Kultstein in Phallusform
Heimo Dolenz, Kärntner Landesmuseum
Heimo Dolenz, Kärntner Landesmuseum
Wissenschaft

Phallussymbol in Virunum ausgegraben

Archäologische Sensationsfunde bringt derzeit die Ausgrabungsstätte Virunum auf dem Zollfeld zutage. Die Erde gibt immer neue Geheimnisse aus der Zeit der Römer zwischen 130 bis 235 nach Christus preis. In einem Brunnen wurde jetzt der Mittelteil eines phallischen Kultsteins entdeckt.

40 Zentimeter lang ist das Fundstück. Es wurde Anfang September in einem fünf Meter tiefen Brunnen unter einer Marmorsäulenbasis entdeckt. Das Phallussymbol trägt die Inschrift „Liber pater“, sagte Heimo Dolenz, Leiter der Ausgrabungen Virunum: „Liber pater und Libera sind das Gespann der Fruchtbarkeit der Italiker. Diese beiden Figuren werden mit dem Gott Dionysos angeglichen.“

Verkleidet in Prozessionen durch Stadt gezogen

Dionysos war in der griechischen Mythologie der Gott des Weines, der Freude, der Trauben, der Fruchtbarkeit, des Wahnsinns und der Ekstase. Der phallische Kultstein, der nun in Virunum gefunden wurde, ist ein zentrales Element eines Fruchtbarkeitskultes. Im Frühling enthüllte man das steinerne Phallussymbol, das dann im Herbst wieder in Tüchern eingewickelt wurde: „Das ist die Periode, wo sie in einem kleineren Kreis der Gruppenreligion ihre Mysterien gefeiert haben, anständige rituelle Akte und Fruchtbarkeitsumgänge. Man ist verkleidet als Satyren und Nymphen in Prozessionen durch die Stadt gezogen.“ Das habe sich auf der Prunkstraße zwischen Theater und Amphittheater abgespielt, so Dolenz.

Kultstein in Phallusform
Heimo Dolenz, Kärntner Landesmuseum
Der gefundene Kultstein

Auch Vereinsgebäude ausgegraben

Mittels Georadar fand man an dieser Straße auch sieben Vereinsgebäude, davon wurde heuer im Sommer ein Vereinssaal von 163 Quadratmetern komplett freigelegt – mehr dazu in Römer und Kelten kannten schon Vereine. Dolenz sagte, man habe einander damals während der Vegetationsperiode in den Vereinshäusern getroffen. Der Bankettsaal hatte keine Fußbodenheizung oder andere Beheizung, das weise auf eine Nutzung in der warmen Jahreszeit hin.

Heimo Dolenz mit der Steintafel
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Heimo Dolenz, mit einem der Vereinsregister

Bei den Vereinen seien auch Frauen dabei gewesen, so Dolenz. Man habe das Leben des Gottes Dionysos mit Musik und Gedichten nachgestellt, da sei die Frau ein wesentlicher Teil des Ganzen. Zwei Tafeln mit den Namen von Mitgliedern wurden in Virunum gefunden. 50 Männer und 30 Frauen seien hier verzeichnet, vor allem Ehefrauen, aber auch Alleinstehende, sagte Dolenz. Bis zu 160 Männer und Frauen hätten einander wöchentlich getroffen, es müsse also noch eine Namenstafel geben.

Haarnadel, Spiegel und Ring gefunden

Desiree Ebner Baur von der Abteilung für Provinzialrömische Archäologie und Feldforschung am Kärntner Landesmuseum freut sich über die zahlreichen Funde: „Beispielsweise eine bronzene Haarnadel, wunderschön erhalten, die die Tracht einer Frau zierte. Ein weiterer Gegenstand, der auf Frauen hinweist, ist zum Beispiel ein Schmuckstück, ein Anhänger einer Kette mit zwei ineinander verschlungenen Schlangen, oder ein feiner, bronzener Fingerring. Interessant ist auch das Fragment eines bronzenen Spiegels.“

Außerdem konnte eine funktionierende Pinzette ausgegraben werden, so Baur: „Die Form sieht aus wie bei einer heutigen Pinzette, sie ist bewährt und ist bis heute erhalten. Auch ein Siegelkapselfragement ist ein besonderes Stück. Die Siegelkapsel hat das Siegel eines Dokuments in sich ausgenommen, um das Siegel zu schützen.“ Diese Kapsel ist aus Silber gefertigt und mit einer zarten Glaseinlage verziert. Auch einige Münzen erzählen von den Römern auf dem Zollfeld: „Beispielsweise eine schöne Münze von Kaiser Commudus Ende des zweiten Jahrhunderts. Eine weitere ist ein Gallienus von der Mitte des dritten Jahrhunderts.“

Viele Funde im Brunnen

Es wurde auch das Unterarmfragment einer weiblichen Statue gefunden, sagte Baur. Die Statue trägt einen Armreifen und wurde im Brunnen gefunden. Alle Fundstücke aus dem Brunnen kommen nun in ein Speziallabor in Wien, um sie zu untersuchen, wie das Statuenfragment, Ziegelscherben, Kleinfunde, aber auch Knochen. Mit Hilfe der Akademie der Wissenschaften werden die Fundstücke archäobotanisch und archäozoologisch untersucht, so Dolenz. Mit Pollen-, Korn- und Samenanalysen bekomme man einen Einblick, wie damals um 180 die Umwelt gewesen sei.

„Wie viel Prozent Roggen, Hafer und Gerste angebaut wurden, wie der Wald in seiner Zusammensetzung war. Was haben die Leute gegessen und in den Brunnen geworfen. Ein Fundus bis hin zu Knochenstückchen, wo man sagen kann, ob ein Fleischhauer das Fleisch vorbereitet hat oder ob man es im Stück gegessen hat“, so Dolenz.

Fotostrecke mit 11 Bildern

Grabungsstelle in Virunum
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Grabungsstelle in Virunum
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Grabungsstelle in Virunum
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Das gefundene antike Vereinsregister
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Das Amphitheater in Virunum
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Das Amphitheater von Virunum
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Tonscherben
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Tonscherben
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Pläne der Vereinshalle
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Steintafel
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Helfer an der Ausgrabungsstelle
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Ausgrabungen gehen weiter

130 bis 235 nach Christus war die Hochblütezeit der Römer in Virunum, der Provinzhauptstadt Noricums. Die zahlreichen Vereine sind Ausdruck des Erstarkens des Bürgertums. Mit der Mitgliedschaft in diesen Vereinen konnte das Bürgertum an Einfluss gewinnen, so der Archäologe.

Der Acker, auf dem sich die jetzige Ausgrabungsstätte befindet, wurde für vier Jahre gepachtet, um weitere Erkenntnisse über die Vereinskultur, das Leben der Menschen vor zirka 1.800 Jahren und über Naturkatastrophen in Virunum zu bekommen.