Klagenfurter Dom von innen
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Religion

Persönliche Erinnerungen des Dompfarrers

Ein Priester aus Kärnten hatte eine ganz besondere Verbindung zu Joseph Ratzinger und begegnete ihm mehrmals: Klagenfurts Dompfarrer Peter Allmaier studierte fünf Jahre in Rom und lernte den nicht unumstrittenen Theologen als humorvollen, geistreichen und bescheidenen Menschen kennen.

Es war am 19. April 2005, als weißer Rauch aufstieg und Kurienkardinal Joseph Ratzinger zu Papst Benedikt XVI. wurde – der erste Deutsche seit fast 500 Jahren. 78 Jahre alt war Ratzinger damals alt, die Kräfte zum Papst reichten acht Jahre, bevor er 2013 zurücktrat. Benedikt XVI. war als Theologe ideologisch vieldiskutiert und nicht immer geliebt, „weil er ziemlich stark Seite bezogen hat, er hat sich auf die Seite der sogenannten Traditionalisten gestellt, durchaus in deutlicher Konsequenz seines theologischen Denkens, das eben auf Dauer angelegt war“, erinnert sich Klagenfurts Dompfarrer Peter Allmaier.

Dompfarrer Peter Allmaier
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Alles muss mit dem Gestern in Verbindung stehen

Demgemäß sei „die Geschichte der Kirche eine Entwicklung und keine Revolution. Es geht langsam weiter – alles was da ist, muss mit dem, was gestern war, irgendwie in Verbindung stehen und zusammen gehören. Das war ihm ganz wichtig: Dass aus der Kirche nicht wirklich etwas Neues kommt, denn das Neue ist Christus selbst. Alles muss sich mit dem was gestern war, verbinden können. Deswegen war er konservativ – aber der Philosoph und Theologe in ihm war durchaus aufgeschlossen für gute Argumente“, erinnert sich Allmaier.

Reaktionen zum Tod von Benedikt XVI.

Am Samstag starb der emeritierte Papst Benedikt XVI. im Alter von 95 Jahren im Vatikan. International gibt es bereits erste Reaktionen auf seinen Tod. Auch in Kärnten reagiert man mit Trauer.

Vier Mal war Joseph Ratzinger in Kärnten – bei den St. Georgener Gesprächen 1985, dann fünf Jahre später bei der Marienschiffsprozession am Wörthersee, er urlaubte hierzulande mit seinen Geschwistern und besuchte Bischof Kapellari.

Gespräche zeugten von Benedikts großem Horizont

Dompfarrer Peter Allmaier lernte Joseph Ratzinger in Rom während seines Studiums kennen: „Ich hatte das Glück dort zu studieren und habe ihn immer wieder einmal getroffen, als einen Mann der sehr bescheiden war – auch im Gespräch. Man hat ihm den Präfekt der Glaubenskongregration nicht angemerkt, er war ein großer guter Zuhörer, der Antworten gab, die gezeigt haben, welch großen Horizont er hat.“

Er habe mit Benedikt XVI. einen humorvollen, geistreichen und bescheidenen Menschen kennengelernt. „Es war immer ein feiner Witz dabei, meist typisch Deutsch – über drei Ecken. Aber wenn man geistig mitkonnte, dann hat man gemerkt, welche verschachtelten Sätze er hat und was er eigentlich mit meint.“

1989 durch Ratzinger zum Priester geweiht

Allmaier wurde 1989 von Joseph Ratzinger zum Priester geweiht. „Wir waren damals im Kollegium Germanicum insgesamt 18 Weihkandidaten und bei mir hat er einen interessanten Fehler gemacht. Als fremder Bischof muss er beim sogenannten Treueversprechen fragen: ‚Versprichst du deinem Bischof Ehrfurcht und Gehorsam?‘ Er kam aber aus der Tradition von München und fragte stattdessen, ‚Versprichst du mir und meinen Nachfolgern…‘ und merkt, das ist jetzt falsch, hat das aber nicht korrigiert. Ich hatte einen kurzen Augenblick des Schreckens, hab nachgedacht und dann bei mir gemeint: Ok, du bist bald in Pension und ich vogelfrei. Ich sagte: ‚Ich verspreche es‘, wusste aber damals nicht, wie lange er noch leben würde und welche Bedeutung er noch erlangen würde.“

Genau zehn Jahre später in Rom, im Jahr 1999, habe er ihn als „obersten Wächter des Glaubens“ wieder getroffen und darauf aufmerksam gemacht. „Er sagte: Das ist natürlich ungültig. Damit lebe ich jetzt, denn was ist ungültig, meine ganze Weihe oder diese Einschränkung, dass ich nur ihm zu Gehorsam verpflichtet bin?“

Bereits 2014 körperlich sehr „der Erde zugeneigt“

Zum 25-jährigen Priesterjubiläum sei er Benedikt als Papst 2014 in dessen Wohnung wieder begegnet. „Das war ein sehr berührendes Gespräch, allein, man hat schon damals gemerkt, wie gebrechlich er ist und sich trotzdem – geradezu eisern – nicht führen lässt, alleine geht, auch wenn er damals schon körperlich gezeigt hat, wie sehr er sich der Erde zuneigt. Man hat schon damals gemeint, es wird nicht mehr lange dauern.“

Aber auch damals habe sich Benedikt XVI. genau informiert, was Sache sei. „Als ich gesagt habe, ich sei aus der Diözese Gurk, wusste er sofort, dass er hier Urlaub gemacht hat, bei Bischof Kapellari.“ Er habe eines seiner ersten Selfies mit dem Papst gemacht. „Das war dann in allen Printmedien zu sehen“.

Allmaier mit Papst Benedikt XVI
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Das besagte Selfie von Peter Allmaier mit Papst Benedikt XVI.

Was bleibt von Benedikt XVI.?

Bleiben werde von Benedikt XVI., dass er einer der „letzten alten Garde“ gewesen sei. Er sei „vermutlich der letzte, der dieses 1. Vatikanische Konzil noch ganz gelebt hat, der versucht hat, eine Kirche aufrecht zu erhalten, die es in dieser Form vielleicht gar nicht mehr gibt. Der gemeint hat, es könne alles so bleiben wie es ist, man muss nur daran festhalten. Das geht natürlich nicht. Es wird auch bleiben: Seine Tiefsinnigkeit verbunden mit einem Stück Weltfremdheit. Wenn man bedenkt, dieser ganze Missbrauchsskandal, dieser hat ihn persönlich zutiefst getroffen, in Mark und Bein, weil er sich vorstellen konnte, dass Priester so etwas überhaupt tun können. Das ist vielleicht auch eine Diagnose seines Problems: Weil er sich diese Dinge nicht vorstellen konnte, und deshalb vermutlich auch zu wenig reagiert hat. Da, wo er verstanden hatte, hat er sehr wohl energisch reagiert aber es war für ihn lange Zeit unvorstellbar. Das ist vermutlich seine Schattenseite: Dass er die Wirklichkeit nicht so wahrgenommen hat, wie er sie sich in seiner Theologie vorgestellt hat.“

Für Peter Allmaier ist es auch ein persönlicher Abschied: „Ich spüre noch seine Hände, die er mit bei der Weihe auf den Kopf gelegt hat, da ist auch ein Teil von mir, der stirbt.“