Plakat gegen häusliche Gewalt
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Chronik

Anstieg von Wegweisungen

Die Anzahl der Betretungsverbote ist um zehn Prozent gestiegen und es stiegen auch die Beratungen im Gewaltschutzzentrum Kärnten. Gewalt in der Partnerschaft ist oft als Kind quasi erlernt worden, gewaltfreie Konfliktbewältigung aber nicht.

Für Margot Moser-Lechner, Juristin und Beraterin beim Kärntner Gewaltschutzzentrum, ist die aktuelle Tendenz des Anstiegs der Gewaltbereitschaft bzw. deren Meldung bei der Polizei, einerseits ein Zeichen für die gesellschaftliche Entwicklung: „Es zeigt aber auch, dass die gesetzten Maßnahmen wie das polizeiliche Betretungs- und Annäherungsverbot, auch wirkt. Dass sich Frauen eher trauen, die Polizei zu rufen, weil sie einschreiten und die Gewalt unterbrechen kann.“

Verantwortung immer beim Gewalt ausübenden

Oft handle es sich um erlernte Muster, so Moser-Lechner. Man wisse, dass Kinder, die zu Hause Gewalt miterleben, später ein höheres Risiko haben, selbst gewalttätig zu werden, wenn es sich um Buben handle. Bei Mädchen steige das Risiko, Opfer von Partnergewalt zu werden. „Buben identifizieren sich oft mit ihren gewalttätigen Vätern und haben nicht gelernt, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Alkohol wird oft als Rechtfertigung herangezogen, ebenso wie Kontrollverlust oder man sei provoziert worden. Auch da muss man sagen, das sind Rechtfertigungen, die so nicht greifen, weil die Verantwortung immer bei dem liegt, der die Gewalt ausübt.“

Expertin Kraker-Kölbl über Gewalt bei Frauen

Die Leiterin des Frauenhaus in Villach Christina Kraker-Kölbl spricht unter anderem über Gewalt bei Frauen und ob mittlerweile das Bewusstsein dafür größer geworden ist. Außerdem berichtet sie ob in den Frauenhäusern in Österreich genug Platz ist oder ob Frauen sogar abgewiesen werden.

Zu 95 Prozent sind es Frauen, die sich an das Gewaltschutzzentrum wenden. Aber es kommen auch Männer, die die Spirale der Gewalt in ihren Beziehungen durchbrechen möchten. Es gelte, schon erste Anzeichen zu identifizieren und ernst zu nehmen, so Moser-Lechner. Im Ernstfall sei zu empfehlen, nicht mit Gegengewalt auf gewaltsame Übergriffe zu reagieren, sondern zu versuchen, auf seine Notlage aufmerksam zu machen – also Orte aufzusuchen, wo viele Menschen sind; um Hilfe rufen oder über das Mobiltelefon die Polizei verständigen.

Herabwürdigung mögliches Anzeichen für Gefahr

„Wenn ein Partner ganz übertrieben eifersüchtig ist, mir versucht den Kontakt mit Freundinnen und Familie zu verbieten, meint dass Frauen keine Ausbildung brauchen, oder die Partnerin immer wieder herabwürdigt und ihr das Gefühl gibt wertlos zu sein, dann muss man aufpassen weil das Zeichen dafür sind, dass es zu Gewalt kommen kann, oder eben schon psychische Gewalt ausgeübt wird – und in weiterer Folge auch noch körperliche Gewalt“, so die Juristin.

Immer mehr Wegweisungen

In St. Andrä in Kärnten hat ein Mann seine Lebensgefährtin stundenlang eingesperrt und misshandelt. Die Polizei hat ihn festgenommen. Die Zahl der Betretungsverbote und Wegweisungen stieg im Vorjahr um rund zehn Prozent.

Alleine im Vorjahr wurden 800 Fälle häuslicher Gewalt in Kärnten gezählt. Es gab um zehn Prozent mehr Wegweisungen. Zu den Wegweisungen sagte Miriam Wellik von der Kriminalprävention: „Man kann sich das so vorstellen, wie zwei kleine Kinder, die miteinander streiten und von den Eltern getrennt wurden, damit sich die Situation beruhigt. Den beiden Beteiligten werden dann zwei Wochen Zeit gegeben, um darüber nachzudenken, welche Maßnahmen können wir treffen, um unser gemeinsames Zusammensein zu verbessern.“

Um Hilfe rufen kann man in jedem Fall, so Wellik: „Ich höre das immer wieder: Ich kann doch deshalb nicht 133 anrufen. Egal wie klein Sie denken, dass diese Sache ist, melden Sie sich bei uns – wir kommen vorbei und versuchen zu helfen, so gut wir können.“

Auf Gewalt nicht mit Gewalt reagieren

Roswitha Bucher vom Gewaltschutzzentrum: „Wir haben heuer um zehn Prozent mehr betroffene Personen als im Vorjahr. Wir wissen aber aus den Gewaltgeschichten, dass die Menschen, die in Beratung gehen, früher anrufen, früher Hilfe suchen.“ Doch wie merkt man, dass in einer Beziehung eine Grenze überschritten wird und sich die Gewaltspirale zu drehen beginnt? „Eifersucht, Eingrenzung sind zwei sehr wesentliche Merkmale oder Witze machen über die Person sind Warnsignale, die einen hellhörig machen sollten“, so Bucher.

Roswitha Bucher vom Gewaltschutzzentrum
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Roswitha Bucher

Auf jeden Einzelfall zugeschnitten wird eine Gefahreneinschätzung und ein Sicherheitsplan entwickelt. Generell raten die Expertinnen dazu, auf Gewalt nicht automatisch mit Gewalt zu reagieren, aber auch nicht im Stillen zu ertragen, sondern auf sich aufmerksam zu machen.

Hilfesignale senden

Es gibt einen stillen Notruf durch eine App am Handy, wenn es einem nicht möglich ist, zu telefonieren. So kann man die Exekutive auf die Notsituation unauffällig aufmerksam machen.

Handzeichen gegen häusliche Gewalt
Hatto von Hatzfeld /Wikipedia

Es gibt auch ein internationales Handzeichen, mit dem bedrohte Frauen unauffällig andere Menschen um Hilfe bitten können – sofern diese das Zeichen kennen. Wenn eine Frau diese Geste macht, sollte man die Polizei rufen.