Tastatur
ORF
ORF
Politik

Neuer Gender-Leitfaden sorgt für Wirbel

Der Bauer heißt jetzt „landwirtschaftlicher Beschäftigter“, der Polizist „Polizeikraft“, so steht es im neuen Gender-Leitfaden der Landesregierung, der für Aufregung sorgt. Auf 71 Seiten stehen Formulierungen, die nun für Funktionsbezeichnungen zu verwenden sind. Die kleinere Regierungspartei ÖVP spricht von einem „sinnlosen“ Leitfaden.

Der Leitfaden wurde in der letzten Regierungssitzung beschlossen. Unter anderem sieht er die Bezeichnung „fachkundig“ anstelle von „fachmännisch“ vor, ein „fachärztliches Attest“ ist anstelle der Bezeichnung „Attest einer Fachärztin oder eines Facharztes“ zu verwenden. Aus dem „Gast“ wird die „Besuchsperson“, aus dem „Hausmeister“ die „Fachkraft für Gebäudemanagement“. Vieles könnte sich durch den Leitfaden wohl auch bessern, doch er beinhaltet auch kompliziertere Formulierungen. So gibt es in Zukunft „Mitarbeitendengespräche“ in der Regierung anstelle von „Mitarbeitergesprächen“.

Neuer Genderleitfaden

Wenn es nicht nur um männliche und weibliche Geschlechtsidentitäten geht, sondern auch um diverse, dann kommen in den Schriftstücken, die auch Bescheide für die Bürgerinnen und Bürger sein können, Sonderzeichen dazu, sogar im Artikel. Dann liest sich das Wort für Sachbearbeiter so „der:die Sachbearbeiter:in“.

LR Martin Gruber
ORF
LR Martin Gruber: „Verhunzung der Sprache“

ÖVP-Landesrat Gruber: „Haarsträubend“

Landesrat Martin Gruber (ÖVP) blieb der Abstimmung in der Regierungssitzung fern, für ihn ist der Leitfaden „sinnlos“: „Ich glaube, wenn man sich das Wörterbuch anschaut, dann sind da wirklich haarsträubende Aussagen und Verwendungen von Worten drinnen. Das ist für mich auch eine Verschlechterung der deutschen Sprache, teilweise würde ich fast von einer Verhunzung sprechen. Irgendwann muss damit Schluss sein, bei aller Wertschätzung auch für Gleichberechtigung.“

Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das per Erlass in einer so herausfordernden Zeit aufzubürden sei „haarsträubend“, sagte Gruber: „Das ist eine riesengroße Herausforderung und deswegen habe ich das auch nicht mitgetragen.“ Gruber verließ vor der Abstimmung das Regierungsgremium, das zweite ÖVP-Regierungsmitglied war krankheitsbedingt nicht anwesend. Der Beschluss erfolgte mit den Stimmen der SPÖ-Regierungsmitglieder.

LR Sara Schaar
ORF
LR Sara Schaar: „Das passiert derzeit österreichweit“

SPÖ-Landesrätin Schaar: Gleichberechtigung für alle

Eingebracht wurde der Antrag von Landesrätin Sara Schaar (SPÖ). Schaar ist für Frauenbelange zuständig. Es gehe ihr um Gleichberechtigung aller Menschen, sagte die Landesrätin: „Das ist kein Kärntner Unikum, das passiert derzeit österreichweit. Dazu hat es im Jahr 2018 ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes gegeben.“

Abgesehen von politischen Einstellungen gehe es in der Causa auch um die Anwendbarkeit, und da könnte es Probleme geben, sagte der Leiter der Abteilung für Wirtschaft, Tourismus und Mobilität in der Landesregierung, Albert Kreiner. Es gebe rechtliche Konsequenzen, wenn ein solcher innerorganisatorischer Erlass nicht eingehalten wird, sagte Krainer: „Das kann zu einem Disziplinarverfahren führen, zu einer Ermahnung, einer Geldstrafe und kann bis zur Entlassung führen.“

Keine Wirkung auf Rechtsgültigkeit von Bescheiden

Per Erlass der Landesamtsdirektion könnte der Leitfaden verbindlich werden. Schaar glaubt nicht an Nachteile für Beamten: „Es ist und bleibt ein Leitfaden, der zur Orientierung dient.“

Abgesehen von der Lesbarkeit sollten die neuen gendergerechten Formulierungen für die Bürgerinnen und Bürger keine Auswirkungen haben. Bescheide haben unabhängig von der Anwendung des Leitfadens Rechtsgültigkeit und könnte nicht wegen dieser Formulierungen angefochten werden, sagte Kreiner. Freilich könne sich aber jeder Bürger, der sich durch die Anrede in einem Bescheid persönlich diskriminiert fühlt, an die Gleichbehandlungsstelle des Landes wenden.

Opposition: „Fall für die Mülltonne“

Kritik an dem Leitfaden kam auch von der Opposition. Das Team Kärnten bezeichnete den Leitfaden als „Fall für die Mülltonne“. Die FPÖ sprach von einem „Genderwahnsinn der Probleme schafft, wo es keine gibt“.

Die Landwirtschaftskammer protestierte in einer Aussendung, weil die Bezeichnung „Bauer“ bzw. „Bäuerin“ im Amtsgebrauch durch „landwirtschaftlich Beschäftigter“ ersetzt werden solle. Eine Resolution gegen den Leitfaden sei geplant.

Die Zentralpersonalvertretung der Landesregierung wies in einer Aussendung darauf hin, dass es „zumindest wertschätzend“ gewesen wäre, die Mitarbeiter vor dem Beschluss „zumindest zu informieren“.