Pfleger mit Trage
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Chronik

GPA: Mitarbeiter verlassen die Pflege

In einem offenen Brief an die Landesregierung hat die Gewerkschaft am Dienstag wegen der Zustände in der Pflege Alarm geschlagen. Die Arbeitsbedingungen seien für viele Beschäftigte kaum mehr erträglich. LH-Stellvertreterin Beate Prettner entgegnet, dass bereits zusätzliches Personal beschlossen worden sei.

In dem offenen Brief wandte sich Valid Hanuna an Landeshauptmann Peter Kaiser und Landeshauptmannstellvertreterin Beate Prettner (beide SPÖ). Hanuna ist der Betriebsratsvorsitzende der Arbeitsvereinigung der Sozialhilfe Kärntens (AVS) und Wirtschaftsbereichsvorsitzender für den Bereich Gesundheit und soziale Dienstleistungen in der Gewerkschaft GPA. Hanuna forderte Kaiser und Prettner zum sofortigen Handeln auf. Mit dem Einsatz von Hilfskräften zusätzlich zum Pflegepersonal könne die Situation mit sofortiger Wirkung entschärft werden.

Aktuelle Situation ist „dramatisch“

Die aktuelle Situation in der Pflege sei dramatisch, sagte Hanuna. Der Personalnotstand komme nicht von ungefähr, sondern zeige, dass politische Entscheidungen in der Vergangenheit und in der Gegenwart nicht zu der gewünschten positiven Veränderung der Arbeitsbedingungen geführt haben.

Hanuna: „Warnungen der Betroffenen werden nicht ernst genommen. Anstatt zur Verbesserung der Lage beizutragen, werden mit unkoordinierten Prestigeprojekten zusätzliche Ressourcen verbraucht, ohne dass damit ein positiver Effekt erreicht wird. Trotz aller Maßnahmen zur Attraktivierung der Pflegeausbildung können die Ausbildungsplätze nicht belegt werden.“

Hanuna: Klienten können nicht mehr aufgenommen werden

Die Arbeitsbedingungen in der Pflege seien zum Teil unmenschlich, schreibt Hanuna in dem offenen Brief. Klienten könnten nicht mehr aufgenommen und Betten in den Heimen nicht mehr belegt werden. Das kurzfristige Einspringen sei bereits Alltag, Stabilität bei den Dienstplänen sei ein Fremdwort. „Leichte Pflegefälle in Heimen gibt es nicht mehr. Die Bewohner haben mindestens die Pflegestufe vier. Viele leiden an Demenz und binden dadurch Zeitressourcen, die nicht einmal bei Erfüllung des Pflegeschlüssels vorhanden wären.“

Immer mehr MitarbeiterInnen würden die Pflege verlassen, zum einen, weil sie dem hohen Arbeitsdruck nicht mehr standhalten könnten, zum anderen aber auch, weil sie es selbst als belastend ansehen, dass den BewohnerInnen ein Altern in Würde nicht mehr ermöglicht werden kann.

Hilfskräfte könnten sofort Entlastung bringen

Die unlängst von der Landesregierung beschlossene Änderung des Personalschlüssels auf 2,296 Heimbewohner pro Mitarbeiter für die Heime stelle für die Beschäftigten keine Entlastung dar. Erst ab einem Personalschlüssel von 1:2 könne von einer nennenswerten Verbesserung im Alltag der Heime gesprochen werden, sagte Hanuna.

Mit dem Einsatz von Hilfskräften zusätzlich zum Pflegepersonal könne die Situation sofort entschärft werden: „Hilfskräfte können viele nicht-pflegerische Tätigkeiten übernehmen. Damit werden Ressourcen für die Pflegekräfte frei, die zur Entlastung bei der Arbeit und zu einer besseren Qualität der Pflege führen.“ Mehrmals sei auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, sagte Hanuna. Es sei nicht nach zu vollziehen, warum diese Maßnahme von der zuständigen Landesrätin nicht in Betracht gezogen werde.

Prettner: Zusätzliches Personal beschlossen

Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ) entgegnet, man habe in den vergangenen Jahren zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um den Personalnotstand in der Pflege abzufedern. Die geforderten Hilfskräfte seien bereits beschlossen worden. „Es sind 50 an der Zahl. Es handelt sich um Vollzeit-Beschäftigte. In der Regel sind es noch mehr Köpfe, weil es auch Teilzeit-Beschäftigungen gibt“, so Prettner im ORF-Interview.

Man habe außerdem weitere Maßnahmen beschlossen, um zusätzliches Personal zu ermöglichen, so Prettner: „Wir haben insgesamt im heurigen Jahr 100 zusätzliche Vollzeitäquivalente für die 78 Heime beschlossen. Diese sind umzusetzen und werden von uns ab dem 1. Jänner 2023 kontrolliert.“

Auch jene Besuchsmanager, die im Zuge der Pandemie zusätzlich in den Heimen eingestellt wurden, werden nach wie vor vom Land bezahlt, so Prettner. Außerdem würde die mit Herbst eingeführte Ausbildungsprämie für Pflegeberufe bereits greifen.

Politische Reaktionen

Die FPÖ ortet Versäumnisse der Landesregierung, die zum aktuellen Pflege-Notstand geführt hätten. „Seit 2019 fordert die FPÖ angesichts der schon damals absehbaren Engpässe eine Attraktivierung der Pflegeausbildung. Erst mit jahrelanger Verspätung hat die Landesregierung ab diesem Herbst mit Ausbildungsprämien reagiert. Der Alarmschrei der Gewerkschaft zeigt, dass zu viel Zeit versäumt wurde“, meint FPÖ-Sozialsprecher Harald Trettenbrein.

Gerhard Köfer vom Team Kärnten sagt, es sei ein fataler Fehler der Landesregierung gewesen, „die Forderung nach der Einführung der Pflegelehre über Jahre abzulehnen und schlechtzureden". Das Team Kärnten spricht aktuell von einem „Pflexit“ und meint damit die Flucht von Pflegekräften. „Über 40 Prozent der Arbeitskräfte überlegen, das Betätigungsfeld zu wechseln. Das ist eine dramatische Entwicklung, der auch durch höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen begegnet werden muss. Die Bezahlung steht oftmals im krassen Widerspruch zu den erbrachten Leistungen.“