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Gesundheit

Geschlechtsspezifische Medizin gefragt

Der Klagenfurter Landtag befasste sich am Donnerstagnachmittag mit der Gendermedizin, also mit der geschlechtsspezifischen Medizin. Bei diesem relativ neuen Gebiet geht es darum, dass Frauen und Männer auf Medikamente anders reagieren und auch bei denselben Krankheiten ganz unterschiedliche Symptome haben.

Genetisch, hormonell und stoffwechselbedingt unterscheiden sich Männer und Frauen. Dementsprechend solle auch die medizinische Behandlung darauf Rücksicht nehmen.

Ein typisches Beispiel sei der Herzinfarkt: Dabei spüre die Frau überdimensional häufiger eher nur Atemnot, Übelkeit und Erbrechen oder Angstzustände. „Dabei denkt sie nicht in erster Linie an das Herz. Damit gibt es eine gewisse Verspätung, dass sie sich beim Arzt oder Notarzt meldet“, sagt Hannes Alber, Vorstand der Abteilung für Kardiologie am Klinikum Klagenfurt. Dadurch verzögere sich die Therapie.

Depressionen und Angststörungen bei Frauen häufiger

Unterschiede bei den Stoffwechselprozessen seien zu beachten, wenn zum Beispiel Blutverdünnungsmedikamente verabreicht werden, so der Experte: „Die ältere Frau mit wenig Gewicht ist eher gefährdet, dass sie blutet, als der normal- oder übergewichtige junge Mann. Da muss man die Dosis anpassen.“

Auch bei seelischen Erkrankungen gibt es eindeutige Unterschiede zwischen Frau und Mann, sagt Christa Rados, Vorständin der Psychiatrie am LKH Villach: „Wir wissen, dass auf zwei bis drei depressive Frauen ein Mann kommt, es haben also mehr Frauen als Männer Depressionen. Auch bei den Angststörungen gibt es deutlich mehr Frauen. Bei den Alkoholproblemen ist es genau umgekehrt.“ Die Psychiatrie habe sich schon immer damit beschäftigt, warum das eine Geschlecht die eine und das andere Geschlecht die andere Krankheit entwickle.

„Männer würden Geburt nicht überstehen“

Auch die Organe unterscheiden sich zum Teil bis in die Zellstruktur und Enzymzusammensetzung. Der weiblichen Leber fällt es schwerer, manches Medikament zu verstoffwechseln und auszuscheiden. Das kann leicht zu einer Überdosierung führen. Männliche Zellen dagegen verfügen über ungünstigere Andockstationen für Schmerzmittel, daher brauchen Männer davon häufig mehr.

„Ich glaube, ein Mann würde eine Geburt aufgrund der Schmerzen nicht überstehen. Eine Frau kann das natürlich und kann auch mit dem Schmerz anders umgehen“, so Alber. Die unterschiedliche Schmerzwahrnehmung gebe es schon seit Millionen von Jahren. Somit dürfte auch der viel zitierte Männerschnupfen wissenschaftlich belegt sein.

Frauen vermehrt im Interesse der Forschung

Weil bis vor Kurzem der männliche Körper als Standard galt und es in einigen medizinischen Lehrbüchern noch immer ist, wurde in den vergangenen Jahrzehnten auf dem jungen Forschungsgebiet der Gendermedizin der weibliche Organismus sozusagen neu entdeckt.

1991 gab es zum Thema Gendermedizin die erste Studie, sagt Hannes Alber. Er ist am Klinikum Klagenfurt der Vorstand der Abteilung Innere Medizin und Kardiologie und sagt, dieser Bereich gewinne immer mehr an Bedeutung. Es sei aber oft schwierig, alle Hintergründe zu erfassen: „Es geht ja um das biologische Geschlecht und damit um die unterschiedlichen Gene und Hormone, die aktiviert werden. Es geht auch um das soziokulturelle Geschlecht, also wie wir aufwachsen und erzogen werden.“

Es sei eine ständige Verbesserung über das Wissen dieser komplexen Materie. Bei den Therapiestudien hake es noch, so Alber: „Bei vielen Krankheiten ist in den Studien der Anteil der Frauen geringer als jener in der realen Welt, die eine gewisse Krankheit haben. Hier muss nachgeschärft werden, damit man in den Studien die reale Welt abbildet.“

Kärnten seit 2021 Modellregion für Gendermedizin

Kärnten habe im Vorjahr die Modellregion für Gendermedizin ausgerufen und könne auf Mitkämpfer wie Ärztekammer, Fachhochschule Kärnten, Apothekerkammer, Gesundheits- und Pflegeschulen Kärnten sowie die Gesunden Gemeinden zählen. „Unser Maßnahmenpaket fußt auf drei Säulen: die Ausbildung, die Fort- und Weiterbildung sowie die Sensibilisierung der Bevölkerung“, so Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ).

Unter anderem ermögliche das Land Ärztinnen und Ärzten ein Diplom zur Gendermedizin. Vom Kärntner Gesundheitsfonds gebe es entsprechende Veranstaltungen in den Gesunden Gemeinden.