Vorsitzende Insa Wilke, Michael Wiederstein, Vea Kaiser und Philipp Tingler
ORF/Johannes Puch
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„Bachmannpreis“

Wohlwollende Diskussionen zum Auftakt

Die ersten fünf Lesungen haben am Donnerstag bei den 46. Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt für spannende Momente gesorgt. Eva Sichelschmidt und Leon Engler stachen am Vormittag hervor, am Nachmittag überzeugte Alexandru Bulucz großteils.

„Die Instrumente sind gezeigt“, kommentierte Moderator Christian Ankowitsch am Donnerstagvormittag bereits nach der ersten Jurydebatte der 46. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt. Die Konfliktlinien innerhalb der Jury blieben gleich, das Setting änderte sich jedoch: Während Autorinnen und Autoren auf der neuen Gartenbühne lasen, wurde danach im Saal diskutiert, was Publikum und Lesende draußen via Videowall verfolgten. Das Wetter war sommerlich.

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Publikum beim Zuhören im ORF Garten
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Publikum beim Zuhören im ORF Garten
Vorsitzende Insa Wilke, Michael Wiederstein, Vea Kaiser und Philipp Tingler
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Vorsitzende Insa Wilke, Michael Wiederstein, Vea Kaiser und Philipp Tingler
Alexandru Bulucz
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Alexandru Bulucz
Lesung Andreas Moster
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Lesung Andreas Moster
Kameramann Alfred Bein während Lesung von Alexandru Bulucz
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Kameramann Alfred Bein während Lesung von Alexandru Bulucz
Michael Wiederstein
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Juror Michael Wiederstein
Klaus Kastberger und Mara Delius
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Klaus Kastberger und Mara Delius
Hund Weimaraner
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Auch tierische Zuhörer waren im ORF Garten willkommen
Lesung Andreas Moster
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Lesung Andreas Moster
Andreas Moster
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Andreas Moster
Leserinnen im Publikum
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Leserinnen im Publikum
Philipp Tingler
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Philipp Tingler
Leute beim Zuhören
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Leute beim Zuhören
Die Jury
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Die Jury
Lesung Alexandru Bulucz
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Lesung Alexandru Bulucz
Lesung Alexandru Bulucz
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Lesung Alexandru Bulucz
Christian Ankowitsch
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Christian Ankowitsch
Michael Wiederstein und Vea Kaiser
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Michael Wiederstein und Vea Kaiser
Tagungsbüro
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Tagungsbüro
Publikum beim Zuhören
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Publikum beim Zuhören
Literaturcafè im ORF Landesstudio Kärnten
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Literaturcafè im ORF Landesstudio Kärnten
Leon Engler hört der Jurydiskussion zu
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Leon Engler hört der Jurydiskussion zu
Zuhörer im Garten
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Zuhörer im Garten
Lesung Eva Sichelschmidt D
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Lesung Eva Sichelschmidt
Juroren Vea Kaiser und Philipp Tingler
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Juroren Vea Kaiser und Philipp Tingler
Lesende im ORF Garten
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Lesende im ORF Garten
Mara Delius mit Brigitte Schwens Harrant und Insa Wilke
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Mara Delius mit Brigitte Schwens Harrant und Insa Wilke
Publikum liest mit
ORF/Johannes Puch
Publikum liest mit
Insa Wilke
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Insa Wilke
Jurymitglieder
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Jurymitglieder
Michael Wiederstein
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Michael Wiederstein
Juror Klaus Kastberger
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Juror Klaus Kastberger
Vea Kaiser und Philipp Tingler
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Vea Kaiser und Philipp Tingler
Lesung Hannes Stein USA
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Lesung Hannes Stein

Jury uneins über ersten Text

Der 2007 in die USA ausgewanderte deutsche Autor Hannes Stein, mit 57 Jahren der älteste Teilnehmer des Feldes, eröffnete den Lesereigen. Der in München geborene und in Salzburg aufgewachsene Journalist, Blogger und Autor, der heute am Rand der Bronx lebt, wurde von Vea Kaiser zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur eingeladen. Sein Text trug den Titel „Die königliche Republik“ und spielt in New York. Er erzählt darin die Geschichte eines ehemaligen Professors, der glaubt, Geheimbotschaften von der polnisch-litauische Union zu bekommen. Die Jury begann gleich konfliktfreudig zu diskutieren – mehr dazu in Jurydiskussion Hannes Stein, USA.

Sterben im Mittelpunkt von zweitem Text

„Der Körper meiner Großmutter“ heißt der Text, den die 1970 in Wuppertal geborene und heute in Rom und Berlin lebende Deutsche Eva Sichelschmidt, D im Anschluss las. Die vielseitige Autorin, die als Kostümbildnerin für Film und Oper ein Maßatelier für Abendmode betrieb und das Geschäft „Whisky & Cigars“ eröffnete, wurde von Mara Delius eingeladen.

Es geht darin um Abschied und Loslassen der im Alter von 103 Jahren im Sterben liegenden Großmutter, um Erinnerungen und den Tod als Lebensbegleiter: „Über das Sterben redete sie ohne Scheu, seit sie mit siebzig auf einem Auge erblindet war.“ Kaum verlässt die Erzählerin die Sterbende, tritt der Tod ein. Die letzten Worte der Großmutter werden auf die Todesanzeige gesetzt: „Es war schön und jetzt ist es vorbei.“ Die Enkelin als Ich-Erzählerin lässt die Jahre mit der Großmutter an sich vorbeiziehen und schildert den Verfall einer geliebten Person. Hier die gesamte Jurydiskussion zum Nachlesen.

Dritter Text amüsierte Publikum und Jury

Der in Wien lebende und auf Einladung von Philipp Tingler nach Klagenfurt gekommene Deutsche Leon Engler beschloss mit seinem Text „Liste der Dinge, die nicht so sind, wie sie sein sollten“ die erste Vormittags-Session und sorgte immer wieder für Lacher im Publikum. Der Ich-Erzähler, freiberuflicher Schauspieler und Nebenerwerbs-Model, reist per ICE und S-Bahn zu einem Foto-Shooting für einen Kaffeeautomaten in einen Ort namens Eggenstein, wo in einer Fabrikshalle Fotograf, Agenturchefin und eine Vielzahl von Assistentinnen und Assistenten auf ihn warten. „Am Ende des Tages sagt die Agenturchefin, dass das doch gar nicht so schlecht gelaufen sei, aber – gutgemeinter Rat für die Zukunft – etwas mehr Selbstbewusstsein und eine positivere Attitüde würden mir nicht schaden.“ Der Erzähler reist wieder ab, trifft im Zug seinen alten Schauspieldozenten, hört sich von ihm Klaus-Kinski-Anekdoten an und überlässt sich seinem Gedankenstrom, der sich immer wieder mit dem Bild „der Person, die ich gerne wäre“, beschäftigt. Von den Juroren gab es viel positives Feedback während der Jurydiskussion.

Bulucz darf sich Hoffnungen machen

Der 1987 in Rumänien geborene, 2000 mit seiner Familie nach Deutschland emigrierte und heute als freischaffender Autor, Herausgeber, Kritiker und Übersetzer in Berlin lebende Alexandru Bulucz, D/ROM startete in den ersten Lese-Nachmittag. Mit seinem Text „Einige Landesgrenzen weiter östlich, von hier aus gesehen“ wurde er von der Juryvorsitzenden Insa Wilke eingeladen. Es geht um eine Kindheit „einige Landesgrenzen weiter östlich“, um das schwierige Ankommen in neuer Umgebung, um die Phrase „Gott ist kein Eisenbahner“, um Taschenratten, um Mozart und Salieri, um die Turnerin Nadia Comaneci und – was erstaunlich aktuell klang – um stockende Gaslieferungen im Jahr 1985.

Der Text sorgte bei der Jurydiskussion für Gesprächsstoff: Eine „Tektonik der Empfindsamkeit“ ortete Mara Delius in diesem Text, der „das Thema Heimatlosigkeit verhandelt“. „Sehr gelungen“ fand ihn Vea Kaiser: „Der Motor der Bewegung ist die Sprache.“ Für Kastberger ging der sehr lyrische Text „an die Grundlagen der Narration“ und stelle viele grundlegende Fragen: „Man darf sich nicht davon abschrecken lassen, dass man sich nicht auskennt.“ – „Sinnsuche, Hoffnung und große Hoffnungslosigkeit“ las Wiederstein aus dem Text.

„Einen feinen Hauch von Konventionalität“ nahm dagegen Philipp Tingler wahr, dem Welthaltigkeit fehlte. „Man kommt sehr schwer hinein und muss bereit sein, den Schwingungen nachzugehen“, meinte Brigitte Schwens-Harrant, die manche sprachliche Schwäche ortete. Insa Wilke lobte die vorgefundene „sprachliche Gestaltungskraft“ und fand „etwas Revolutionäres in diesem Text“: „Die sprachliche Gestaltung an sich ist schon die Erzählung.“

Lesung Alexandru Bulucz
ORF
Lesung von Alexandru Bulucz

Moster entzweite Juroren

Andreas Moster, D begab sich als fünfter und letzter Autor am ersten Lesetag auf die Bühne im ORF-Park. Geboren 1975 in Bad Bergzabern lebt er heute in Hamburg und liest auf Einladung von Vea Kaiser. Sein Text trägt den Titel Der Silberriese. Ein Sportler nimmt zum Training seine kleine Tochter Jelly mit – zu den Sportsachen kommen Milchpulver, Fläschchen und Windeln. Nach Verschwinden der Mutter ist er Alleinerzieher, während er sich für die Olympischen Spiele in Peking vorbereitet. Eine Muskelverletzung macht dem Traum vom Diskuswurf-Gold ein Ende. Vor dem Absturz ihn die Depression bewahrt ihn nur die Verantwortung für sein Kind.

Recht uneins zeigte sich die Jury bei der Beurteilung der Verbindung von Leistungssport und Alleinerziehenden-Thema – mehr dazu in Jurydiskussion Andreas Moster, D. „Das ist an den Haaren herbeigezogen. Ich glaub dem Text kein Wort“, schimpfte Klaus Kastberger und geriet sich mit Vea Kaiser darüber in die Haare, wusste sich aber in der Kritik an dem Text ausnahmsweise einmal einig mit Philipp Tingler. Insa Wilke fragte sich, ob es dafür vielleicht noch immer einen Männer-Bonus gebe. „Es ist ein sehr konventionell geschriebener Text, nahe am Kitsch“, meinte Brigitte Schwens-Harrant, „holzschnittartig“ war er für Wilke.

Am Ende des ersten Tages ist noch alles offen, doch dürfen sich Sichelschmidt, Engler und Bulucz wohl gewisse Hoffnungen machen.

Weitere Lesetage

Am Freitag lesen um 10.00 Uhr Ana Marwan, SLO,, um 11.00 Uhr Behzad Karim Khani, D, und um 12.00 Uhr Usama Al Shahmani, CH/IQ. Den Nachmittag bestreiten um 13.30 Uhr Barbara Zeman, A und um 14.30 Uhr Mara Genschel, D.

Am Samstag komplettieren Leona Stahlmann, D (10.00 Uhr), Clemens Bruno Gatzmaga, D (11.00 Uhr) und Juan S. Guse, D (12.30 Uhr) das Feld der 14 Lesenden.

Der Wiener Elias Hirschl, A ist mit 28 Jahren heuer der jüngste Teilnehmer. Er ist Schlusslicht in der diesjährigen Lesereihenfolge und wird seinen Text am Samstagnachmittag präsentieren. Die Burgenländerin Barbara Zeman, Ain diesem Jahr die zweite Österreicherin. Sie ist am Freitagnachmittag an der Reihe.

Juroren TddL 2022
ORF
Die Jury

Lesungen im ORF Garten

Nach zwei der Pandemie geschuldeten digitalen Jahren findet der Bewerb 2022 wieder in Anwesenheit der Lesenden und auch mit Publikum statt. Die Lesungen werden diesmal nicht im Sendestudio, sondern auf einer Bühne im ORF Garten stattfinden. Die neue Lesebühne hält zwar Regen aus, im schlimmsten Fall übersiedeln die Autorinnen und Autoren ins ORF-Theater.

Mittwochabend fanden die feierliche Eröffnung der 46. TddL und die Auslosung der Lesereihenfolge statt – mehr dazu in Bachmannpreis eröffnet.

Schon am Dienstagabend kamen Jury und Lesende in Klagenfurt an und lernten einander und die ORF-Mannschaft bei einem Get together kennen – mehr dazu in Vorfreude auf Eröffnung