Alexander Widner
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Kultur

Widner: Altern ist nichts für Feiglinge

Zwei Bücher hintereinander hat Alexander Widner herausgebracht: „Frostsommer“, erschienen im Wieser Verlag, versammelt die Aufzeichnungen aus den letzten beiden Jahren. „Notizen zu Bret“ erzählt das Leben eines alten Mannes. Der 82-jährige Schriftststeller macht auch hier wieder klar, dass das Alter nichts für Feiglinge ist.

Die kurzen Passagen in „Frostsommer“ sammeln sich an, sagte Widner. Wieder erscheint ein Buch mit Anmerkungen zur Welt im Allgemeinen und allem, worüber man sich genüsslich ärgern kann – die Welt, das Alter, die Gesundheit: Es handelt sich um sehr kluge und oft beißende Beobachtungen und Kommentare eines hellwachen Menschen, dem man nichts mehr vormachen kann. Trotzdem kommt in „Frostsommer“ immer wieder auch der Humor durch.

Zu ungeduldig für langen Roman

Widner weiß, dass er für einen Roman – schon gar einen langen – zu ungeduldig ist. Aufzeichnungen funktionieren aber sehr gut. Der 82-Jährige sammelt Splitter oder Sternschnuppen einer Welt, in der nichts mehr zusammenpasst: „Dass so viel auffallend ist – speziell an Misslungenem – dass man fast bei der Aufzeichnung oder dem Notat oder wie man das auch immer nennen kann – dabei landet. Kein Schweinefleisch, kein Roggenbrot, nicht Schweiß und Schande und auch kein Hosenträgervorkommen darf man getrost ausmisten.“

Alexander Widner Schriftsteller
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Widner steht zum grimmigem Humor

Das Etikett „grimmiger Humor“ gefällt Widner ausnehmend gut. Also schuf er in seinen Büchern das, was er sich vornahm: Der in Klagenfurt lebende Schriftsteller schreibt Literatur, die sprachlich präzise ist. Er schaut genau hin und nie weg: „Ich möchte ein bisschen der Menschheit auf die Schliche kommen. Ich bin ja selbst Teil dieser Menschheit, also will ich selbst mir auf die Schliche kommen. Daher überziehe ich alles mit Zweifeln auf der hiesigen Welt – auch mich selbst. Dann kommt zwangsläufig so etwas wie grimmiger Humor heraus. Das geht gar nicht anders.“

Alter ist für den Autor eine unheilbare Krankheit, die mit dem Tod endet. Sehr selten wird so ehrlich davon geschrieben, was Alter und Krankheit mit einem Menschen machen. Widner schreibt genau darüber, worüber sich auch viele andere Menschen Gedanken machen: „Wie lange bin ich noch da? Darf ich noch halbwegs gerade gehen? Heute war ich auf der Post – das war ein mühseliger Weg hin und zurück.“

Geschichten eines alten Mannes

„Notizen zu Bret“ erzählt das Leben eines alten Mannes. Bret hat allerdings genug Ecken und Kanten, hat genug in seinem Leben nicht richtig gemacht, aber Einiges wirklich gut. Am Ende steht er alleine da: „Ich nehme an, dass er dem Leben gegenüber im Grunde ratlos ist, so wie wahrscheinlich wir alle. In unseren guten und schlechten Stunden sind wir im Grunde so ratlos, dass wir ausschlagen und es nachher bereuen, aber da haben wir dann schon ausgeschlagen. Er ist auch so ein ratloser Typ, der natürlich aus dieser Ratlosigkeit heraus überall hineintappt und noch irgendetwas gut machen will, was ihm hin und wieder gelingt.“

Figuren gehen Widner auf die Nerven

Widner schrieb mit „Notizen zu Bret“ wieder einen längeren erzählerischen Text. Sprachlich sehr dicht, genau und unter die Haut gehend. Einen Roman schrieb Schriftsteller schon lange nicht mehr, er hat auch keine Lust, sich ewig mit den Figuren herumzuschlagen. Er zieht es vor, in seinem Kopf alleine zu sein und daher ereilte auch Bret das Schicksal: „Zum Schluss ist er mir schon so auf die Nerven gegangen, da habe ich ihn schnell älter werden und sterben lassen. Ich habe die Figur vier Wochen mit mir herumgetragen und es war mir schon langsam unerträglich, den Bret im Kopf zu haben. Ich habe beschlossen er muss jetzt sterben, sonst macht er mich wahnsinnig.“

Schreibend ankämpfen gegen Demenz

Schreiben ist für Widner Teil des Lebens. Bescheiden ist an diesem Schreiben nichts aber er ist selbst sein größter und strengster Kritiker: „Aber ich habe nichts mehr vor, zu veröffentlichen. Ich schreibe natürlich weiter, alleine schon, um gegen die Demenz anzukämpfen, damit sie mich hoffentlich nicht erreicht.“ Kaum ist er mit diesen beiden Büchern fertig, denkt er schon wieder darüber nach, was er noch hätte anders, also besser, machen können. Zufrieden mit sich ist Widner nur ganz selten und das nur kurz. Das Fazit des 82-Jährigen: „Was ich will, ist verrückt. Was ich kann, ist zweifelhaft.“

„Notizen zu Bret“ besticht nicht nur durch Alexander Widners Text sondern auch durch die großartigen Zeichnungen des gebürtigen Kärntners Guido Katol.