlichkeit der Tiere. Denn je schlechter die Nahrung, desto weniger Fettreserven für den Winter. Vor allem Jungtiere sind von der Gewichtsreduktion betroffen, so Reiner: „Das Gamswild hat sich angepasst, wie auch andere Tiere, ihre Jungen zu Beginn der Vegetationsperiode zur Welt zu bringen. Da herrschen ideale Bedingungen für die Mutter, sie hat die energiereichste Milch für das Jungtier. Jetzt hat sich der Vegetationsbeginn um zwei bis drei Wochen nach vorne verschoben, die Kitze kommen aber zum selben Zeitpunkt zur Welt.“
Wandel betrifft Tiere im Hochgebirge
Das bedeutet, dass die Evolution mit der Geschwindigkeit des Klimawandels nicht mithalten kann. Die Forscher griffen für die Langzeitstudie auf umfangreiches Datenmaterial zurück, nämlich die Jagdstrecken der Gämsen der vergangenen 30 Jahre in den gesamten Ostalpen, so Reiner: „Jeder Jäger, der ein Stück erlegt, muss das Alter und das Gewicht melden. Daran konnten wir feststellen, dass es über die Jahrzehnte zu der Gewichtsabnahme gekommen ist.“ Diese zeigt sich allerdings nur bei Populationen im Hochgebirge. Tiere, Die im Wald ihren Lebensraum haben, kommen mit der Wärme besser zurecht.
Tiere bekommen GPS-Sender
Ob mehr Gämsen jetzt in die Wälder wandern, sei noch unklar, so der Wildbiologe: „Das heißt nicht zwingend, dass neue Lebensräume erschlossen werden. Aber die Dichten im Wald könnten höher werden. Wir besendern die Tiere jetzt mit GPS und untersuchen ihre Wanderungen in Relation zur Umgebungstemperatur. Die Arbeitshypothese ist, dass die Tiere mit steigenden Temperaturen in die Wälder wandern.“ Erste Ergebnisse zur Untersuchung werden in frühestens zwei Jahren vorliegen.
Der Gams wird es zu heiß
Am Dienstag widmet sich ein Universum spezial um 20.15 Uhr in ORF 2 dem Thema „Klima wandelt Wildnis – Zwischen Anpassung und Artensterben“ – mehr dazu in Universum spezial.