Vor dem Lesen kommt das Wandern. Denn beim neuesten Kulturprojekt des Bauern und Kulturarbeiters Zdravko Haderlap geht es um das Lesen der Landschaft. Und es geht um eine Wiese, die sogenannte Pečnikwiese auf der Sonnenseite des Leppengrabens: Es nennt sich „Graben – LANDSCHAFT lesen – kopati – GRAPO – brati“ – Künstlerisch-wissenschaftliches Sonderprojekt zur Lesbarkeit der Landschaft“ von Herwig Turk und Zdravko Haderlap.

Diese Form der Kultur braucht ein „bewegliches“ Publikum
Blickwinkel gibt es viele. Das Publikum selbst bewegt sich in einem Zeitraum von etwa vier Stunden vom Gegenhang kommend, von Station zu Station, ständig begleitet durch künstlerische Installationen, Lesungen sowie von akustischen, tänzerischen, theatralischen, musikalischen, kulinarischen und wissenschaftlichen Interventionen und Erzählungen.
Unterschiedlichste Bäume und Sträucher liest die Biologin, etliche Gesteinswarten liest der Geologe Walter Poltnig: „Die Wiese erzählt, dass hier unterschiedlichste Gesteinsarten durch die Gebirgsbildung der Karawanken auf engstem Raum zusammen gekommen sind.“
Klimawandel wird die Wiese erneut verändern
Natürlich gibt es auch künstlerische Interventionen auf der Pečnikwiese, denn das Projekt „Landschaft Lesen“ ist sehr breit gefasst sagt Künstler Herwig Turk, Künstler: „Eine Wiese die so marginal ist wie die Pecnikwiese wird selten einmal als Zentrum der Konzentration und der künstlerischen Intervention gesehen.“

Mehrere Stunden dauert der Lesenachmittag, bei dem auch eine Klimaforscherin aus den Erderwärmungsmodellen die Zukunft liest: „Das wird sich einmal auf die Pflanzengesellschaften auswirken, manche Pflanzen werden verschwinden, andere werden kommen und die Tierwelt wird sich auch anpassen“, so Meteorologin Ingeborg Auer.
Literatur zum Widerstand häufiger als sonstwo
Die Pečnikwiese hat aber auch Geschichte und Geschichten. Denn hier entstand eine ungewöhnliche Dichte an Geschriebenem. Klaus Amann, Literaturwissenschaftler: „Ich glaube nicht, dass es einen anderen ländlichen Ort in Österreich gibt, wo es eine derartige Massierung von literarischen und autobiographischen Texten zum Zweiten Weltkrieg und speziell zum Widerstand in Kärnten gibt.“

Maja Haderlap: „Spielwiese der Kindheit“
Auch der Erfolgsroman „Engel des Vergessens“ von Bachmannpreisträgerin Maja Haderlap hat mit diesem Ort zu tun. „Es ist eine Spielwiese der Kindheit und eine Arbeitswiese und wie wir jetzt in dieser Veranstaltung auch gesehen haben, eine Lebens- eine Erinnerungswiese, die nicht nur von Vergangenheit spricht, sondern auch in die Zukunft verweist“, so Maja Haderlap.

Welche Zukunft hat die Wiese, die als kleiner Teil für unsere ganze Umwelt steht? Meine Perspektive ist, es wird nichts gerettet werden, bevor wir nicht lernen, das Ganze gesamtheitlich zu denken und zu empfinden, und dann die Verantwortung auch für das Gesamtheitliche zu übernehmen", so Kulturarbeiter Zdravko Haderlap.
Folgeprojekte in den nächsten Jahren geplant
Das war erst der Auftakt, in den nächsten Jahren (2023/2024) werden weitere Lesungen der Landschaft folgen und auch eine Kooperation mit dem Museum Moderner Kunst Kärnten ist geplant.