Vor allem wärmeliebende Tierarten treten neu auf. Das Jahr 2022 sei extrem gewesen, sagte Wieser, erst war es extrem kalt und dann extrem warm: „Die Insektenwelt steht komplett am Kopf. Im ersten halben Jahr war heuer alles viel zu früh. Die Arten, die normalerweise im Juli und im August auftauchen, waren schon im Juni da.“ Gleichzeitig sind Insektenarten, die zu dieser Zeit normalerweise nicht mehr da wären noch immer unterwegs. Zum Beispiel verschiedene Nachtfalter, sagte Wieser und nannte als Beispiele die Eulenfalter und -spanner.
Verlierer sind kälteliebende Arten
Erst mit den ersten Frösten kommen die Spätherbsttiere. So wird der Frostspanner erst bei Temperaturen um Null Grad aktiv. Verlierer aufgrund des Klimawandels sind auch hochalpine Arten, sagte Wieser: „Ich bin gerade dabei, eine Rote Liste der gefährdeten Schmetterlingsarten in Kärnten zusammen zu stellen. Dabei habe ich auch eine Checkliste aufgestellt. Da sieht man, dass viele, viele Arten, die noch vor rund hundert Jahren aus Kärnten gemeldet wurden, seit 80 bis 90 Jahren nicht mehr nachgewiesen werden konnten.“
Aussterben ist schwieriger nachzuweisen
Der Wandel sei ein stetiger Prozess, sagte Wieser, „wahrscheinlich wird es in zehn Jahren wieder anders ausschauen“. Es sei schwieriger, das Aussterben einer Art nachzuweisen, als ein neues Tier zu finden, sagt Wieser. Bei aussterbenden Tieren müssen Beobachtungen über etwa 100 Jahre laufen, um genaue Rückschlüsse machen zu können, ob die Insektenart noch aufzufinden ist oder nicht.
Präsentiert wird die Rote Liste der gefährdeten Kärntner Tier- und Pflanzenarten Anfang nächsten Jahres: „Wir planen die Vorstellung gemeinsam mit der Ausstellung über Biodiversität.“
Neue Insekten in Kreuzeck-Gruppe
Insekten werden an verschiedenen Orten in Kärnten erforscht. Messstationen wurden aufgestellt, an denen monatlich nachgesehen wird, welche Insekten es dort gibt. Alle Tiere werden registriert und dokumentiert. Eine Messstation befindet sich beispielsweise auf dem Dobratsch. In der Kreuzeck-Grupe seien einige wärmeliebende Insektenarten neu aufgetreten, sagte Wieser.
Die Gewinner seien eben die wärmeliebenden Insekten, die vom Süden nach Kärnten kommen: „Jedes Jahr werden mehrere Arten nachgewiesen, die es noch nie in Kärnten gegeben hat, die den Sprung über die Karawanken oder die Karnischen Alpen schaffen und sich bei uns festsetzen.“
Kiefern-Prozessionsspinner erobert Dobratsch
Ein typisches Beispiel sei der Kiefern-Prozessionsspinner, den es in Friaul oder im Kanaltal bereits gab, der aber bis vor wenigen Jahren noch eine absolute Rarität in Kärnten war, sagte Wieser. In diesem Sommer gab es die Tiere aber bereits an den Abhängen des Dobratsch.
Nicht nur neue Arten, sondern auch eingeschleppte Tiere sind im Vormarsch. Zum Beispiel breitet sich der Asiatische Seidenspinner in ganz Kärnten aus, sagte Wieser: „Ein ähnliches Beisiel ist auch die Gottesanbeterin, die selbst an den wärmsten Stellen in Kärnten eine absolute Rarität war. Jetzt ist sie im Zentralraum eigentlich flächendeckend vorhanden. In Klagenfurt kann man diese Tiere fast auf jeder Hausmauer finden. Das sind absolute Profiteure des Klimawandels.“
Einwanderer haben oft keine Fressfeinde
Der limitierende Faktor bei der Gottesanbeterin sei die Temperatur im Winter. Wenn diese nicht unter 15 Grad minus fällt, können die Eigelege überleben und die Tiere sich halten: „Nur wenn es extrem kalte Winter gibt, sterben diese Tiere weg.“
Die Einwanderer haben noch den Vorteil, dass sie hier keine natürlichen Feinde haben und sich deshalb besser entwickeln können. Ein Beispiel für einen solchen Schmetterling ist der Buchsbaumzünsler. Die Raupe ist für potenzielle Fressfeinde geschmacklich unattraktiv und auch giftig, so Wieser: „Der Buchsbaumzünsler ist allgemein bekannt und bestens gehasst. So lange es Buchsbäume gibt, wird es diese Art auch geben und die fühlt sich pudelwohl, wo sie noch Futter findet.“
Wetterphänomene ändern sich rasant
Ähnliche Beobachtungen über die massiven Folgen des Klimawandels auf die Insekten werden von Wissenschaftlern weltweit gemacht, sagte Wieser. „Vor allem in den Tropengürteln in Südamerika, wo ich auch unterwegs war, ändern sich die Wetterphänomene rasant. Die Regenwälder fangen an zu vertrocknen und auf der anderen Seite gibt es Hochwasser-Katastrophen. Das hat natürlich genauso Einfluss auf die Tierwelt.“
Zu berücksichtigen ist auch, dass sich der Umbruch in der Insektenwelt auf alle Ökosysteme auswirkt. „Stellen sie sich ein Uhrwerk vor, aus dem ein Zahnrad fällt. Es kann sein, dass es noch einen Puffer gibt, aber normalerweise steht die Uhr. Und in der Natur ist das genau so. Die Natur puffert sehr viel, aber nicht unendlich viel.“
Rettung kann nur Schritt zurück sein
Der Mensch möge aufwachen, wünscht sich Wieser: „Es geht so nicht weiter, es gibt nicht immer eine Steigerung nur nach Oben, man muss auch einmal einen Schritt zurück machen können.“